Revierförster Betz äußert sich zur Kritik an Waldwirtschaft

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Markus Betz schaut kritisch auf die Presseveröffentlichungen zum Freigerichter Gemeindewald in den vergangenen Tagen.



wald betzwald betz1wald betz2wald betz3„Langsam habe ich den Eindruck, unser Wald müsste vor dem Förster geschützt werden“, will er mit Fakten für Klarheit in die Diskussion über Pflege und Bewirtschaftung bringen. Seit 20 Jahren ist er Revierförster im Freigerichter Gemeindewald und kennt sich vermutlich wie kein anderer auf der insgesamt 1281 Hektar großen Fläche aus.

Waldprozessschutz – der von der CDU in den Ring geworfene Begriff ist für Betz nur ein Modewort. „Ich bin auch für Prozessschutz, allerdings nach natürlichen Prozessen und nicht nach politischen Vorgaben“, macht der 53-Jährige bei einer Rundfahrt durch den Freigerichter Gemeindewald deutlich. Für ihn ist klar: Was da gefordert wird, setzt er bereits seit zwei Jahrzehnten um. „Wir haben beispielsweise noch nie Chemie eingesetzt“, sei das Erfolgsgeheimnis eine ökologische Bewirtschaftung des Waldes. Das werde der Natur gerecht, zugleich könne genügend Holz aus dem Wald ökonomisch genutzt werden.

9000 Meter Festmeter werden im Durchschnitt pro Jahr in Freigericht eingeschlagen. Auch in dieser Woche waren Motorsägen zu hören, diesmal im Bereich des Gänsewaldes in Somborn. Gerade diese Region ist für Betz beispielhaft. „Hier gab es eine Pappelmonokultur, von einer Artenvielfalt keine Spur“, stelle sich das nach dem 1. Weltkrieg entstandene Waldgebiet inzwischen ganz anders da. Betz: „Entstanden ist ein artenreicher Bachauenwald.“ Pappeln stehen nur noch am Wegesrand, aber auch die werden bald gefällt. „Wenn ein Baum gefällt wird, wachsen die anderen rundherum umso stärker“, werden diese Fäll-Arbeiten aber auch aus Sicherheitsgründen durchgeführt, weil bereits die Gefahr besteht, dass Äste auf die Weg hoch in den Gänsewald fallen und beispielsweise Spaziergänger treffen könnten.

Die sind in dem Wald wie ihn Betz bevorzugt immer willkommen. „Sie glauben doch nicht, dass der Käfer da hinten im Totholz sich davon gestört fühlt, wenn hier jemand lang läuft“, zeigt er auf am Boden liegende und von Moos bewachsene Stämme. Und damit ist er wieder beim Thema. Hinter den Prozessschutzflächen steckt die Idee, gewisse Bereiche im Wald komplett der Natur zu überlassen und dafür Ökopunkte zu bekommen. Laut CDU sind Einnahmen in Höhe von fast 300.000 Euro zu erzielen, wenn nur 1,1 Prozent des Gemeindewaldes als solche Flächen ausgewiesen werden. Pro Ökopunkt gibt es 35 Cent, das Geld kommt unter anderem von großen Unternehmen, die für Baumaßnahmen – wie beispielsweise am Frankfurter Flughafen - Wald abholzen und dafür Ausgleichsmaßnahmen treffen müssen. Allerdings wird nur einmal gezahlt, anschließend darf in dem Bereich jahrzehntelang nichts verändert werden. Betz gefällt das nicht: „Das ist wie ein Ablasshandel!“ Er will kein Geld für die Sünden an Flora und Fauna, er will die ökologische Bewirtschaftung des Freigerichter Gemeindewaldes unter ökonomischen Gesichtspunkten fortführen.

