"Seit einigen Tagen wird über ein Urteil des VGH Hessen berichtet, dass es tegut in Hessen verbietet seine vollautomatisierten Verkaufsstellen „Teo“ an Sonn- und Feiertagen zu betreiben. Hauptargument der Richter war hierbei war die Wahrung von Sonn- und Feiertagen als Ruhezeiten.

Die Begründung der Wahrung als Ruhezeit wirkt doch eher absurd, wenn man bedenkt, dass die 'Teos' keine Veranstaltung sind, die die Ruhe anderer in irgendeiner Weise stören. Von Störung der Anwohner durch Lärm abgesehen, aber diese sind standortabhängig und bei der Genehmigung der Aufstellung bereits separat zu prüfen. Wenn es um die Wahrung der Ruhezeit geht, wären an dieser Stelle nicht andere Dinge zu überprüfen? Wie sieht es mit der Gastronomie, den Geschäften mit Sonntagsarbeit an Bahnhöfen, Veranstaltungen wie Konzerten, Fußballspielen, Museen und sonstigen Angeboten aus? Freizeitangebote für die einen bedeuten in einer Vielzahl von Fällen bereits, dass andere Arbeitnehmer arbeiten müssen. Das statistische Bundesamt hat für 2022 festgestellt, dass 20,7% der Selbstständigen und 8,4% der Arbeitnehmer sonntags arbeiten. (Quelle: https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension-3/wochenendarbeitl.html) Somit kann in der Gesamtbetrachtung nicht davon geredet werden, dass es hier um den Schutz der Ruhezeit geht. Die Ausnahmen begrenzen sich mittlerweile längst nicht mehr auf die „notwendigen“ Ausnahmen wie Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr. Wenn es also um die Ruhezeiten im Allgemeinen geht, dann müssen wir eine Grundsatzdebatte führen und nicht über „Teos“.

Ein vielfach angeführtes Argument, dass es in der Vergangenheit auch ohne Einrichtungen wie 'Teos' funktioniert hat, ist jedenfalls kein rechtfertigendes Argument für ein Verbot der Öffnung an Sonn- und Feiertagen. Die Zeiten schreiten voran und machen auch vor dem Einzelhandel nicht halt. Wenn die Nachfrage mittlerweile auch an Sonn- und Feiertagen besteht und es eine Möglichkeit gibt diese, ohne Arbeit zu diesen Zeiten, zu gewährleisten, dann sollte der Gesetzgeber hier nicht eingreifen. Jedenfalls nicht, wenn andere nicht systemrelevante Veranstaltungen stattfinden dürfen. Inwiefern stört ein Konzert, die Gastronomie oder ein Fußballspiel die Ruhezeit denn weniger als ein vollautomatisierter „Teo“?

Abgesehen davon haben sich auch die Rahmenbedingungen der Gesellschaft verändert. Es gibt immer mehr Menschen, die nicht den klassischen „nine to five“ Job haben und somit von den 'Teos' profitieren. Noch absurder wird es dann, wenn die 'Teos' z.B. in Gelnhausen ein paar hundert Meter weiter am Bahnhof aufgestellt weiterbetrieben werden dürfen.

Zusätzlich scheinen die „Teos“ nur dann wirtschaftlich betrieben werden zu können, wenn diese nicht an die Ladenschlussgesetze gebunden sind. Somit würden einige kleine Ortschaften diese Einkaufsmöglichkeit wohl vollständig verlieren. Jedenfalls legt das die Kommunikation von tegut nahe. Insbesondere alte, gebrechliche oder Menschen ohne Auto werden somit darunter leiden müssen. Eine Vorstellung wie früher, dass sich Mitmenschen um diese Personen kümmern können ist sicher wünschenswert, aber die Realität zeigt, dass dem nicht (immer) so ist.

Das ebenfalls vertretene Argument, dass die Teos dem Lebensmitteleinzelhandel schaden und kleine Geschäfte somit darunter leiden lässt sich für mich auch nicht nachvollziehen: Im Jahr 2022 betrug der Marktanteil der großen Lebensmitteinzelhändler (Rewe Gruppe, Edeka Gruppe, Aldi Gruppe und Schwarz Gruppe) beherrschende 76%. (Quelle: https://lebensmittelpraxis.de/top-30-unternehmen-im-leh.html) In Anbetracht des eingeschränkten Sortiments und der im branchenvergleich hohen Preise, wird in „Teos“ kaum jemand seinen Großeinkauf erledigen. Viel mehr werden hier einzelne Waren des täglichen Bedarfs nachgekauft.

Als weiteres Argument werden die angeblich durch „Teos“ gefährdeten Arbeitsplätze genannt. Hierbei wird jedoch vergessen, dass auch im konventionellen Supermärkten immer mehr SB-Kassen Einzug halten. Auch wenn diese aktuell noch eher zurückhaltend genutzt werden, so werden auf lange Sicht viele dieser Arbeitsplätze auch ohne 'Teos' wegfallen. Sollte man sich nicht eher Gedanken darum machen, wie man diesen Strukturwandel sozialverträglich gestalten kann, anstatt zu versuchen diese Arbeitsplätze künstlich am Leben zu erhalten? Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich Automatisierung immer durchsetzt, wenn diese wirtschaftlich ist und vom Kunden angenommen wird. Außerdem kann jeder für sich selbst entscheiden, ob man das Angebot nutzt oder bevorzugt in konventionelle Supermärkten einkauft.

Zu guter Letzt wird tegut dafür kritisiert, dass diese mit den „Teos“ ausschließlich ihren Gewinn steigern wollen. Natürlich ist tegut darauf aus! Das ist das Prinzip unseres Wirtschaftssystems. Warum sollte das auch gesetzlich beschränkt werden, wenn niemand darunter leidet? Tegut war an dieser Stelle innovativ und mutig, somit sehe ich hier keinen Grund, weshalb tegut nicht auch davon profitieren sollte? Es gibt hierbei doch nur Gewinner: Tegut ist erfolgreich und jeder kann etwas kaufen, in dem Moment, indem er es benötigt. Wobei es doch vermutlich auch Verlierer gibt: Die Unternehmen, die keine Innovation bringen und Mut zeigen. Dies sollte doch meiner Ansicht nach so sein: Innovative Unternehmen, die einen Mehrwert bieten profitieren. Das ist der Grundgedanke hinter jedem wirtschaftlichem Wettbewerb.

Zum Schluss dieses Leserbriefs möchte ich dazu sagen, dass ich darauf hoffe, dass die hessische Regierungen hier die Gesetzeslage so anpasst, dass 'Teos' (oder natürlich vergleichbare Angebote) in Zukunft wieder an Sonn- und Feiertagen betrieben werden dürfen. Die Vorbehalte einzelner sollten hier nicht dafür sorgen, dass alle anderen darunter leiden müssen. Ein passender Spruch hierzu ist: 'Die Freiheit des einen hört dort auf, wo die Freiheit des anderen anfängt'. Da hier niemand zu Sonntagsarbeit veranlasst oder zum Einkauf im 'Teo' gezwungen wird, sind 'Teos' ein Teil der unternehmerischen Freiheit von tegut und der persönlichen Freiheit jeder Person, die dieses Angebot nutzen möchte."

Julian Aponte
Gelnhausen

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