Somborn: Modehaus Gutmann schließt nach 90 Jahren

Somborn
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90 Jahre lang war das Modehaus Gutmann in Somborn ein fester Bestandteil im Freigerichter Geschäftsleben, am Dienstag, 30. September 2014, werden die Türen für immer geschlossen.

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modehausgutmannDas Traditionshaus stellt nach einem Räumungsverkauf den Betrieb ein. „Die nächste Generation hat sich für andere Berufe entschieden“, ist bei Geschäftsführer Volker Kraus allerdings die Wehmut längst der Vernunft gewichen. „Heutzutage wird es immer schwieriger, ein derartiges Geschäft zu betreiben“, pflichtet ihm sein Schwager Klaus Peter bei. Wie viele Einzelhändler sah sich das Modehaus Gutmann einer wachsenden Konkurrenz im Internet ausgesetzt, auch wenn viele Stammkunden dem Geschäft über Jahre die Treue hielten.

Gründer des Modehauses war Heinrich Gutmann, der eigentlich den in der Somborner Hauptstraße ansässigen Landwirtschaftsbetrieb seiner Eltern weiterführen sollte, aber auf eigene Faust eine kaufmännische Lehre absolvierte, um sich ein zweites Standbein zu schaffen. Auf einer Hochzeit lernte er seine spätere Ehefrau Theresia Dörner aus dem Westerwald kennen. Sie hatte damals schon das Handwerk der Modistin (Hutmacherin) erlernt, was für Gutmann der Startschuss für die Gründung eines kleinen Hutgeschäftes, zunächst im Wohnzimmer, war.

1924 wurde neben der Landwirtschaft in der Hauptstraße ein  Hutgeschäft eröffnet. Im gleichen Jahr wurde  Tochter Toni geboren. Nach und nach erfuhr das Warenangebot eine Erweiterung; es entstand ein Hut-, Schirm-  und Textilgeschäft. 1929 wurde  Tochter Hilde geboren. Die Tradition  der Hutmacherkunst führte Tochter Toni weiter. Der 2. Weltkrieg stoppte  die ständige Weiterentwicklung des kleinen Ladens. Heinrich Gutmann wurde es in dieser Zeit amtlich untersagt, nationalsozialistische Kleidung wie Braunhemden, Halstücher etc. in seinem Geschäft zu verkaufen, da er nicht bereit war, Mitglied der NSDAP zu werden.

Nach dem Krieg heiratete Tochter Toni den aus Augsburg stammenden Fred Kraus. Dieser hatte im Krieg seine rechte Hand verloren und konnte daher nicht mehr seinen erlernten Beruf des Kunstschlossers ausüben. Demzufolge stieg er mit in das Geschäft seiner Schwiegereltern ein. Die Fortführung des Geschäfts war zielgerichtet, aber mit Schwierigkeiten gespickt. Der Schwiegersohn übernahm nun die Aufgabe des Einkäufers. Mit einer gesunden Hand und einer Handprothese rechts auf einem  Sachs-Motorrad, einem Rucksack auf dem Rücken und einer Pappkiste auf dem Gepäckträger schaffte er aus dem Großhandel in der Region Frankfurt die benötigte Ware heran. Später folgte dann eine kleine 250er BMW und in den Sechzigern der erste VW-Käfer, mit dem endlich wetterunabhängig Ware eingekauft werden konnte.

Das Geschäft entwickelte sich sehr gut, so dass neben der Seniorchefin die beiden Töchter und der Schwiegersohn die Verkaufsgeschäfte im Laden wahrnahmen. Heinrich Gutmann war bis ins hohe Alter mit der Buchführung betraut. Manch ältere Somborner wird sich auch noch erinnern, dass Heinrich Gutmann, um Transportkosten zu sparen, mit einem Handkarren Warenpakete vom Somborner Postamt abholte, wobei er unterwegs immer gerne eine Zigarre rauchte und ein Schwätzchen hielt.

In den 70er Jahren war der alte Laden zu klein geworden und ein neues, modernes Geschäft mit Eingang von der Hanauer Straße mit großer Schaufensterfront wurde gebaut. In der nun folgenden Zeit bot das kleine mittelständige Unternehmen auch etlichen Frauen aus Freigericht Arbeitsplätze als Verkäuferinnen. Der plötzliche Tod von Fred Kraus verlangte eine Umstrukturierung. Sohn Volker und Tochter Dorothee vervollständigten nun das Team; der Sohn übernahm hauptsächlich den kaufmännischen Bereich, und die Tochter arbeitete im Laden mit. Chefin Toni Kraus arbeitete als Seele des Unternehmens bis zu ihrem 77. Lebensjahr in ihrem  geliebten Geschäft, unterstützt von ihrer Tochter, ihrem Sohn, ihrer Schwester Hilde und mehreren Verkäuferinnen, bis sie dann innerhalb weniger Wochen an einer schweren Krankheit verstarb.

Die dritte Generation hat nun  das Rentenalter erreicht. Da die vierte Generation in einem Einzelhandelsgeschäft der Textilbranche auf dem Land keine berufliche Perspektive mehr sieht und sich beruflich bereits anders orientiert hat, wird dieses Traditionsgeschäft geschlossen.


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