„Satie aujourd’hui“: Eine Stunde Vollgastheater

Hanau
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Die Bühnenprotagonisten schreien sich gegenseitig an, pöbeln unflätige Parolen ins Publikum, stammeln wirre Wortfetzen.



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Untermalt wird diese surreale Szenerie von schrägen Chorälen, diversen Ragtimes in Kombination irrwitziger Ballett-Choreographien. Wir befinden uns im avantgardistischen Paris der 1920er Jahre, einem Paris des Pablo Picasso, Jean Cocteau, Sergej Diagilew, Francis Poulenc und schließlich dem Hauptprotagonisten, dem Komponisten Eric Satie. Diese Herrschaften befinden sich im Dauerclinch darüber, was denn nun letztendlich Kunst sei. Jeder verteidigt seine Sichtweise auf das, was er unter Kunst versteht, auf eine eigene, eher engstirnige Sichtweise - und das mit opulenter Vehemenz.

Der Leistungskurs Musik Q4 der Karl-Rehbein-Schule Hanau (KRS) unter der Leitung von Jens Weismantel hat nun in Zusammenarbeit mit der Jungen Deutschen Philharmonie das Stück „Satie aujourd’hui“ auf die Bühnenbretter der ehrwürdigen Alten Johanneskirche gebracht – 45 Minuten Vollgastheater, die dem Publikum kaum Zeit lassen zum Atmen. Zu Grunde liegt dem eigens kreierten Stück Saties Werk „Parade“, 1917 komponiert und in Paris von den „Ballets Russes“ unter Sergej Djagilew aufgeführt. Ein Bühnenspektakel, das mit ungewöhnlichen Shows - eine spektakulärer wie die andere – das Publikum bis aufs Blut reizen soll. Cocteau lieferte damals das Bühnenbild, Picasso die Kostüme, Nijinsky sorgte für eine Skandal auslösende Inszenierung. Musikalische Ästhetik und Wohlklang sind dem Werk fremd – das Publikum war letztendlich empört über das Stück, womit die Künstler allerdings ihren Zweck zu provozieren erreicht hatten.        

Realisiert werden konnte das Projekt nun letztendlich mit Fördergeldern der Kulturfonds Frankfurt RheinMain. Im April begannen die Probenarbeiten, die unter Federführung von Projektleiterin Anni Komppa durchgeführt wurden. Das besondere an dem Projekt ist die Förderung der Schüler durch Profis aus der Musik- und Tanzszene, wie etwa die die Tänzerinnen Franves Chiaverini oder Inma Rubio. Aber auch die Media-AG der KRS und der Kunst-Leistungskurs der KRS zogen alle Register ihres Könnens um mit der richtigen Beleuchtung und einem wirklich kunstvollen Bühnenbild den äußeren Rahmen für diese gelungene Aufführung zu stellen.

Man kann letztendlich nur staunen, was die jungen KRS-Schüler, allesamt frisch gebackene Abiturienten, da neben Prüfungsstress auf die Beine gestellt haben. Sei es im darstellerischen, im tänzerischen oder im musikalischen Bereich: Wie Zahnräder greifen hier die verschiedenen Darstellungs-Elemente passgenau ineinander, ergänzen sich zu einem pittoresken Gesamtkunstwerk, das man jungen Menschen in dieser gebotenen Qualität und auch Intensität nicht unbedingt zugetraut hätte. In der Tat kommt findet man sich als Zuschauer auf einem Rummelplatz der Künste wieder, wo Gesang, Tanz und Theater im marktschreierischen Wettkampf um die Gunst des Publikums buhlen. Für leise Töne gibt es kaum Platz. Ein lebendiges, mit viel Herz gespieltes Bühnenstück, das durchaus gewollte Parallelen zur Jetztzeit aufzuweisen hat: Erfolgreich ist der, der am lautesten schreit, der am höchsten springt und der sich und seine Seele am teuersten verkaufen kann. Dem KRS-Musikleistungskurs gelingt hier ein kleines Meisterstück, das wesentlich mehr Publikum verdient gehabt hätte – aber vielleicht war es ja nicht massen-kompatibel genug…         

Foto: Hereinspaziert: Die Show der künstlerischen Eitelkeiten kann beginnen – eindrucksvoll in Szene gesetzt von den Schülern des Musik-Leistungskurses der Karl-Rehbein-Schule.

Foto: Was bitte ist denn nun Kunst? Picasso, Satie und Cocteau diskutieren das sehr divergent aus. Fotos: Privat


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