Kinder aus Angola in Schlüchtern operiert

Schlüchtern
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In diesem Jahr hatte das Team der Klinik für Chirurgie an den Schlüchterner Main-Kinzig-Kliniken besondere Patienten zu Gast, mit denen es das Schicksal bisher nicht gut meinte: Zwei afrikanische Jugendliche wurden aufgrund ihrer schwerwiegenden Knocheninfekte von Chefarzt Dr. Christoph Schreyer und seinem Team erfolgreich behandelt.

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Der 14-jährige Ivo und der 12-jährige Nevio (Namen von der Redaktion geändert) kamen aus Angola, einem Land extremer Gegensätze zwischen Arm und Reich, einem Land, in dem Gewalt und Schrecken, Krankheit und Tod tägliche Wegbegleiter der Kinder sind. Die beiden Jungen gehörten zu den knapp 100 Kindern, die von der Organisation „Friedensdorf International“ im letzten Herbst für eine Behandlung in Deutschland ausgewählt wurden. Zweimal im Jahr organisiert das Friedensdorf einen Flug von der angolanischen Hauptstadt Luanda nach Deutschland, um kleine Patienten, die dort in einer Sammelstelle untersucht und dem Krankheitsbild entsprechend ausgewählt werden, nach Deutschland zu bringen. Insgesamt holt die Organisation, die sich aus Spenden und Mitgliederbeiträgen finanziert, jährlich rund 1.000 kranke Kinder aus Armutsländern und Krisenregionen zur Behandlung nach Deutschland.

Ivo und Nevio wurden über etwa drei Monate hinweg im Schlüchterner Krankenhaus stationär versorgt. Bei beiden Jugendlichen bestanden Infektionen der Knochen, eine Erkrankung, die – generell gesehen – teilweise außerordentlich schwer zu behandeln ist. So mussten die betroffenen Knochen aufgemeißelt und anschließend die komplette Markhöhle aufgebohrt und großzügig ausgeräumt werden. Anschließend wurden spezielle Antibiotika-Ketten eingelegt und später wieder entfernt. Ivo war bereits vor einem Jahr aufgrund eines Knocheninfektes nach einem offenen Bruch stationär in Schlüchtern behandelt worden – wegen eines erneuten Infektes kam er jetzt noch einmal nach Deutschland. Sein Begleiter Nevio litt ebenfalls an einer Knocheninfektion am Unterschenkel, welche wahrscheinlich durch einen Infekt auf dem Blutweg dorthin gelangt war.

„Wir leben hier wie auf einer Insel“, stellte Dr. Schreyer fest: „Die Länder, in denen es ganz anders aussieht und in denen die medizinischen Möglichkeiten um Jahrzehnte nachhängen, sind nicht wirklich weit entfernt. Man braucht keine hundert Jahre zurück zu denken, da hatten wir hier in Deutschland die gleichen Probleme – das weiß jedoch keiner mehr.“ In den angolanischen Krankenhäusern können die hohen Anforderungen an die Behandlung schwerer Knochenkrankheiten zumeist nicht erfüllt werden. Seit vielen Jahren kommen daher jeden Herbst zwei oder manchmal auch drei Kinder mit gravierenden Knocheninfekten in das Krankenhaus Schlüchtern. Hier werden die Kinder nach allen Erkenntnissen der modernen Heilkunst therapiert – und das kostenfrei. Eine Angelegenheit, die bei knapp bemessenen finanziellen Mitteln der Kliniken nicht selbstverständlich ist. Die Initiative hat eine lange Tradition und geht auf den ehemaligen Chefarzt der chirurgischen Abteilung, Dr. Heino Rutner, zurück. „Für die Möglichkeit, diese kostenintensive Behandlung auch weiterhin ehrenamtlich durchführen zu können, bin ich der Klinikleitung sehr dankbar“, so Dr. Schreyer.

In einem fremden Land ohne Anwesenheit der Eltern eine schwerwiegende ärztliche Behandlung zu erfahren, stelle sowohl für die jungen Patienten als auch für das Personal immer wieder eine Herausforderung dar, erklärte Christa Gerlach, Leiterin der Station A2.1, auf der die Jugendlichen vor und nach den Operationen betreut werden. So unterschieden sich beispielsweise die Ernährungsgewohnheiten, sodass das Gastronomiepersonal häufig mit Thunfisch und Hühnchen aufwartete. „Da die Kinder längere Zeit zu Gast bei uns waren, entwickelten sich natürlich auch besondere Beziehungen, Angewohnheiten sowie ein eigener Lebensrhythmus“, so die Stationsleiterin: „Manchmal mussten die inzwischen übermütigen Jugendlichen zum Wohle der Mitpatienten auch etwas eingenordet werden.“

Auch die sprachlichen Barrieren und die weitere schulische Bildung der Jugendlichen sind generell auftretende und nicht zu unterschätzende Unwägbarkeiten. Die Schlüchterner Main-Kinzig-Kliniken hatten das große Glück, hier auf eine ehemalige Mitarbeiterin zurückgreifen zu können. Odete Vinhas Gutbier spricht perfekt portugiesisch und konnte sich mit den Kindern aus der ehemaligen portugiesischen Kolonie somit gut verständigen. Weiterhin kümmerte sie sich ehrenamtlich um die Bildung der Kinder und diente manchmal auch als „Ersatzmama“ im Falle auftretenden Heimwehs oder kleiner Alltagsprobleme. Laut Gutbier waren der erste Schnee und das Feuerwerk in der Silvesternacht für die Kinder ein ganz besonderer Höhepunkt ihres Deutschland-Aufenthalts.

Wie das Leben der Kinder nach dem Abschied aus Schlüchtern nun weitergehen wird, weiß niemand ganz genau. „Einige Kinder und Jugendliche halten Kontakt zum Friedensdorf, sodass uns manchmal Bilder und Geschichten erreichen. Vor knapp zwei Jahren sind wir alle ‚Eltern’ geworden: Ein von uns behandeltes Mädchen wurde stolze Mutter und hat Bilder von sich und ihrem Nachwuchs geschickt“, freut sich Dr. Schreyer. Der Chefarzt und alle anderen Mitarbeiter des Krankenhauses wünschen den Kindern eine gesunde Zukunft.

Wer die Initiative „Friedensdorf International“ und damit die jungen Opfer von Krisen und Kriegen unterstützen möchte, findet weitere Informationen im Internet unter www.friedensdorf.de/Spenden.

Foto: Dr. Christoph Schreyer (Chefarzt der Chirurgie an den Main-Kinzig-Kliniken) und die ehrenamtlich tätige Odete Gutbier am Krankenbett der angolanischen Patienten in Schlüchtern.


Ihnen ist etwas Interessantes aufgefallen im Main-Kinzig-Kreis? Schreiben Sie uns an info@vorsprung-online.de


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