Abschied vom Zölibat: „Ist seine Lebensentscheidung“

Meerholz
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„Vor allem freue ich mich darauf, nun nicht länger alleine durchs Leben zu gehen“, schrieb Manuel Neumann am Ende seines Briefes an die Gemeinde und verabschiedete sich damit in einen „normalen Berufsalltag“.

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neumannneuUnd diesen will und kann er jetzt ganz privat leben, nach seinem überraschenden Abschied aus dem Priesteramt war der bisherige Geistliche der katholischen Kirchengemeinden Meerholz-Hailer und Gründau für eine Stellungnahme nicht mehr zu erreichen. Somit bleiben von ihm zunächst nur seine selbst verfassten Worte: „Worauf ich mich dabei freue, ist ein Leben als Christ, ohne dass jede meiner Bewegungen, jede Handlung, jeder freie Tag oder jeder Urlaub gleich kommentiert oder kritisiert werden“, verschweigt er dabei nicht, dass er unter manchen Unterstellungen und Angriffen in den vergangenen „ziemlich gelitten“ habe.

Kommentiert wurde allerdings auch dieser Schritt des 37-Jährigen, in den Sozialen Netzwerken äußerten sich seit Sonntag Hunderte zu seinem Abschied aus dem Priesteramt und der damit verbunden Niederlegung des Zölibats. „Sehr mutig. Habe ihn als ganz tollen Menschen kennengelernt. Wünsche ihm viel Kraft. Gut, dass mal einer ein Zeichen setzt und zu seiner Entscheidung steht. Hochachtung!“, ist dort unter anderem zu lesen, oder: „Das ist echt schade, dass er nicht mehr Pfarrer in unserer Gemeinde ist. Ich fand/finde ihn toll als Pfarrer. Allerdings wünsche ich ihm alles erdenklich Gute auf seinem neuen Weg und freue mich für ihn. Liebe ist etwas tolles.“ Aber auch mit Kritik an der katholischen Kirche und dem Zölibat wird nicht gespart: „Traurig, überhaupt vor die Entscheidung Beruf oder Liebe gestellt zu werden. Das Zölibat gehört schon lange abgeschafft!“, lautet ein Kommentar unter vielen zu diesem Thema. „Wie soll ein Pfarrer glaubwürdig über Familie und Liebe urteilen, wenn er selbst diese nicht haben darf?“, wird auch gefragt, allerdings wollte Neumann eine generelle Diskussion über das Priesterleben eigentlich verhindern. Seine Entscheidung ändere nichts an der Tatsache, „dass ich den Zölibat prinzipiell nach wie vor für eine gute Sache halte – nur eben nicht mehr für mich“, erklärt er das Thema in seinem Abschiedsbrief als untauglich für grundsätzliche kirchenpolitische Diskussionen.

Dabei ist seine Entscheidung kein Einzelfall: „Mindestens 100 Priester lassen sich unserer Schätzung nach pro Jahr in Deutschland aus Liebe zu einer Frau oder einem Mann suspendieren", erklärt der Vorsitzende der Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen, Claus Schiffgen (52), aus dem südhessischen Michelstadt. Nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz gibt es in Deutschland mehr als 14.000 Priester. Aus Furcht vor den wirtschaftlichen Folgen scheuen Schiffgen zufolge viele Priester vor dem folgenschweren Schritt zurück. „Die Angst, ins Bodenlose abzustürzen ist, groß“, sagte er. Es gebe kein Arbeitslosengeld. „Deswegen lebt wohl die Hälfte aller Priester in Deutschland in einer heimlichen Beziehung“, glaubt Schiffgen, der nach sieben Jahren als Geistlicher im Ruhrgebiet der Liebe wegen ausgestiegen war. Mit der Suspendierung seien die Priester erst einmal für alle kirchlichen Jobs gesperrt. Erst nach gewisser Zeit könnten sie unter Umständen wieder für die Kirche arbeiten.

„Als Pfarrgemeinderat müssen wir seine Entscheidung akzeptieren“, sagt Sprecherin Monika Lehnert aus Meerholz. Es sei zwar schade für die Gemeinde, „aber wir freuen uns mit ihm“. Bereits am Montag der vergangenen Woche habe Neumann seine Entscheidung dem Gremium bekannt gegeben, das somit Zeit gehabt habe, die Neuigkeit zu verarbeiten. „Am Sonntag waren die Leute im Gottesdienst doch ein bisschen geschockt, der ein oder andere hatte Tränen in den Augen. Alle finden es schade, dass Pfarrer Neumann uns verlässt“, so Lehnert. Negative oder abfällige Äußerungen seien ihr persönlich nicht zu Ohren gekommen. „Es ist seine Lebensentscheidung“, betont die Sprecherin des Meerholzer Pfarrgemeinderats, „und das wird ihm nicht leicht gefallen sein. Wer ihn kennt, der weiß, er wird das nicht aus einer Laune heraus gemacht, sondern sehr gut abgewogen haben“. Eine mutige Entscheidung, die es voll und ganz zu respektieren gelte, ist sie überzeugt.

Betroffenheit über den Weggang von Pfarrer Manuel Neumann herrscht auch in der Kirchengemeinde Christkönig in Gründau. „ Es ist traurig gewesen, als der Personaldezernent des Bistums Fulda, Christof Steinert, am Sonntag die Entscheidung Neumanns bekanntgab. Manuel Neumann war als Pfarrer sehr beliebt, seine Predigten sehr gut. Entsprechend betroffen war die Kirchengemeinde auch von dieser plötzlichen Entwicklung“, beschreibt der Sprecher des Pfarrgemeinderats, Andreas Wüstenberg, die aktuelle Lage in der Gemeinde. Nur wenigen Gemeindemitgliedern sei hier die Entscheidung ihres Pfarrers vor dem vergangenen Sonntag bekannt gewesen. „Die Äußerungen, die ich nach dem Gottesdienst gehört habe, hatten alle eine ähnliche Botschaft: Sie wünschen Manuel Neumann für seinen Weg alles Gute. Auch die Offenheit, mit der er seine Entscheidung bekanntgab, wurde positiv aufgenommen“, sagt Wüstenberg. Eine offizielle Verabschiedung der Gemeinde von ihrem ehemaligen Pfarrer werde es, wie Neumann es in seinem Abschiedsbrief angekündigt hatte, nicht geben. „Wir respektieren seine Entscheidung“, betont Andreas Wüstenberg.

Das Bistum Fulda erklärte auf Anfrage, dass Dechant Markus Günther aus Gelnhausen die Administration der vakanten Pfarreien übernimmt. Die Pfarrer im Pastoralverbund werden die damit verbundenen Aufgaben miterfüllen und Gottesdienste leiten, erklärte der Pressesprecher des Bistums, Christof Ohnesorge. Er geht davon aus, dass bis zum Sommer 2015 eine dauerhafte Lösung für die Gemeinden gefunden ist. In den vergangenen zehn Jahren habe es einschließlich des aktuellen Falls fünf Fälle von Priestern gegeben, die wegen des Zölibats ihr Amt aufgegeben hätten. Das Bistum hat derzeit 277 Priester.


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