Sexualisierte Gewalt: Landessynode der EKKW beschließt Selbstverpflichtung

Hessen
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Die Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck hat am Freitagabend (26. April) eine Selbstverpflichtung zum Thema sexualisierte Gewalt beschlossen.



Darin bringt sie das Versagen zum Ausdruck, jahrzehntelang nicht auf Betroffene gehört zu haben und verpflichtet sich, „alles zu tun, damit denen, die Gewalt erfahren haben und deren Vertrauen missbraucht wurde, zugehört wird, ihr Leid anerkannt und das Unrecht, das ihnen geschehen ist, klar benannt wird“. Das Gremium verpflichtet sich zudem, die Erkenntnisse und Empfehlungen der im Januar vorgestellten ForuM-Studie intensiv zu studieren, zu diskutieren und im Dialog mit den Betroffenen entschieden zu verfolgen. Zuvor hatte sich Matthias Schwarz, Pfarrer im Ruhestand und Betroffener, mit eindringlichen Worten an das Kirchenparlament gewandt, mit dem Thema sexualisierte Gewalt offen und transparent umzugehen: „Bitte verschließen Sie die Augen nicht. Schauen Sie hin.“

Schwarz, Betroffenenvertreter im Beteiligungsforum der EKD, berichtete, dass er erst spät auf Menschen getroffen sei, die „mich nicht angezweifelt haben“. Die ForuM-Studie habe deutlich gemacht: „Ich bin kein Außenseiter, sondern vollkommen normal. Das, was mir passiert ist, ist vielen anderen passiert. Ich bin kein Freak.“ Er wünsche sich eine Kirche, die sich auf die Seite der Betroffenen stellt und selbstkritisch auf ihre Strukturen blickt.

Bischöfin Dr. Beate Hofmann dankte Schwarz: „Ihre Erfahrungen helfen, besser zu verstehen, worum es hier geht.“ Zuvor hatte Sabine Kresse, Leiterin der Fachstelle der EKKW zum Umgang mit sexualisierter Gewalt, über die Ergebnisse und Konsequenzen der ForuM-Studie berichtet. Mit der Ende Januar vorgestellten Studie ist erstmals für die evangelische Kirche und die Diakonie eine unabhängige Forschungsarbeit über Ursachen und Häufigkeit von sexualisierter Gewalt veröffentlicht worden. Die Forscher gehen von mindestens 1.259 Beschuldigten, darunter 511 Pfarrpersonen, und mindestens 2.225 Betroffenen für den Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie aus. Außerdem attestieren sie der evangelischen Kirche einen mangelhaften Umgang mit Betroffenen, eine Verantwortungsdiffusion sowie eine unzureichende Datenlage. Hochgerechnet sei von 9335 betroffenen Personen auszugehen. „Das Thema sexualisierte Gewalt müssen wir in allen Bereichen mitdenken, nicht nur in der Aus- und Weiterbildung“, gab Kresse den Synodalen mit auf den Weg.

Hintergrund: EKKW hatte 34 Fälle für ForuM-Studie übermittelt

Für die unabhängige Studie des Forschungsverbundes ForuM hat auch die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck ihre Akten – ihre Disziplinarakten, aber auch rund 1.400 Personalakten von aktiven sowie noch lebenden, im Ruhestand befindlichen Pfarrpersonen – untersucht und Fallzahlen übermittelt. Angefordert waren sowohl Verdachts- als auch bestätigte Fälle im Zeitraum 1946 bis 2020, die sexualisierte Gewalt gegenüber Minderjährigen betrafen. Die EKKW hat 34 Fragebögen zu beschuldigten Personen bzw. Tätern gemeldet, darunter sind 22 Pfarrpersonen. Hinzu kamen 76 Fragebögen zu betroffenen Personen, wobei diese Zahl nicht der tatsächlichen Anzahl der Betroffenen entspricht. Die Dunkelziffer ist deutlich höher. Die EKKW ermutigt betroffene Personen, sich zu melden.

Kontakt: Fachstelle der EKKW zum Umgang mit sexualisierter Gewalt, Pfarrerin Sabine Kresse: Tel: 0561-9378 404, per E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Unabhängige Anerkennungskommission: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weitere Informationen zum Thema gibt es unter www.ekkw.de/sexualisiertegewalt

Die Selbstverpflichtung im Wortlaut

Die ForuM-Studie hat das jahrzehntelange institutionelle Versagen der evangelischen Kirche im Blick auf sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche beschrieben und analysiert. Deutlich wird: Auch unsere Kirche hat versagt und jahrzehntelang nicht auf die Betroffenen und ihr Leid gehört, sondern vor allem die Täter, ihre Familien und das Ansehen unserer Institution im Blick gehabt und falsche Entscheidungen getroffen. Für die Landessynode der EKKW ist es bedrückend und beschämend, die Ausmaße unseres Versagens zu erkennen. Und zugleich ist es gut und wichtig, dass dieses Versagen so klar benannt und analysiert wurde. Den Verantwortlichen auf allen Ebenen unserer Kirche ist ihre Verantwortung bewusst: Wir müssen alles tun, damit denen, die Gewalt erfahren haben und deren Vertrauen missbraucht wurde, zugehört wird, ihr Leid anerkannt und das Unrecht, das ihnen geschehen ist, klar benannt wird. Es ist deutlich: Sexualisierte Gewalt ist kein Einzelfall, sie ist nicht nur ein Problem der Vergangenheit. Diese Gewalt muss überall ernstgenommen werden. Wir überprüfen unser Selbstbild kritisch, tun alles, um unsere Abwehrmuster zu überwinden und strukturelle Konsequenzen zu ziehen, zum Beispiel in der Dokumentation von Hinweisen, in der konsequenten Aufarbeitung und im Blick auf Strukturen, die Verantwortung verwischen. Und dabei haben wir immer vor Augen: Gott steht auf der Seite derer, die Gewalt erfahren. Er schützt nicht die, die Gewalt ausüben oder vertuschen. Wir verpflichten uns, die Erkenntnisse und Empfehlungen der ForuM-Studie intensiv zu studieren, zu diskutieren und im Dialog mit den Betroffenen entschieden zu verfolgen.


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