Kita-Streik: „Rückzahlung der Gebühren rechtswidrig“

Maintal
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Der aktuelle Arbeitskampf der Erzieherinnen und Erzieher in Hessen ist auch in Maintal ein großes Thema. Mit einem Beschluss vom 11. Mai haben die Maintaler Stadtverordneten den Magistrat jetzt aufgefordert, betroffenen Familien ab einer Streikzeit von fünf Tagen kulanzhalber die Gebühren für die nicht geleistete Betreuung zurück zu zahlen. Nach "gründlicher Prüfung" wird Maintals Bürgermeister Erhard Rohrbach diesem Beschluss jedoch widersprechen.



Neben formalen Gründen stehe vor allem die ohnehin schwierige Haushaltslage der Umsetzung des Beschlusses entgegen, so Rohrbach. Zudem sehe er sich sich bei einer Duldung des Beschlusses dem Vorwurf der Untreue ausgesetzt.

„Ich weiß, dass ich mit meiner Entscheidung sicherlich viele Familien enttäusche, die bereits fest mit einer Rückzahlung der Kita-Gebühren gerechnet haben. Doch bei allem Verständnis bleibt mir leider keine andere Wahl: Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung verletzt das Recht und gefährdet darüber hinaus das Wohl der Stadt Maintal. Gemäß den Bestimmungen der Hessischen Gemeindeordnung habe ich deshalb dem Beschluss fristgemäß widersprochen“, erklärt das Stadtoberhaupt. Die Gründe seien vielfältig, so Rohrbach weiter.

Zum einen sei der Stadtverordnetenversammlung ein formaler Fehler unterlaufen, welche den Beschluss ungültig werden ließe. „Die Stadtverordnetenversammlung kann nicht durch einen einfachen Sachbeschluss die bindende Wirkung einer Satzung – in diesem Fall der Satzung der Stadt Maintal für die Kinderbetreuungseinrichtungen – aufheben“, so Erhard Rohrbach. In Paragraph 8 eben dieser Rechtsgrundlage ist geregelt, dass bei vorübergehender Schließung der Kindertagesbetreuungseinrichtung infolge von Betriebsstörungen – hierunter fällt auch ein Arbeitskampf – die Sorgeberechtigten weder Anspruch auf Minderung noch Erstattung der Gebühr haben, sofern die Schließung nicht länger als einen Monat andauert. Auch der Hessische Städte- und Gemeindebund vertritt die Auffassung, dass aufgrund höherer Gewalt oder Betriebsstörungen, die nicht von der Kommune zu vertreten sind, die Zahlungspflicht der Sorgeberechtigten weiterhin besteht und von einem Erstattungsanspruch nicht ausgegangen werden kann.[1]

Da die Stadt Maintal als Arbeitgeberin den Streik nicht zu vertreten habe, sei der Arbeitskampf als Grundrecht von der Allgemeinheit mitzutragen, so Erhard Rohrbach weiter. Ein rechtlicher Erstattungsanspruch wegen streikbedingter Ausfalltage bestehe daher faktisch nicht. „Eine darüber hinaus gehende Kulanzregelung, wie sie die Stadtverordnetenversammlung beschlossen hat, ist insbesondere aus finanzwirtschaftlicher Sicht nicht mit den bestehenden rechtlichen Vorgaben vereinbar“, so Rohrbach weiter.

Wichtig ist es dabei auch für die Eltern zu wissen, dass ihre Kostenbeiträge nur rund 15 bis 20 Prozent der laufenden Betriebskosten decken. Die Kindertageseinrichtungen werden zum größten Teil aus öffentlichen Finanzmitteln der Kommune und des Landes finanziert. Für die städtischen Kindertagesstätten wendet die Stadt Maintal gemäß Haushaltsplan für das Jahr 2015 rund 12 Millionen Euro auf. Die dazugehörigen Erträge belaufen sich dagegen nur auf rund fünf Millionen Euro. „Davon wiederum entfallen rund zwei Millionen Euro auf die von den Sorgeberechtigten zu zahlenden Benutzungsgebühren. Beim Rest handelt es sich im Wesentlichen um Landeszuschüsse“, erläutert Erhard Rohrbach. Auch eine potenzielle Lohneinsparung während des Streiks sei hier kein Argument. „Die Streikenden erhalten während des Arbeitskampfes zwar kein Entgelt: Doch aufgrund der aktuellen Tarifverhandlungen ist es sehr wahrscheinlich, dass künftig deutlich erhöhte Personalaufwendungen fällig werden. Diese würden dann insgesamt betrachtet die ‚eingesparten‘ Beträge wieder relativieren“, erläutert das Stadtoberhaupt.

