Junge stirbt in Notaufnahme: Ärzte und Klinik vor Gericht

Gelnhausen
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Die Eltern eines im September 2012 in der Main-Kinzig-Klinik in Gelnhausen verstorbenen Kindes fordern Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Euro. Nachdem die Güteverhandlung in dem Zivilprozess gegen die Klinik und zwei Ärzte am Landgericht Hanau am Mittwoch ohne Ergebnis blieb, sollen nun bei der Fortsetzung im Juni mehrere Zeugen vernommen werden.

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landgerichtDer siebenjährige Junge, der an einer bekannten Vorerkrankung litt, war am 1. September 2012 kurz vor 2 Uhr mit starken Bauschmerzen ins Krankenhaus in Gelnhausen eingeliefert worden und zirka drei Stunden später verstorben. Die betroffene Familie lebt in Österreich, hat aber zahlreiche Verwandte in der Region und war damals zu Besuch bei einer Tante in Schlüchtern. Die Staatsanwaltschaft Hanau hatte nach dem Tod des Jungen eine Obduktion angeordnet und Ermittlungen eingeleitet, nach der Vorlage eines gerichtsmedizinischen Gutachtens allerdings keinen strafrechtlichen Tatbestand festgestellt. Nun wollen die Eltern, die zur Verhandlung nach Hanau von einem Kamerateam des Österreichischen Rundfunks (ORF) begleitet wurden, laut eigenem Bekunden auf zivilrechtlichem Weg ein Schuldbekenntnis der Klinik und der beiden Ärzte erreichen. Die mit der Anklage gestellten finanziellen Forderungen seien eher zweitrangig.

Richterin Jeschke fasste zu Beginn die fünf Pflichtverletzungen zusammen, die den Beklagten vorgeworfen werden. Zum einen soll bei dem Siebenjährigen keine Blutuntersuchung vorgenommen worden sein, laut Richterin müsste zur Klärung dieses Vorwurfes allerdings in jedem Fall ein Sachverständiger hinzugezogen werden, der dann erläutern müsse, ob und wann eine derartige Maßnahme hätte durchgeführt werden müssen. Gleiches gelte für eine laut Anklage nicht durchgeführte Röntgenuntersuchung. Als dritte Pflichtverletzung wird einem Oberarzt vorgeworfen, bei seiner telefonischen Unterrichtung um kurz vor 4 Uhr in der Nacht diese beiden Diagnostikmaßnahmen nicht angeordnet zu haben. Dass die Station in der Main-Kinzig-Klinik in Gelnhausen in jener Nacht nicht mit einem Facharzt besetzt gewesen sei, wird als vierter Punkt angeführt. Bei der fünften Pflichtverletzung soll es sich um Organisationsmangel bei der Reanimation des Jungen handeln. Aufgrund fehlenden Equipments soll es zu Verzögerungen bei der Wiederbelebung gekommen sein.

Für die Schmerzen, die der siebenjährige Junge von der Erstaufnahme im Krankenhaus um 1.47 Uhr bis zum Beginn der Reanimation um 4.25 Uhr erlitten hat, fordern die Eltern ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro. Für die Mutter, die ihr Kind begleitet hatte, werden 25.000 Euro geltend gemacht, für den Vater 20.000 Euro und für die Schwester des toten Jungen 5.000 Euro. Zudem werden ein so genannter „Haushaltsführungsschaden“ sowie weitere materielle Schäden wie beispielsweise die Beerdigungskosten angeführt.

Richterin Jeschke erklärte allerdings in der Güteverhandlung bereits, dass das Schmerzensgeld für den Jungen deutlich zu hoch angesetzt sei und wenn überhaupt in einem nicht hohen vierstelligen Bereich liegen würde. Die für die Eltern und das weitere Kind geltend gemachten so genannten „Schockschäden“ müssten nachhaltige traumatische Schädigungen zugrunde liegen, die das normale Maß an Trauer deutlich übersteigen. Auch hier wurden die insgesamt geltend gemachten 50.000 Euro für Vater, Mutter und Schwester für zu hoch angesehen.

Für die Eltern machte Patientenanwalt Florian Friese aus München in der Güteverhandlung allerdings deutlich, dass er zum jetzigen Zeitpunkt keine Einigungsmöglichkeit sehe. Der Vertreter der Main-Kinzig-Kliniken GmbH und der beiden Ärzte, Rechtsanwalt Kurt Pitz aus Gelnhausen, erklärte, dass es im Vorfeld der Verhandlung zu einem telefonischen „Antastversuch“ gekommen sei, bei dem aber nicht über Zahlen geredet worden sei. Laut seiner Aussage werden zumindest die geltend gemachten materiellen Schäden nicht in Abrede gestellt.

Beim nächsten Verhandlungstermin werden somit neben der Mutter und dem diensthabenden Arzt unter anderem auch zwei Krankenschwestern und der Chefarzt als Zeugen gehört. Als vorläufiger Termin wurde der 3. Juni festgelegt. Anschließend sollen Sachverständige beauftragt werden, um die Behandlung des Jungen in der Klinik sowie die psychischen Folgen für die Familie nach dem Tod zu begutachten. Mit einer Entscheidung ist laut Gericht frühestens in zwei Jahren zu rechnen.


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