Das Ding mit den Turnschuhen

Schlüchtern
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Von Beginn an ist der Kontakt zu Christine Westermann einfach herzerfrischend.

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westerkukwesterkuk1westerkuk2Die Journalistin, Moderatorin und Autorin, die nicht zuletzt durch die TV-Show „Zimmer frei“ große Popularität erlangt hat, gastiert mit einer Lesung im Kuki-Zelt Schlüchtern.

Seit fünf Jahren veranstaltet der Kuki-Verein in dem lauschigen Park hinter der Stadtkirche Sankt Michael  ein Sommer-Festival mit Programmkino und Kleinkunst. Und bereitet den berühmten Gästen gern einen ebenso persönlichen wie individuellen Empfang. Bei Christine Westermann und ihrem Ehemann, der gleichzeitig ihr Agent ist, gestaltet sich das ganz einfach. „Wir kommen rechtzeitig, und nach der Lesung will Frau Westermann ein kühles Pils.“ Punkt. Kein aufwändiges Catering, keine Sonderwünsche, einfach ein kühles Pils. Das ist bezeichnend für diese Frau, die sich in dem oft grellen Medienzirkus wohltuend abhebt aus der Masse der Möchtegern-Moderatoren, Stars und Sternchen. Und zwar durch Gelassenheit, Humor und Kompetenz. Das macht die 66-jährige Journalistin, die aus Erfurt stammt und in Köln lebt, offenbar unwiderstehlich. Die Menschen strömen herbei – sogar bei einem Thema, das auf den ersten Blick nicht besonders sexy wirkt: In Christine Westermanns jüngstem Buch geht es ums Alter. Ungefähr 200 Menschen sind gekommen, das Zelt ist voll, die zusätzlich herbeigeschleppten Bänke und Stühle auch. Der Augusttag gibt alles, und Frau Westermann trägt ein luftiges, korallenrotes Kleidchen und weiße Chucks.  „Geben Sie zu, Sie wollten doch nur mal gucken, ob die Westermann wirklich so dick ist wie im Fernsehen!“, scherzt sie gleich zur Begrüßung. Das Publikum ist entzückt. Sie habe schon zig Diäten ausprobiert und es aufgegeben.

„Erstens machen Kameras breit, und zweitens ist es einfach wunderschön, spätabends noch ein Käsebrot zu essen.“ Ach, sie ist so herrlich auf dem Boden geblieben, diese Frau, die Anfang der 1970er Jahre beim ZDF volontierte und dann eine beachtliche TV- und Hörfunk-Karriere hinlegte.  Warm, nah, klug, ehrlich – so kommt sie rüber, und das wird auch in ihrem Buch deutlich. Zwar klingt der Titel eher draufgängerisch: „Da geht noch was. Mit 65 in die Kurve.“ Aber schon nach wenigen Minuten wird deutlich, dass Christine Westermann auch den melancholischen Momenten viel Raum gegeben hat. Selbst wenn sie die ganz ernsten Stellen bei Lesungen gern ausspart, wie sie sagt. Das Buch sei entstanden, weil sie zum ersten Mal in ihrem Leben mit einem Geburtstag Probleme gehabt habe. Die Viel- und Gernfeierfrau sei auf ihren 65. zugesteuert und habe immense Schwierigkeiten bekommen. Und zwar mit der Beantwortung der Fragen: „Was will ich noch vom Leben?“ und „Was will das Leben noch von mir?“ Plötzlich war sie da, die Krise. Und das Ding mit den zitronengelben Turnschuhen, die zwar kühn gekauft, doch kaum getragen wurden. „Nicht dass die anderen denken – die Westermann macht jetzt auf jung“, sagt sie. Aber genau da sind wir am ersten von drei Punkten, die der Autorin an diesem Abend besonders am Herzen liegen. „Und die mein Leben sachte verändert haben.“ Erstens: Gedankenblasen verbannen. Will heißen: Aufhören, sich darüber Gedanken zu machen, was die anderen denken könnten. Über zitronengelbe Turnschuhe und überhaupt. Zweitens: Nicht mehr warten, sondern den Moment genießen. „Was zählt, ist das Hier und Heute.“ 

Und drittens:  Vorurteile abbauen. Menschen nicht sofort kategorisieren, sondern ihnen offen und unvoreingenommen begegnen. Das alles beschreibt und untermalt Christine Westermann mit so schönen persönlich erlebten Geschichten, dass es eine Lust ist, zuzuhören. Sie hat keinen Ratgeber geschrieben, nein. Das will sie so auch nicht verstanden wissen. „Ich habe das alles erlebt und persönlich erfahren. Es verändert mein Leben. Wie das bei Ihnen und dem Alter ist – tja, da müssen Sie durch.“  Das ist direkt. Und auf wundersame Weise auch ermunternd. Offen bleiben, bereit sein sehr viel zu geben, aber auch Geschenke annehmen können, die das Leben macht – darin übt sich Christine Westermann. Ein Geschenk, über das sie sich ganz offensichtlich freut, ist das Angebot des ZDF,  künftig Mitglied des Literarischen Quartetts zu sein. Quasi ein Ritterinnenschlag für diese Frau, die Literatur liebt und zu schreiben versteht. Das gönnt man ihr von Herzen. Und sie schenkt dem Publikum zum Abschied ein Zitat der betagten Schauspielerin Ida Ehre, das sie kurz vor ihrem Tod mit 89 geäußert haben soll: „Manchmal erschrecke ich, wie jung ich noch bin.“


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