Im Straßenkreuzer versteckt über die Grenze

Hanau
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Es waren die bewegenden Berichte von Dr. René Wiese in seinem Vortrag über das DDR-Sportsystem und die Flüchtlinge des DDR-Sports, denen unter atemberaubenden Bedingungen die Flucht aus der DDR gelang und die über 100 Schüler der Oberstufe, Eltern und Kollegen der Karl-Rehbein-Schule Hanau (KRS) in den Bann zogen.



Seit ihrer Gründung bis zum Mauerfall im November 1989 verließen mehr als drei Millionen Menschen die DDR, viele von ihnen illegal und unter gefährlichen Umständen.

Die massenweise Flucht von Bürgern wurde von der Parteiführung als eine der gefährlichsten Bedrohungen der Existenz des realsozialistischen Regimes angesehen. Auch der Sport war erheblich vom Phänomen  der so genannten Republikflucht betroffen. In seiner historischen Rückschau berichtete Dr. Wiese über Formen und Merkmale der Flucht von DDR-Leistungssportlern an diversen Beispielen von Helmut Schön bis Falko Götz. Er zeigte auf, dass trotz aller individueller Umstände sich doch einige ähnliche Grundmuster herausarbeiten lassen: Das betrifft die Motive der Athleten für ihre Flucht ebenso wie die repressive Reaktion des Staates auf diese Fälle. Denn der SED-Staat rächte sich nicht nur an den abtrünnigen Sportlern, sondern auch an ihren in der DDR lebenden Familien.

Im Gespräch mit Leichtathletik-Weltrekordler Jürgen May, der authentisch von seinem sportlichen Werdegang bis zu seiner hochemotionalen Flucht über Ungarn 1967 berichtete, moderierten Hanna Dabo (Q3-Sport LK) und  Habib Ceylan (Q3-Geschichte LK) ein Stück der gelebten Sportgeschichte. Jürgen May, der früh seine Eltern verloren hatte, galt bei den Sportfunktionären als potentieller Fluchtkandidat. Bereits 1964 wurden seine Fluchtpläne bei den Olympischen Spielen in Tokio ruchbar. Mit den sportlichen Erfolgen des Jahres 1965, als May einen Europa- und einen weiteren Weltrekord aufstellte, konnte er kurzzeitig das Vertrauen der Funktionäre wiedergewinnen.

Während der EM 1966 geriet er jedoch in den berüchtigten „Schuhkrieg“ zwischen den Sportfirmen Adidas und Puma, die beide möglichst zahlreiche Sportler als Werbeträger für ihre Produkte gewinnen wollten. Als bekannt wurde, dass Jürgen May im Auftrag von Puma einen Mannschaftskameraden zum Tragen der Marke im EM-Finale bewegen wollte, kam es zum Eklat. May wurde von der DDR lebenslang gesperrt. Mithilfe des westdeutschen Läufers Karl Eyerkaufer, ehemaliger Landrat des Main-Kinzig Kreises, plante er 1967 die Flucht über Ungarn. Am 25. Juli 1967 wurde er von Fluchthelfern, versteckt im Kotflügel eines amerikanischen Straßenkreuzers, über die ungarisch-österreichische Grenze gebracht.

Jürgen May berichtete über seine großen Momente der Angst, als Grenzbeamte der ungarischen Seite die Karosserie nach Hohlräumen abklopften – doch blieb er unentdeckt. Der bis 1968 olympisch gesperrte May stand erst bei der EM 1969 vor der Fortsetzung seiner sportlichen Karriere im bundesdeutschen Team. Jedoch verhinderte die DDR mit ihrem sportpolitischen Veto seinen Start. Der Konflikt eskalierte: die westdeutschen Leichtathleten solidarisierten sich mit May und boykottierten fast alle Wettbewerbe der EM. Zu ähnlichen Szenarien sollte es in den folgenden Jahren immer wieder kommen, wenn ostdeutsche Athleten ihre Heimat verließen: So lange wie möglich versuchte der DDR-Sport, ihre Teilnahme an Wettbewerben in den Trikots des „Klassenfeindes“ durch sportpolitische und sportrechtliche Proteste zu verhindern. Bewegende Momente des DDR-Sports, die vor allem bei den KRS-Schülern nach dem Vortrag einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.


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