Prozessauftakt: Junge verliert Arm bei A66-Unfall

Gelnhausen
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Schrecklicher Unfall in den frühen Morgenstunden des 6. Juli 2013 auf der A66 in Höhe von Gelnhausen-Höchst: Der VW-Multivan einer fünfköpfigen Familie aus Rodenbach, die auf dem Weg zu einem dreiwöchigen Urlaub auf Sylt war, wurde gegen 4 Uhr von einem VW-Golf gerammt, kippte auf die Seite und rutschte zirka 150 über die Autobahn.

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gerichtVier Insassen des Kleinbusses kamen mit leichten Blessuren davon, für einen damals 13-jährigen Jungen endete der Unfall dramatisch: Der Schüler verlor seinen rechten Arm. Jetzt begann im Amtsgericht Gelnhausen der Prozess gegen den Fahrer des VW-Golf. Die Staatsanwaltschaft Hanau hat den 23-Jährigen aus Steinau wegen fahrlässiger Körperverletzung im Straßenverkehr angeklagt.

„Gut und tapfer“, beschreibt der Familienvater die Art und Weise, wie sein Sohn mit seinem Schicksal umgeht. Der inzwischen 14-Jährige besuchte schon relativ bald nach dem Unfall wieder die Schule und hat mittlerweile gelernt, mit links zu schreiben. Bislang nicht bekannt war, was sein damals 15-jähriger Bruder nach diesem schweren Unfall geleistet hat. Da der Multivan auf der Seite lag und nur über die Fahrerseite verlassen werden konnte, half er zunächst seiner Mutter aus dem Wagen und brachte dann auch seine erst einjährige Schwester in Sicherheit. Anschließend kletterte er wieder ins Fahrzeug und kümmerte sich um seinen schwer verletzten Bruder. „Einige Erwachsene hätten das nicht so hinkriegt“, beschrieb eine Zeugin den 15-Jährigen als „Held“ in diesem Unfallgeschehen.

Viele Fragen wirft unterdessen das Verhalten des Unfallverursachers auf. Der Zeitsoldat schilderte zu Prozessbeginn dem Gericht seine Version über das Geschehen in der Unfallnacht. Gegen 21.30 Uhr will er am 5. Juli 2013 nach Beendigung der Dienstwoche in seiner Kaserne nach Hause gekommen sein und sich gegen 23 Uhr schlafen gelegt haben. Geweckt habe ihn schließlich das Klingeln seines Telefons, sein Cousin habe ihn gebeten, ihn von der Diskothek „Agostea“ in Gründau-Lieblos abzuholen. Dorthin sei er dann auch gefahren, habe seinen Cousin samt einer Bekannten eingeladen und gemeinsam habe man sich nach einem Zwischenstopp bei einem Schnellrestaurant auf den Heimweg in Richtung Steinau gemacht. Auf der A66 sei er dann kurz nach der Ausfahrt Gelnhausen-Ost links auf den Grünstreifen gekommen, als das Heck seines VW-Golfs ausgebrochen sei, habe er gegengelenkt und dabei dann den Multivan getroffen. Zirka 150 bis 160 Stundenkilometer schnell sei er auf dieser kurvenreichen Strecke gewesen.

Diese Aussage widerspricht allerdings den Angaben einer 22-jährigen Jossgründerin, die ebenfalls im VW-Golf saß. Demnach ist der Angeklagte bereits am Abend vor dem Unfall mit seinem Cousin in ihrer damaligen Wohnung in Bad Orb gewesen und alle drei seien dann zusammen in die Diskothek gefahren. Dort habe man sich zwar zwischenzeitlich aus den Augen verloren, irgendwann nach Mitternacht hätten dann aber beide ihr mitgeteilt, dass sie jetzt nach Hause fahren und sie habe sich wieder ihnen angeschlossen. In ihrer Wohnung habe der Angeklagte keinen Alkohol getrunken, was er im Agostea gemacht hatte, wusste sie nicht. Zum Fahrverhalten des Angeklagten sagte sie nur: „Es war schon schnell.“

Ob der Steinauer unter Alkoholeinfluss stand oder gar Drogen konsumiert hatte, konnte auch die Polizei nicht klären. Nach dem zwei Atemalkoholtests an der Unfallstelle fehlgeschlagen waren, brach der 23-Jährige auf der Autobahn zusammen und wurde von einem Rettungswagen ins Krankenhaus in Schlüchtern gebracht. Dort ging es ihm anscheinend schnell besser, er rief seine Mutter an und ließ sich abholen. „Patient hat Blutentnahme und Behandlung verweigert“, notierte später eine Ärztin, die im weiteren Prozessverlauf noch gehört werden wird. Von seiner Mutter ließ sich der Angeklagte vor seinem Elternhaus absetzen und war anschließend 24 Stunden lang verschwunden.

Laut seinen Angaben habe er zu seiner Tante im über zehn Kilometer entfernten Steinauer Stadtteil Marjoß laufen wollen und dafür den ganzen Tag benötigt, weil er zwischenzeitlich Pausen im Wald eingelegt habe. „Ich brauchte Zeit zum nachdenken“, erklärte er dem Gericht. Als er bei seiner Tante eine Geburtstagsfeier bemerkte, habe er diese Anlaufstation gemieden und sich vor die Haustür eines Bekannten gesetzt. Der habe ihn gegen Mitternacht gefunden, am nächsten Morgen hat ihn von dort dann offenbar sein Vater abgeholt, der dann auch die Polizei informierte, die bereits nach dem 23-Jährigen suchte. Für eine Blutentnahme war es dann allerdings schon zu spät.

„Er war nicht ganz bei sich“, beschrieb eine Zeugin das Verhalten des Angeklagten, die ihn wenige Minuten nach dem Unfall zum ersten Mal sah. Auch sein Verhalten direkt nach dem Zusammenstoß wirft Fragen auf. „Er wusste nicht, was er machen sollte“, versucht seine Mitfahrerin zu erklären, warum der VW-Golf erst 500 Meter hinter der Unfallstelle zum stehen kam. „Ich habe gesagt, er muss anhalten“, beschrieb die Jossgründerin ihn zudem als „panisch“. Auch der Familienvater behielt den Steinauer unangenehm in Erinnerung. „Er hat mit seinem Vater telefoniert und diesem mitgeteilt, dass sein Auto kaputt sei“, hätte sich der 46-Jährige nicht nur seine Hilfe an der Unfallstelle gewünscht, sondern, auch dass sich der Angeklagte in den Tagen und Wochen nach dem Unfall bei seiner Familie meldet. Nur die  Mutter des Angeklagten hat sich offenbar einmal telefonisch nach dem Gesundheitszustand des Jungen erkundigt. Der Prozess wird am 7. Juli (9 Uhr, Amtsgericht Gelnhausen) fortgesetzt.


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