„Weil ich eine Sioux bin!“

Hanau
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Die Schülerinnen und Schüler der Klassen 5A und 6A mit dem Profil „Theater“ kamen am Donnerstag, 3. Mai 2018 in den Genuss einer Aufführung des Schauspiel Frankfurt mitten in einem Klassenzimmer der HOLA.



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Das Stück „Die Zertrennlichen“ des französischen Autors Fabrice Melquiot erzählt von der Freundschaft des neunjährigen Franzosen Romain und der gleichaltrigen Sabah, die algerische Wurzeln hat. Trotz der Vorurteile ihrer Eltern werden aus Nachbarskindern Freunde und sie entwickeln Zuneigung zueinander. Im Laufe der Handlung sind der Ausländerhass und der auf Klischees basierende Rassismus beider Väter und Mütter aber stärker und Sabah zieht nach einer blutigen Auseinandersetzung der Väter mit ihrer Familie weg. Der Abschied tut weh, aber ihre Freundschaft hat keine Zukunft. Auch als Erwachsene sehen sie sich nicht wieder. Die deutschsprachige Erstaufführung war am 26. November 2017 im Schauspiel Frankfurt und kann inzwischen auch als Klassenzimmerstück gebucht werden.

Über 50 Minuten waren die 37 Schülerinnen und Schüler und die anwesenden Lehrkräfte wie gebannt vom Geschehen auf der improvisierten Bühne und hielten fasziniert den Atem an oder lebten erkennbar mit den beiden Protagonisten mit. Kristin Alia Hunold (Sabah) und Philippe Ledun (Romain) standen auf zwei Tischen mit jeweils einem Stuhl und schon wurden die Nachbarwohnungen lebendig. Zu ebener Erde spielten sich Szenen außerhalb des Hauses ab. In schnellen und fesselnden Dialogen gelang eine Darbietung, die alle so schnell nicht vergessen werden. Offener und verdeckter Rassismus („Meine Mutter sagt, deine Eltern sind Dreck“), Vorurteile und Vorwürfe wechselten sich ab mit Neugier („Wer sind denn die Araber?“), Lebensfreude und Vertrautheit im Umgang miteinander. Die Darsteller waren zugleich noch Kommentatoren des Verhaltens der Eltern ihrer Figuren und Erzähler und das alles in sehr schnellen Wechseln, aber auch in ganz ruhigen, nachdenklichen Szenen, in denen ihnen die Ratlosigkeit und Empörung ins Gesicht geschrieben stand. Die Schauspieler erreichten ihr Publikum nicht nur über ihr professionelles Spiel, manches Mal wurden die Zuschauer direkt angesprochen, oder gar wurde der Zuschauerraum zum Bühnenraum. Trotz des ernsten Themas gab es auch komische Momente, und so konnten Kristin Alia Hunold und Philippe Ledun, beide Schauspielstudenten im dritten Ausbildungsjahr, die ganze Bandbreite ihres Könnens zeigen und eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass gutes Theater mit ganz wenig auskommt und keine LKW-Ladung voller Requisiten braucht. Kostümteile wurden im Rucksack verstaut, akustische Zeichen wurden sparsam aber pointiert über Smartphone und Lautsprecher eingespielt. Die jungen Darsteller der Hohen Landesschule konnten staunend beobachten, wie Requisiten, Kostüm und Bühnendekoration polyfunktional verwendet wurden: der Stuhl als Schaukelpferd, später als Hirsch, dem noch ein bisschen Fell übergeworfen wurde, oder der lange Zopf von Sabah, der kurzzeitig als Bart des Vaters diente. Weniger ist mehr und eröffnet den Raum zur Imagination.

Im Anschluss an die Vorstellung standen die beiden Darsteller für eine ausführliche Nachbesprechung zur Verfügung, die von Philipp Boos, Theaterpädagoge am Schauspiel Frankfurt, moderiert wurde. So stand zunächst die Frage im Raum, welche Momente für das junge Publikum besonders waren. Genannt wurde z.B. die Szene im Wald mit den Hirschen, die erste Begegnung der beiden Kinder, die Beleidigungen durch die Eltern und Darstellungen des Älterwerdens der Hauptfiguren in einer Art Zeitraffer. Den Zuschauern gefiel sehr, dass sie in das Stück einbezogen und oft direkt angesprochen waren.

Auch auf die Frage, wieso die Eltern sich derart hassen, wussten die Anwesenden etwas beizutragen. Sie erklärten, wie sich der Streit langsam entwickelt habe und dass es gegenseitiger Rassismus sei und nicht nur von einer Seite ausgehe. Wurde im Stück schon kein Blatt vor den Mund genommen, trauten sich die Schülerinnen und Schüler auch hier, ihre Meinung zu äußern. Dem Publikum war wichtig, dass es auch um die Freiheit gehe, eigene Entscheidungen zu treffen, und sie machten Vorschläge, wie eine solche Eskalation unter Nachbarn vermieden werden kann. Man müsse sich eben viel öfter besuchen, bis man sich kenne. „Vom Diskutieren fallen die Blätter von den Bäumen“, sagt Sabah im Stück. Aber ohne offene Diskussionen bleibt man sich fremd.

Im dritten Block der Nachbesprechung war Raum für Fragen an die Schauspieler. Dabei gingen besonders viele Hände hoch: Wie lange dauert so eine Ausbildung? Wie lernt man in nur sechs Wochen so viel Text? Muss man auch manchmal etwas spielen, mit dem man nicht einverstanden ist (weil der Regisseur es so will)? Waren schon einmal Auftritte gefährlich? Geduldig gingen die beiden Darsteller auf diese und viele weitere Fragen ein. Am Ende wurde sogar die Bitte nach einem Lied noch erfüllt und das kleine Ensemble mit großem Applaus verabschiedet. Ganz sicher, da waren sich alle beim Aufräumen einig, war das nicht der letzte Besuch des Schauspiel Frankfurt in der HOLA.

Foto: Kristin Alia Hunold und Philippe Ledun vom Frankfurter Schauspiel zu Gast an der HOLA.

Foto: Gruppenfoto der Theaterklassen 5 und 6.


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