Deutschland ängstlich Vaterland

Leserbriefe
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Pfarrer Christoph Schilling wollte Blutspenden, doch das wurde ihm nicht gestattet. Warum das so war, schreibte in diesem Leserbrief.



"Am Dienstag nach Pfingsten will ich in Wächtersbach Blut spenden. Ich nehme meinen DRK-Ausweis, mit Namen, Adresse und Lichtbild mit. Mit ihm habe ich 19 von insgesamt 58-mal Blut gespendet. Die Überraschung: Der Ausweis, der jahrelang gereicht hat, reicht nicht. Ich muss einen Personalausweis oder den Führerschein mitbringen. Eine Begründung für die Verschärfung fehlt; es wird nur gesagt, man sei an diese Aufforderung gebunden. Das Personal ist sehr freundlich, aber irgendwie auch ein bisschen ratlos. Sie müssen umsetzen, was sie selber (so mein Eindruck) nicht richtig einsehen. Auf meinen Hinweis, dass vier oder fünf der Umstehenden mich persönlich kennen und meine Identität bezeugen, wird erneut auf die Ausweispflicht verwiesen. Ich will gehen. Eine Ärztin schenkt mir das, was alle Blutspender bekommen. Ich soll etwas essen. Zum ersten Mal werde ich in eine Essensliste eingetragen, mit vollem Namen und Adresse. Ich gehe, ohne gespendet zu haben, denn mein Personalausweis liegt daheim.

Mein trauriges Fazit: 1.) Einem Ausweispapier wird mehr vertraut, als einer Handvoll lebendiger Menschen. 2.) Ich hätte das alles noch verstanden, wenn ich hätte 5.000,- Euro abheben wollen. Aber ich wollte doch nur Blut spenden, zum wiederholten Mal. 3.) Wir dokumentieren uns zu Tode. Alles wird in Listen festgehalten. 4.) An Nepal, wo aktuell Blut fehlt, darf ich dabei gar nicht denken. 5.) Dieses Klima der ängstlichen Rückversicherung ist wie ein Krebs, der unser Land immer mehr durchzieht. Ich mache zwei Gründe dafür aus: Viele wollen sich absichern, weil es einige wenige gibt, die alles einklagen, alles einfordern, unbedingt Recht bekommen wollen. Dass das Leben auch Risiken bereithält, die einen selber treffen, darf nicht sein. Es muss für alles Schuldige geben. Also: schreibt alles, alles auf! Demzufolge (das ist meine zweite Vermutung) gibt es immer weniger Menschen,die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, weil man sie haftbar macht.

Zum guten Schluss: Ich sage nicht wann, ich sage nicht wo, aber eines Tages habe ich einem Paketboten den Empfang einer Sendung auf dem Desktop nicht mit Namen quittiert, sondern einfach drei Kreuze gemacht. Liebe Leser, ihr ahnt, was passiert ist: nichts, gar nichts."

Christoph Schilling
Pfarramt Wächtersbach-Ost
Brunnenstraße 19
63607 Wächtersbach

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