„Ich will einen Dauerwald“, zeigt er auf junge Bäume, die in einigen Jahrzehnten genau so dick sein sollen, wie die, die gerade gefällt werden. Dass das System funktioniert, beweisen für ihn die Zahlen. Laut Betz wachsen jährlich 12.000 Festmeter nach, 3.000 mehr als gefällt werden. „Der Gemeindewald wächst, das ist die Wahrheit“, sei der Vorwurf, im Gänsewald finde ein Kahlschlag statt, daher auch falsch. Der 53-Jährige stellt sich neben einen toten Baumstamm mit zahlreichen Löchern. „Diese Bäume könnte ich alle wegmachen, aber das ist Lebensraum für viele Höhlenbrüter“, hätten sich inzwischen zahlreiche Vogelarten wieder im Wald angesiedelt. Dank vieler seltenen Baum- und Pflanzenarten seien somit im Freigerichter Gemeindewald auch längst vertriebene Tiere wieder zu finden. Und dass die sich in Zukunft nur noch in den Flächen aufhalten werden, die der Mensch für sie reserviert hat, glaubt er nicht. Betz: „Wir haben überall kleine Biotope und nehmen immer Rücksicht darauf, wo sich Tiere und Pflanzen ansiedeln.“

Neben dieser ökologischen Seite plädiert Betz aber auch für eine ökonomische Nutzung. Das Brennholz, das aus dem Freigerichter Gemeindewald gewonnen wird, ersetze eine Million Liter Heizöl – pro Jahr. Holz sei aber ein vielfältiger Rohstoff, der beispielsweise auch in Möbeln Jahrzehnte lang genutzt und zum Schluss durch die Verbrennung sogar wieder in den Naturkreislauf zurückgeführt werden könne. „Wichtig ist, dass das gesamte Ökosystem intakt ist“, fordert er dafür auch einen größeren Beitrag von der heimischen Landwirtschaft. „Da besteht Nachholbedarf. Wir haben hier wertvollen Ackerboden und wenn der falsch bewirtschaftet wird, werden Teile weggespült und der Boden kann sich nicht mehr erneuern“, habe er derartige Schäden in Freigericht bereits festgestellt.

Ganz anders im Wald: Dort werde so gearbeitet, dass das Wasser in den Flächen verbleibe und beispielsweise Biotope entstehen. „Der Freigerichter Gemeindewald gehört zur 1. Bundesliga“, habe dies im vergangenen Jahr auch ein unabhängiger Gutachter festgestellt. Und auch bei der Planung der Golfplatz-Erweiterung sei ein Teil des Waldes als naturschutzrechtlich geschütztes Biotop eingestuft worden. Für Betz ist dies die Bestätigung seiner Arbeit: „Die Flächen, die jetzt für diese Naturschützer interessant sind, sind nicht durch Zufall entstanden, sondern von der Waldwirtschaft zugelassen worden.“ Wer sich selbst ein Bild im Freigerichter Wald machen will, braucht nur auf die Markierungen an den Bäumen zu achten. Ein roter Punkte bedeutet, dass der Baum – zumindest momentan – für eine Holzverwertung geeignet ist, die Bäume mit einem roten Dreieck werden dagegen beispielsweise von einem Specht bewohnt und bleiben als Biotop-Bäume- derzeit sind es zirka 20 auf jedem Hektar- in jedem Fall stehen.

„Umso wertvoller ein Baum ökologischer wird, um wertloser werde er ökonomisch“, gebe es aufgrund des ausreichenden Bestandes im Freigerichter Gemeindewald aber keinen Grund, Specht und Co. aus den Höhlen zu vertreiben. Die alle zehn Jahre durchgeführte Inventur im Wald bestätige dies und wiederlege alle Kritiker. „Je ökologischer ich arbeite, umso größer wird von dieser Gruppe von Leuten die Notwendigkeit dargestellt, den Wald vor meiner Arbeit zu schützen“, wundert ihn vor allen, dass genau diese Personen vor 15 Jahren mit seiner Arbeit noch sehr zufrieden gewesen wären. „Die Initiative zur ökologischen Waldwirtschaft kam aus meiner Försterei“, werde er daher trotz aller Kritik auch in Zukunft an diesem Prinzip festhalten.


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