„Der tut nichts. Der will nur schreiben“

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Schriftsteller Uwe Ittensohn ist ein gründlicher Mensch. Eine Akribie, die den Gästen der Lesung und Weinverkostung am zurückliegenden Freitag zugutekommt: Zum einen natürlich aufgrund der sorgfältig recherchierten Details in seinem Buch.



Zum anderen jedoch auch bei der Vorbereitung der Veranstaltung. Schon vor 18 Uhr schleppt der „bekennende Pfälzer“, Autor, Lehrbeauftragte und Trainer für kreatives Schreiben kistenweise Wein und Sekt ins Foyer der Bad Orber Konzerthalle. Und versteckt den Briquet-Säbel – freilich eine Replik und kein kostbares Originalstück - hinter einem Aufzieher, der sein neuestes Buch „Winzerblut“ bewirbt. Um dieses Buch wird es in weiten Teilen des Abends gehen – und auch der Säbel wird eine bedeutende Rolle spielen. Denn die Veranstaltung beginnt mit einer „Sabrage“, dem Köpfen einer Sektflasche mit dem Säbel.

Auserwählt für das Ritual war ursprünglich Kurdirektor Steffen Kempa, der jedoch kurzfristig absagen musste. Deshalb fällt spontan die Entscheidung: Ein Gast aus dem Publikum wird es sein, der als Sabreur herhalten muss und damit den Kopf der Sektflasche mit Wulst und Korken abschlägt. Die Ehre wird schließlich Werner Fromm zuteil, der nach einer kurzen Plauderei am Eingang von Autor Uwe Ittensohn und Moderatorin Andrea Euler ob seiner Weinbegeisterung als geeignet herausgedeutet wird. Und den Schlag tatsächlich auch beim ersten Versuch perfekt ausführt: Der Kopf der Flasche fliegt meterweit in den Gang hinein, einzelne Tropfen landen noch an der Tür zum Erdgeschoss. Das Sabrage-Ritual mit dem Briquet-Säbel geht übrigens auf Napoleon zurück, der nach einer gewonnenen Schlacht während des Russlandfeldzuges das Ritual begründet und den Ausspruch getätigt haben soll: „Champagner! Als Sieger hast Du ihn verdient, als Verlierer brauchst du ihn.“

Eine „Sabrage“ gibt es auch gleich eingangs im Krimi „Winzerblut“, bei der der erste Tote zu betrauern ist. „Jetzt wissen Sie auch, warum wir das bei der Lesung mit der Sabrage vorher gemacht haben. Wenn ich die Episode vorgelesen habe, finden sich immer nur wenige, die dazu bereit sind“, schmunzelt der Schriftsteller, der im Plauderton die einzelnen Textstellen seiner Lesung verbindet und ausführlich auf die Fragen der Moderatorin und des Publikums eingeht. Auch dabei ist die Gründlichkeit spürbar, mit der sich Ittensohn seinen Themen widmet: Er erklärt in wenigen Sätzen den „Green Deal“, mit dessen Hilfe der europäische Kontinent nachhaltiger gestaltet werden, um so dem Klimawandel zu begegnen. Und was genau das mit dem Thema Wein zu tun hat: Im Weinbau soll das unter anderem durch die Reduzierung des Einsatzes von Dünge- und Pflanzen Schutzmitteln gelingen.

Sogenannte „Piwis, pilzwiderstandsfähige Rebsorten, eignen sich laut Ittensohn, der auch Kultur- und Weinbotschafter für seine Heimat, die Pfalz, ist, ganz besonders, um diese Herausforderung zu bewältigen. Das haben auch die Verantwortlichen des Weingutes Galler in Kirchheim an der Weinstraße erkannt, die die Philosophie verfolgen, nachhaltigen Bioweinbau mit traditionellem Kellerhandwerk zu verbinden. „Sie sind zudem die ersten, die Wein in Bierflaschen abfüllen. Das ist nachhaltig, weil die Flaschen so wiederverwendet werden können.“ Für den Fachmann ist klar: „Die werden zu einem sehr angesagten Weingut.“ Erwähnung findet der Betrieb auch in seinem Bildband „Weinbar. Essbar. Wanderbar“, der die „junge Pfälzer Vinothekenkultur entlang der Weinstraße“ aufzeigt.

Von der Qualität dürfen sich die Gäste überzeugen: Einen Sauvignac-Sekt gibt es zur Begrüßung, in der Folge zwei Weine: Einen „Muscaris“ und einen roten „Satin-Noir“, allesamt liebevoll von Nina Schwarzmann von der Wunderbar Eventgastronomie eingeschenkt. Und natürlich stets mit der detaillierten Beschreibung der exklusiven Tropfen versehen. „Ich suche etwa 50 Weinbaubetriebe im Jahr auf, da hatte ich schon Angst um meine Leber“, erzählt der Weinkenner mit einem Lächeln. Doch die jüngste Untersuchung habe gezeigt: „Alles in Ordnung.“ Es darf also noch ein Schluck Wein mehr sein. Fahren muss Ittensohn an diesem Abend schließlich nicht mehr, hat er doch eine Übernachtung im Hotel gebucht.

Doch zuvor werden noch bis kurz vor 23 Uhr Gespräche geführt, Fragen beantwortet, Bücher am Büchertisch der Wächtersbacher Altstadt-Buchhandlung Dichtung & Wahrheit mit dem geschätzten Kaweko Sport Füller signiert. Ein Selfie mit der Autorenkollegin Barbara Ludwig? Details zu Rebzüchtungen? Tipps zum Schreiben eines eigenen Buches? Kein Problem. Warum „vegan“ auf den Flaschen steht? „Die Vergärung von Trauben ist immer vegan, sollte man denken. Aber es sind Hilfsmittel erlaubt, etwa Hühnereiweiß, Milchprodukte oder Gelatine. „Ich war gerade mit meiner Frau im Rioja. Dort klären sie den Wein bis heute mit Eiweiß, die benutzen dort mehr so die traditionellen Methoden.“ In die Weine am Lesungsabend verkosteten Weine kam zum Klären allerdings Erbsenprotein – die Zeiten, in denen in Deutschland Rinderblut zur Klärung benutzt wurde, sind seit dem Auftreten von BSE vorbei.

Dass Uwe Ittensohn die Lesung im Rahmen der Veranstaltungsreihe: „Krimi, Comedy & Mehr“ verwirklichte – ein Glücksfall für die Bad Orb Kur GmbH und Veranstaltungsleiter Christian Edel: „Aktuell häufen sich bei mir die Anfragen, ich musste jüngst wieder zwei Lesungen in München absagen“, erzählt der Autor. „Aber Bad Orb kannten wir beide noch nicht“, und so begleitete ihn auch Ehefrau Christiane, die längst nicht mehr bei jeder Veranstaltung mit vor Ort ist. Und die mit ihrem recherchierenden Ehemann schon so manche Peinlichkeit ertragen musste: Etwa beim Segelkurs, wenn der Ehemann mal so eben fragt: „Wie kann man denn hier jemanden loswerden?“ Sie erklärt dann schnell: „Der tut nichts. Der will nur schreiben…“

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