SEK-Einsatz in Mernes: 10 Monate auf Bewährung

Mernes
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Er stand als Ananas- und Maisdieb vor Gericht, ist als Waffennarr verschrien und gilt als Außenseiter im 800-Seelendorf Mernes, einem Stadtteil von Bad Soden-Salmünster: Seit Jahren steht ein 55-jähriger Mann dort im Dauerzwist mit Nachbarn und Anwohnern und musste sich schon mehrfach vor Gericht verantworten. Dort ging man bislang gnädig mit ihm um und auch diesmal schien alles vergleichsweise gut zu laufen: Den Besitz von einer Schusswaffe und von Munition räumte seine Verteidigerin Sonja Senzel ein, angesichts des dafür zu erwarteten Strafmaßes stellte das Gericht den Vorwurf der Sachbeschädigung ein, obwohl es dabei immerhin um zwei Schüsse auf einen Pkw seiner Nachbarin ging.



Alles war vorbereitet für die Urteilsverkündung, doch dann holte der Angeklagte vor seinem Schlusswort noch einmal ganz tief Luft: „Ich fühle mich nicht schuldig“, sagte er am 13. September, alles, was bislang mehr oder weniger wohlwollend für ihn ausgehandelt war, war damit hinfällig.

Der Prozess musste somit am gestrigen Dienstag fortgesetzt werden - und da ging es genauso kurios weiter. Zwei Schüsse waren im August 2015 in der Motorhaube des VW-Lupo einer 57-jährigen Hausfrau eingeschlagen, die den Wagen genau gegenüber vom Wohnhaus des Angeklagten am Straßenrand geparkt hatte. Dass der 55-Jährige der Täter sein müsse, war für viele Merneser gleich klar, die Polizei wollte es am 11. August genau wissen. Doch als die ersten Streifenwagen bei ihm vorfuhren, verweigerte er zunächst jede Kooperation, wenig später hatte ein Sondereinsatzkommando seinen Bauernhof umzingelt. Festgenommen wurde er schließlich in Badelatschen und Boxershorts, „die Polizei hätte mich nur anrufen brauchen, dann wäre er einfach rausgekommen“, sagt seine Verteidigerin Senzel heute.

Das Spektakel war groß in Mernes, das vermutete Waffenarsenal wurde allerdings nicht gefunden. Dafür aber unter anderem 100.000 Bargeld, die der Angeklagte in den Wochen zuvor nachweislich von seinem Konto abgehoben hatte. Bei der zweitätigen Untersuchung des Bauernhofes gab es dann aber doch noch ein Erfolgserlebnis für die Ermittler: Ein aufgebohrter Schreckschussrevolver und dazu passende Munition wurden entdeckt, damit soll auf den VW-Lupo geschossen worden sein. Nach seiner Festnahme hatte der 55-Jährige gegenüber der Polizei erklärt, dass er die Waffe tatsächlich benutzt habe, allerdings nur um Krähen zu vertreiben. Und der Lupo hätte nach diesen Schilderungen eigentlich gar nicht getroffen werden können, weil er in eine ganz andere Richtung geschossen haben will. Den Revolver soll ihm die Verwandtschaft untergeschoben haben. Dass die nicht gut auf ihn zu sprechen ist, wurde durch die Aussage seines 54-jährigen Cousins aus Schlüchtern deutlich: „Ich habe Angst, dann werden uns vielleicht die Autos angesteckt“, machte er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.

Die für die Verteidigung spannende Frage in dem Prozess: Hat der Lupo überhaupt am Straßenrand gestanden und wie kam er trotz der erheblichen Beschädigungen wieder weg? Deshalb wurde die Verhandlung zunächst unterbrochen, weil ein KFZ-Sachverständiger persönlich zu seinem Gutachten gehört werden sollte, später wurde noch fast eine Stunde auf den KFZ-Meister gewartet, der den Wagen zwischenzeitlich still gelegt hatte. Das Ergebnis: Obwohl ein Kugel den Sicherungskasten getroffen hatte, war der Lupo wohl noch fahrbereit. Zumindest für die kurze Fahrt von der Straße zurück auf den Hof, so wie es die Fahrzeughalterin ausgesagt hatte, hat es wohl gereicht. Weil der Lupo dort frontal an einer Hauswand stand, waren die Einschusslöcher in der Motorhaube erst einige Tage später entdeckt worden.

„Sie haben vorsätzlich auf das Fahrzeug geschossen“, so die Überzeugung von Strafrichter Dr. Wolfgang Ott, der den Merneser zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilte, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Damit blieb das Gericht noch fünf Monate unter dem von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafmaß. Außerdem muss der 55-Jährige jeweils 5.000 Euro an die Staatskasse und an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Und er muss wie jeder andere verurteilte Straftäter das Gericht über jeden Wohnsitzwechsel informieren, was der Merneser kopfschüttelnd zur Kenntnis nahm: „Ich bin da geboren und da bleibe ich.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, gut möglich, dass der 55-Jährige wie auch im „Ananas-Verfahren“ in Berufung geht. Dann wird das Verfahren im Landgericht Hanau erneut aufgerollt.


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