Warum werden wir Hanauer immer dümmer?

"Warum werden wir Hanauer immer dümmer? Diese Frage erscheint zunächst zwar etwas provokant und abwegig zu sein, aber leider stimmt die implizierte Behauptung wohl doch. Glücklicherweise werden nicht alle Hanauer dümmer, aber, wenn man der Pisa-Studie und den Verlautbarungen der deutschen Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger Glauben schenkt, sinkt das Bildungsniveau in Deutschland und damit selbstverständlich auch in Hanau oder im Main-Kinzig-Kreis beträchtlich.

Diese erschreckende Erkenntnis basiert auf der neuesten OECD PISA Studie, in der die Leistungstrends in Mathematik, Lesekompetenz und Naturwissenschaften bei den 15-jährigen Schülerinnen und Schülern weltweit untersucht werden. Seit dem Jahr 2000 nimmt auch die Bundesrepublik Deutschland daran teil. Während sich diese Kompetenzen bis Mitte des letzten Jahrzehnts in Deutschland verbessert hatten, befinden sie sich in den letzten Jahren geradezu im freien Fall. Es ist schon drastisch genug, dass im internationalen Vergleich das deutsche Bildungsniveau in dieser Altersklasse lediglich als durchschnittlich bezeichnet werden kann und wir von den internationalen Spitzenreitern extrem weit entfernt sind. Besonders schwierig ist die Situation bei den als leistungsschwach eingestuften Schülerinnen und Schülern, deren Kompetenz in Deutschland laut OECD Bericht unterdurchschnittlich sind. Das von den Verantwortlichen immer wieder herangezogene Argument, es liege an der Corana-Pandemie ist zu einfach. Die Pandemie und dem damit verbundenen Lock-Down haben den Abwärtstrend zwar beschleunigt, sie sind aber nicht primär für diesen ursächlich. Diese Ursache liegt tiefer und ist mit einem veränderten Werte- und Kulturwandel unserer Gesellschaft sowie Schwächen des Bildungssystems zu begründen. Im Bereich des Bildungsangebots steht Hanau recht gut da. In allen Schulformen wurde bisher viel investiert.

So erfolgte in meiner Amtszeit der Ausbau fast aller Schulen. Die Karl-Rehbein-Schule, die Otto-Hahn-Schule oder die Elisabeth Schmitz-Schule sind unter anderem Belege für diese Schulpolitik. Die nun stärkere Fokussierung auf Gesamtschulen ist leider nicht der richtige Weg, die Probleme zu beseitigen. Der Main-Kinzig-Kreis ist für diese These ein Beleg, da hier schon immer eine Fokussierung auf die Gesamtschulen stattgefunden hat. Der daraus resultierende Mangel an gymnasialen Plätzen konnte zwar durch die Schulvereinbarung, die zwischen der Stadt Hanau und dem Main-Kinzig-Kreis auf Initiative des Schuldezernenten Günter Frenz (CDU) und mir 2007 beschlossen wurde, gelöst werden, aber durch die neuerliche Ausrichtung auf Gesamtschulen verschärft sich das Problem wieder. Ein weiterer Baustein kann man in der Kulturpolitik von Kommunen erkennen. Wenn hier verstärkt auf Gefälligkeitskultur Wert gelegt wird, sinkt man leicht auf das Niveau von Teilen der Medien ab. Die dort teilweise angebotenen 'Kulturinhalte', wie die Geissens oder Promi Big Brother, sind Ursache und Beleg der neuen deutschen Bildungsmisere zugleich. Eine Reduzierung der Kulturförderung bedeutet deswegen gleichzeitig eine Schwächung des Bildungssystems. Insgesamt ist die Abkehr vom Leistungsprinzip und die Hinwendung zum Versorgungsstaat aber die primäre Ursache der deutschen Bildungsmisere.

Auch in Hanau und im Main-Kinzig-Kreis findet man Freunde, die die Mentalität 'letztlich leistet es der Staat oder die Stadt' bejubeln. Die vielleicht wohlgemeinte aber auf jeden Fall wahlwirksame Politik kostet nicht nur viel Geld, sondern ist mittel- und langfristig nicht nachhaltig, weil es die Passivität fördert und die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft senkt und damit auch Auswirkungen auf das Bildungswesen hat. Insofern sollten wir auf allen Ebenen dagegenwirken, dass nicht die Einwohner dümmer werden, sondern das unsere gesamte Bevölkerung leistungsstärker wird."

Dr. Ralf-Rainer Piesold
Hanau

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