Die Haushaltswirtschaft einer Kommune sei gemäß Hessischer Gemeindeordnung sparsam und wirtschaftlich zu führen. „Insbesondere durch die Wirtschaftskrisenjahre 2009 und 2010 sind seit der Einführung der kommunalen Doppik im Jahre 2006 bis zum Jahr 2012 kumulierte Fehlbeträge in Höhe von rund 14 Millionen Euro entstanden“, berichtet Finanzdezernent Rohrbach und ergänzt: „Erst mit dem umfangreichen Konsolidierungsprogramm vom letzten Jahr konnten wir den städtischen Haushalt wieder auf den richtigen Weg bringen“. Einen Haushaltsausgleich erwartet Rohrbach erst ab frühestens 2016. Ab diesem Zeitpunkt entstehe sogar ein kleiner Überschuss, der jedoch nicht ausreiche, um die aufgelaufenen Fehlbeträge auszugleichen. „Deshalb weist auch die Kommunal- und Finanzaufsicht die Stadt Maintal immer wieder darauf hin, dass wir den beschlossenen Konsolidierungspfad strikt einhalten müssen“. Dazu gehöre auch, dass die Kommune sämtliche ihr zustehenden Einnahmen auch einziehe.

Bei einer freiwilligen Rückzahlung der Kita-Beiträge würde durch die zwangsläufig folgende Erhöhung des Zuschussbedarfes im Sonderbudget „Kinderbetreuung und Familienförderung" die Haushaltssituation der Stadt Maintal zusätzlich verschärft. „Das Defizit würde aufgrund einer fehlenden anderweitigen Kompensation weiter ansteigen - und dies, obwohl dafür weder eine rechtliche oder vertragliche Verpflichtung besteht“, erklärt Erhard Rohrbach. „Der Beschluss widerspricht daher sowohl der Hessischen Gemeindeordnung als auch den Auflagen des Landrates als Kommunal- und Finanzaufsicht“, so das Fazit des Bürgermeisters.

Erschwerend hinzu käme laut Rohrbach noch, dass er sich bei Duldung des Beschlusses als Bürgermeister dem Vorwurf der Untreue ausgesetzt sehe. Denn wie Karl-Christian Schelzke, geschäftsführender Direktor bei Hessischen Städte- und Gemeindebund, äußerte[2], sei bei einer freiwilligen Gebührenerstattung zu prüfen, ob sie mit der Haushaltssituation vereinbar sei. Ein Bürgermeister könne sich sonst dem Tatbestand der Untreue aussetzen.

Das weitere Procedere im Falle eines Widerspruchs legt die Hessische Gemeindeordnung fest: Der Widerspruch hat aufschiebende Wirkung - das heißt, der Beschluss wird zunächst nicht umgesetzt. Über die strittige Angelegenheit müssen die Maintaler Stadtverordneten in einer neuen Sitzung nochmals abstimmen. Verletzt auch der neue Beschluss das Recht, muss der Bürgermeister diesen erneut beanstanden. Die Streitfrage würde dann durch das zuständige Verwaltungsgericht entschieden.


[1]http://www.hsgb.de/soziales-gesundheit/grundsaetzlich-kein-anspruch-auf-rueckerstattung-von-elternbeitraegen-in-kindertageseinrichtungen-aufgrund-des-kita-streiks-1431072718

[2]http://www.fr-online.de/hanau-und-main-kinzig/maintal-gebuehrenerstattung-wegen-streiks,1472866,30685612.html


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