Eines der dunkelsten Kapitel der DDR

Hanau
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„Weiß jemand, wer oder was die Stasi war?“ Betretenes Schweigen im Saale.



poppehola1Keiner der versammelten Schüler in der Mensa der Karl-Rehbein-Schule Hanau (KRS) scheint sich zu trauen, die ganzen menschenfeindlichen Gräueltaten des 1989 endgültig untergegangenen DDR-Regimes näher zu benennen. Als Fragestellering fungiert die Bürgerrechtlerin und Schriftstellerin Grit Poppe, die zusammen mit dem Liedermacher Detlef Jablonski zu einer Lesung als Zeitzeugen in die Mensa gekommen ist, um die Geschichtskurse der Jahrgangsstufen neun und E rund 25 Jahre nach dem Mauerfall über die totalitäre Staatsform der ehemaligen „Deutschen Demokratischen Republik“ zu unterrichten. Gemeinsam berichten  Poppe und Jablonski von einem Leben in der DDR, das beiden übel mitgespielt hat.

Grit Poppe wurde 1964 in Boltenhagen an der Ostsee (DDR) geboren. Das Abitur und ein Studium wurden ihr zunächst verboten, da ihr Vater Gerd Poppe (später Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90 / Die Grünen) in der Bürgerrechtsbewegung aktiv war und die Politik der SED kritisierte. Poppe blieb jedoch hartnäckig und studierte schließlich ab 1984 am Literaturinstitut in Leipzig. Sie selbst engagierte sich ebenfalls als Bürgerrechtlerin und war von1989 bis 1992 Landesgeschäftsführerin von "Demokratie Jetzt" in Brandenburg. Vor und nach dieser Zeit schrieb sie Bücher für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Jugendromane wie etwa „Schuld“ beschäftigen sich mit der politischen Situation und den Lebensumständen Jugendlicher in der DDR.

So sind die DDR und die Erfahrungen von Jugendlichen „drüben“ jenseits der Mauer Thema des Vormittags in der KRS-Mensa. Wenn Jablonski erzählt, was ihm als Kind und Jugendlicher in der DDR wiederfahren ist, dann läuft den jungen Zuhörern in der KRS-Mensa ein kalter Schauer über den Rücken. 1955 im Frauengefängnis in Jerichow geboren, wuchs er bei Pflegeeltern – oder, wie er sagt, einer „Schlägemutter“ – auf, wurde zweimal als Jugendlicher beim Versuch einer „Republikflucht“ erwischt und zu zehn Monaten Haft verurteilt.

Im Arbeitslager „Schwarze Pumpe“ wurde Jablonski mit „Kriminellen, Kinderschändern und Wahnsinnigen“ eingesperrt – und dabei wollte er doch einfach nur zu seiner im Westen lebenden leiblichen Mutter. Das Abitur wurde ihm verweigert, er wurde zur Volksarmee zwangsrekrutiert, als sogenannter „Staatsfeind“ observiert und schikaniert. 1987 schließlich wurde sein Ausreiseantrag in die BRD genehmigt. Seitdem schlägt er sich als Liedermacher in Berlin durch.

Was Jablonski als „einer von Tausend“ in der Realität erlebt hat, macht Poppe zum Thema ihres Jugendromans „Schuld“. Sie erzählt von der „Bonzentochter“ Jana, die sich in den republikkritischen Jungen Jakob verliebt. Der verteilt Flugblätter für Reisefreiheit, wird erwischt und landet im geschlossenen Jugendwerkhof Torgau, einer Strafanstalt, in der er mit Gewalt, Schikanen und Demütigungen gebrochen werden soll. Erst Jahre später, als Jana ihre Stasi-Akte liest, kommt heraus, wer Jakob verraten hat, wer „Schuld“ hat an dem Unrecht, das ihm widerfahren ist.

Poppe, die das Los von jugendlichen „Staatsfeinden“ in der DDR schon in ihren Jugendromanen „Weggesperrt“ und „Abgehauen“ zum Thema gemacht hatte, hat genau recherchiert und die unfassbaren Geschichten in einen spannenden Jugendroman verpackt. Wenn sie von „Zersetzungsmaßnahmen“ oder vom Vorwurf der „Beeinträchtigung staatlicher Tätigkeit“ berichtet, dann wird ein ganz dunkles Kapitel der Ex-DDR aufgeschlagen. Die jungen Zuhörer, die gemeinschaftlich mit ihren Geschichtslehrerinnen und –lehrern in die Mensa gekommen waren, können meist gar nicht glauben, dass das alles erst vor 25 Jahren mit dem Fall der Mauer und damit mit dem Zerfall der DDR ein Ende gefunden haben soll.

Foto: Die Jugendautorin Grit Poppe und der Liedermacher Detlef Jablonski machten in der Mensa der Karl-Rehbein-Schule Station, um als Zeitzeugen den KRS-Schüler die Gräueltaten des DDR-Regimes zu schildern. Foto: Privat


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