Erster Freiland-Schlüpfling bei Sumpfschildkröten im „Reinheimer Teich“

Hessen
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Dass Unkrautjäten eine Riesenfreude bereiten kann, erlebte vor wenigen Tagen Susanne Diehl aus Langstadt bei Dieburg.



schuepf reinheimschuepf reinheim1Beim Säubern des Barfusspfades nahe der Naturschutzscheune am NSG Reinheimer Teich traute sie ihren Augen kaum. Ein kleines, grau-braunes Mini-Reptil, kaum größer als ein Fingernagel, versuchte sich vor dem großen und übermächtigen Zweibeiner in Sicherheit zu bringen.

Susanne Diehl - selbst erfahrene Naturschützerin - konnte den sensationellen Fund sofort einordnen: Eine winzige frisch geschlüpfte Europäische Sumpfschildkröte. Der erste direkte Nachweis einer Reproduktion der Art im Europaschutzgebiet „Untere Gersprenzaue“ und nahe am Reinheimer Teich.

Zwar gilt der Reinheimer Teich seit langem als Refugium von Emys orbicularis, der europaweit geschützten Europäischen Sumpfschildkröte und zahlreiche Anstrengungen wurden in den vergangenen Jahren unternommen, um den kleinen Schildkröten-Bestand zu erhalten und mit nachgezüchteten Tieren wieder zu vergrößern („Bestandsstützung“). Doch der direkte Nachweis stand noch aus, dass die Tiere im Schutzgebiet auch wieder Nachwuchs produzieren würden.

„Bei uns ist die Freude riesengroß“, jubelt denn auch Sibylle Winkel, die das hessische Artenschutzprogramm Europäische Sumpfschildkröte koordiniert. „Wir warten bereits seit mehreren Jahren auf den ersten Nachweis hier im Schutzgebiet“, so die Biologin."Die selbständige Vermehrung der Tiere im Freiland stellt für das Projekt einen riesigen Fortschritt dar."

„Allerdings gleicht der Nachweis von frisch geschlüpften Jungtieren einem Sechser im Lotto. Die Tiere sind einfach zu klein und zu gut getarnt, um gefunden zu werden“, ergänzt Sibylle Winkel. Zudem dürften nur wenige der kleinen Krabbler die ersten Lebensmonate überstehen. Bei dieser Größe wird jede Amsel, jeder Spatz und jede Maus zum Freßfeind. Viele Gelege werden erst gar nicht von der Sonne ausgebrütet, denn für Wildschweine, Waschbären und Co. sind die Schildkröteneier ein Leckerbissen.

Doch hin und wieder klappt die Reproduktion. „Bei Tieren, die Jahrzehnte und mit Glück sogar über hundert Jahre als werden können, reicht eine erfolgreiche Vermehrung alle paar Jahre“, erläutert Biologin Winkel. „Das Reinheimer Jungtier hat wahrscheinlich den Winter unter der Erde im Ei verbracht“, erklärt Rudolf Wicker, Reptilienexperte und stellvertretender Direktor des Frankfurter Zoos a. D.. Die wärmeren Niederschläge zum Monatsbeginn haben dafür gesorgt, dass sich die kleine Schildkröte ihren Weg ins Freie graben konnte.

Leicht dehydriert, etwas abgemagert und keine sieben Gramm schwer wurde der Schlüpfling auch sogleich in den Frankfurter Zoo gebracht, um hier aufgepäppelt zu werden. „In drei oder vier Jahren wird das Tier dann mit einem Gewicht von über 100 g wieder in das Naturschutzgebiet zurückgebracht“, ergänzt Sibylle Winkel. Etwa handtellergroß ist die Sumpfschildkröte dann gegen die meisten Fressfeine gut gewappnet und hat die Chance, uralt zu werden. „Das Tier kann dann auf lange Zeit mit seinen Artgenossen für den Fortbestand der Art im Gebiet sorgen.“

Große Freude über den Fund herrscht auch bei Dr. Matthias Kuprian, der das Artenschutzprogramm amtlicherseits im hessischen Umweltministerium betreut. „Der Nachweis des kleinen Schlüpflings zeigt, wie erfolgreich das Kooperationsprojekt von ehrenamtlichem und amtlichem Naturschutz, Wissenschaft und zoologischen Gärten funktioniert. Das Artenschutzprogramm Sumpfschildkröte besteht bereits seit 1999 und gilt als Vorzeige- und Flaggschiffprojekt des hessischen Naturschutzes.“

„Bereits im vergangenen Jahr konnte nahe bei Bad Vilbel in einem weiteren Sumpfschildkröten-Gebiet ein Jungtier nachgewiesen werden“, berichtet Dr. Kuprian. Das etwa 20 g schwere und  2 Jahre alte Fundtier aus dem Niddasystem soll ebenfalls in wenigen Jahren wieder in die Freiheit entlassen werden.

Mit den beiden Jungtierfunden steigt die Zuversicht, dass sich die Hoffnung der Schildkrötenschützer erfüllt und sich der hessische Sumpfschildkröten-Bestand langsam aber stetig vergrößern wird. So könnte der von der von der EU-Kommission geforderte „günstige Erhaltungszustand“ der europaweit gefährdeten Art in Hessen mittel- bis langfristig erreicht werden. 

Fotos: Sibylle Winkel


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