Wie eine Protestnote an die Landesregierung unter die Räder kam

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"Die Geschichte wiederholt sich nicht oder wie eine Protestnote an die Landesregierung unter die Räder kam", überschreibt Professor Bernhard Fleckenstein (LFB/FDP-Fraktion) eine Stellungnahme zu einer abgelehnten Resolution in der Gemeindevertretung Freigericht.



"Auf kommunaler Ebene spielt Parteipolitik keine Rolle! Klingt auf den ersten Blick einleuchtend, ist aber falsch. CDU und Grüne haben mit ihrem Abstimmungsverhalten vergangenen Donnerstag in der Gemeindevertretung das Gegenteil bewiesen. Das Wohlbefinden der schwarz-grünen Koalition in Wiesbaden liegt ihnen offensichtlich mehr am Herzen als die Interessen der Gemeinde Freigericht und ihrer Bürger. Deshalb, lieber Leser, sollten Sie sich   vom Köhlerglauben der kommunalen Überparteilichkeit  verabschieden.

Was war geschehen? Massive Beeinträchtigungen der grundgesetzlich garantierten Rechte der Gemeinden - insbesondere des Prinzips der kommunalen Selbstverwaltung - durch die Finanzpolitik der hessischen  Landesregierung sind mittlerweile an der Tagesordnung. Dagegen wehren sich immer mehr Kommunen, und zwar auch mit Klagen vor den Verwaltungsgerichten. In der Freigerichter Gemeindevertretung ging es keineswegs um solch  schweres Geschütz. Die LFB/FDP-Fraktion hatte Mitte November 2014 per Antrag lediglich an die Landesregierung appelliert, „die finanzielle Eigenverantwortung der Kommunen zu respektieren und nicht weiter auszuhöhlen, das Konnexitätsprinzip zu achten und vor allem für eine bedarfsgerechte Finanzierung der Kommunen zu sorgen“ - so der Text des Resolutionsentwurfs.

Das war CDU und Grünen schon zuviel an Protest – und auch einigen in der UWG.  Der Antrag scheiterte am Gleichstand von 13 zu 13 Ja- und Nein-Stimmen, zwei Gemeindevertreter enthielten sich. Die Courage der Mandatsträger hat also nicht einmal für eine Gelbe Karte gereicht, geschweige denn für den Gang zum Verwaltungsgericht, wie das andere  Kommunen entweder schon getan oder öffentlich angekündigt haben. Das war nicht immer so. In ihrer Geschichte sind die Freigerichter öfter  mit der Obrigkeit aneinander geraten, insbesondere nach dem Jahr 1500, als das Freigericht seine Reichsunmittelbarkeit verlor und die neuen Herren versuchten, die alten Rechte zu kassieren. Höhepunkt war der Streit mit dem Landgrafen von Hessen-Kassel wegen unberechtigter Steuererhöhungen. Dagegen klagten die Freigerichter vor dem Reichshofrat in Wien (1775-1778) und dem  Reichskammergericht in Wetzlar (1795-1806).  Wie viel Mumm es dazu brauchte, dass Kleinbauern, Handwerker und Tagelöhner ihre  - wie man damals glaubte - gottgewollte Obrigkeit verklagten, können wir heute kaum ermessen. Der Prozess um Anerkennung der überkommenen Rechte wurde verschleppt, verzögert und schließlich eingestellt. Die Klage erbrachte also nicht das gewünschte Ergebnis. Aber dass sie gewagt wurde, ist ein Ruhmesblatt im Jahrhunderte währenden Kampf um Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte, auf das die Freigerichter heute noch stolz sein können.

In Wiesbaden wächst neuerdings eine Fürstenwillkür moderner Prägung. Die überkommenen Rechte der Kommunen werden auf dem Erlasswege ausgehöhlt. Die Missachtung des Konnexitätsprinzips und eine viel zu enge Definition der kommunalen Pflichtaufgaben verbunden mit einer unzureichenden Mittelzuweisung treiben die Gemeinden weiter in die Verschuldung und zwingen sie  zu  Steuererhöhungen, wenn sie ihre Haushalte genehmigt haben wollen. Der Gelnhäuser Bote brachte 2014 einen Bericht über das Freigericht mit dem Titel: „Eine Gemeinde, die das Kämpfen gewohnt ist“. Das war einmal. Vom Kampfgeist der Ahnen ist nichts geblieben. Nicht einmal zu einem durchaus höflichen Protestschrieb ohne jede Polemik hat es gereicht. Stattdessen zeigen sich bei Schwarz-Grün die erste Anzeichen von Caesarenwahn. Das ist die hoch ansteckende  Krankheit, die mit schöner Regelmäßigkeit die Herrschenden befällt und ihnen die Fähigkeit zur Wahrnehmung der Realität vernebelt."

Prof. Bernhard Fleckenstein
(Freigerichter Gemeindevertreter - LFB/FDP-Fraktion)

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