NPD-Urteil: Zivilcourage unerwünscht?

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Nach der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes, dass der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky bei einer NPD-Kundgebung im September 2013 seine Neutralitätspflicht verletzt habe, meldet sich jetzt die SPD-Stadtverordnete Sigrid Kargl zu Wort.



"Fast täglich wird in den Medien von Politik, Verbänden und Vereinen zu mehr Engagement und  Zivilcourage aufgerufen. Während sich erfreulicherweise zahlreiche Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt ehrenamtlich betätigen, bleibt die hochgepriesene Zivilcourage dabei oftmals auf der Strecke. Und wird sie denn wirklich einmal in die Tat umgesetzt, bekommt der Betreffende keine Belobigung, sondern eine derbe schwer verdauliche Rüge verpasst. Warum schreibe ich diese Zeilen? Oberbürgermeister Claus Kaminsky hat sich am 11. September 2013 gemeinsam mit vielen Menschen einer NPD-Kundgebung in Hanau mutig entgegengestellt  und dabei eindeutig  Position gegen eine Partei bezogen, die laut Verfassungsschutzbericht als 'relevanteste Bedrohung für die Grundwerte unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung' eingestuft wird. Vor dem Hintergrund des damaligen NPD-Aufmarschs tat Kaminsky das, was für jeden ehrlichen Demokraten selbstverständlich  sein sollte. Seine damalige Rede, in der er klarstellte,  dass in unserer Stadt kein Platz für Nazis ist,  kann man bis zum heutigen Tag auf der städtischen Internetseite nachlesen.  Das war natürlich den Herren von der Brauen Front, für die Meinungsfreiheit offenkundig ein Fremdwort ist, ein Dorn im Auge. Sie klagten gegen diese Veröffentlichung in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht in Frankfurt. Ihre Klage wurde abgewiesen. Doch wer nun der Auffassung war, die ganze Angelegenheit sei damit erledigt, musste sich eines Besseren belehren lassen. Die NPD zog vor den Hessischen Verwaltungsgerichtshof und bekam dort Recht. Angeblich habe Kaminsky als Chef der Versammlungsbehörde seine „Neutralitätspflicht verletzt“. Vorläufiges Fazit: die Rede, die OB Kaminsky anlässlich der Gegendemo zur NPD-Kundgebung gehalten hat, soll von der städtischen Homepage gelöscht werden. Das Frankfurter Gericht will gegen dieses Urteil  keine Revision zulassen.

Um es gleich vorweg zu sagen: ich bin weder eine Juristin, noch kann ich juristische Spitzfindigkeiten adäquat beurteilen. Doch was sich hier gegenwärtig abspielt, dürfte nicht nur für mich, sondern auch für den Großteil unserer Hanauer Bürgerinnen und Bürger schlichtweg nicht mehr nachvollziehbar sein. Mir  hilft bei der Betrachtung dieser Thematik viel mehr ein Blick in die leidvolle Geschichte Hanaus im 20. Jahrhundert. Auch in unserer Stadt gab es leider zu viele Menschen, die dem aufkommenden Nationalsozialismus gleichgültig und tatenlos gegenüberstanden. Und die Wenigen, die sich dem brauen Terror widersetzten, verschwanden fast alle in den Konzentrationslagern. Viele jüdische Mitbürger wurden allein wegen ihrer Rassenzugehörigkeit deportiert und in Massenvernichtungslagern grausam umgebracht. Das Inferno vom 19. März 1945 war für Hanau der traurige Höhepunkt dieser furchtbaren Epoche. Haben wir das schon wieder vergessen?

Rückwirkend bleibt festzuhalten, das Schweigen vor Unrecht und Willkür der beste Nährboden  für das Erstarken faschistischer Strukturen ist. Faschismus ist keine beliebige Weltanschauung, sondern ein Verbrechen! Claus Kaminsky hat offensichtlich aus dem Wirken seiner eigenen Partei während der Weimarer Republik die richtigen Lehren gezogen, als ein Teil von ihr die deutlich aufkommende Gefahr von rechts zu sehr unterschätzte. Fragt man sich heute nach den Motiven, weshalb unser Stadtoberhaupt sich so vehement gegen das aggressive Auftreten der NPD persönlich positioniert habe, findet man ganz schnell die Antwort in seiner Rede vom 11. September 2013: 'Wir treten ein für Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat und ein friedliches tolerantes Miteinander aller Menschen.' Dem möchte ich Nichts mehr hinzufügen."

Sigrid Kargl
Stadtverordnete der SPD Fraktion in Hanau
Krumme Gewann 20
63457 Hanau

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