Bürgerinitiativen kritisieren Verhalten der Bahn im Dialogverfahren

Brachttal
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Vergangene Woche tagte die Arbeitsgruppe „Vorbereitung des Raumordnungsverfahrens“ der DB Netze AG zum Projekt der Aus-/Neubaustrecke Hanau–Würzburg/Fulda bereits zum 13. Mal.

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Doch wie so oft fuhren die Vertreter der Bürgerinitiativen Bahnausbau Wächtersbach (BI-W) und Pro BrachtTal nach der Sitzung enttäuscht nach Hause. Erneut wurde nicht auf die von vielen Bürgerinnen und Bürgern, weiteren Bürgerinitiativen sowie dem Kreistag des Main-Kinzig Kreises geforderte Einbeziehung derAusbauvariante der Bestandsstrecke (Variante VIII) ins Prüfverfahren eingegangen. Auch das lange erwartete Schallgutachten, das die Lärmbelastung der betroffenen Bürger an Neu- und Ausbaustrecke darstellen soll, fand nur in Ansätzen und äußerst grob Anwendung auf die sieben (mit Kombinationsvarianten dreizehn) von der Bahn in der Auswahl befindlichen Streckenvarianten. Alexandra Schüller, Sprecherin der BI-W: „Die Öffentlichkeit wird sicher besser informiert als bei früheren Planungen der Bahn. Doch eine echte Transparenz kann ich den Darstellungen der Bahn nicht entnehmen. Bei den Frontalveranstaltungen kann man zwar Fragen stellen und über Details diskutieren. Wenn es aber darum geht, genauere Informationen zu erhalten, heißt es fast immer: „wissen wir noch nicht“, „steht noch nicht fest“, „muss noch geprüft werden“ oder „das ist nicht Thema des Raumordnungsverfahrens“. Dabei wäre es nach Schüllers Meinung genau jetzt möglich, die beste Trasse gemeinsam mit den Betroffenen zu erarbeiten. „Wenn erst einmal die Antragsvariante der Bahn auf dem Tisch liegt, geht es ins formelle Verfahren, dann bleiben nur noch Einsprüche und die Beschreitung des Rechtsweges. Dafür hat die Bahn ja bereits 3 Jahre in ihre Planungen eingerechnet.“

Das Schallgutachten und damit die exakte Berechnung des Schienenverkehrslärms ist ein zentrales Element des „Schutzgutes Mensch“, eines von sieben so genannten Schutzgütern, das zur Bewertung der in Prüfung befindlichen Varianten herangezogen wird. Auf Basis der veralteten Zugzahlenprognose für 2025, mit Daten des Bundesverkehrsministeriums, die man bis 2010 erhob, erstellte die Bahn nun eine vorläufige Prognose der Lärmbelastung. Sobald die seit einem Jahr überfälligen Zahlen der Prognose für 2030 vorliegen, sollen die Werte noch einmal neu berechnet werden. „Das hätte man sich in dieser groben Form zunächst also sparen können“, so Volker Lemcke, Vorsitzender der BI Pro BrachtTal, „denn wer weiß, ob nach der neuen Prognose für 2030 die neue Trasse überhaupt noch wirtschaftlich zu betreiben und deshalb nötig ist“.

Wie erwartet, so erläutern die BI-Vertreter, schneiden einige Varianten in dieser Prognose deutlich besser ab als andere.  „Man könnte meinen“, so Schüller, „dass damit wegen der Lärmbelastung für die Menschen bestimmte Varianten aus dem Rennen sind. Da das Schutzgut Mensch für die Entscheidung der finalen Strecke aber wesentlich geringer gewichtet wird als beispielsweise die Wirtschaftlichkeit, bringt die gezeigte und vor allem vorläufige Berechnung keinerlei Aufschlüsse.“

Die Bahn betont in letzter Zeit immer wieder, es handele sich zurzeit noch um Trassen-Korridore. D.h., der tatsächliche Verlauf der Gleise kann noch um bis zu 500m nach rechts oder links abweichen. Dementsprechend, da sind sich die BI-Vertreter einig, müsste die Schallbetrachtung pro Abschnitt für mehrere Szenarien angewendet werden, um für die Trassenbewertung aussagekräftig zu sein. Ein weiterer Grund, das „transparente Verfahren“ anzuzweifeln.

Im Rahmen der Arbeitsgruppensitzung erklärte die Bahn, es werde im Suchraum insgesamt leiser, egal welche Variante gewählt werde. Dies ist natürlich auch auf die gesetzliche Verpflichtung zu „leisen Bremsen“ zurückzuführen, die spätestens ab 2030 von allen Güterzügen verwendet werden müssen. Nicht erwähnt wird jedoch, dass eine Neubaustrecke abseits bestehender Verkehrswege, wie bspw. durch Vogelsberg oder Spessart überhaupt erst Bahnlärm in diese Regionen bringt. Zumal durch „Verkehrslenkung“ vor allem nächtlicher Güterverkehr auf die Neubaustrecke verlagert werden soll.

Dabei fließen die enorm großenBaustellen, die die unberührten Gebiete über Jahre zerpflügen und mit zigtausenden von LKWs versorgt werden müssen, nur „untergeordnet“ (Zitat DB Netz AG) in die Variantenbewertung ein. „Wer zahlt am Ende für Gesundheitsschäden durch 24 Stunden Baustellenlärm, für kaputte Gemeindestraßen und für den Naturverlust, wenn schützenswerte Tiere umgesiedelt wurden? - Zurück bleibt der Mensch.“ schloss ein Teilnehmer die BI-Runde, die vergangene Woche tagte.

Beide Bürgerinitiativen begrüßen ausdrücklich die vom Kreistag beschlossene Einbringung von Finanzmitteln für Gutachten und Rechtsmittel in den Kreishaushalt 2018, um die Handlungsfähigkeit des Kreises zu gewährleisten. „Man kann sich auf Grund der Erfahrungen aus diesem Dialogforum und weiteren aktuellen Bahnprojekten nicht allein auf die Gutachten der DB-Planungsbüros verlassen“, so der Brachttaler BI-Chef Lemcke.

Pro BrachtTal und Bahnausbau Wächtersbach unterstützen auch die im Presseartikel vom Montag durch die BI Pro Wächtersbach getroffene Aussage zum vollumfänglichen Schallschutz an der Bestandsstrecke, ist diese doch eine wesentliche Forderung der „Wächtersbacher Erklärung“ aus dem Sommer 2017. Eine Allianz fast aller Bürgerinitiativen und Bürgermeister des MKK forderte seinerzeit neben modernstem Schallschutz an der Neubau-, wie an der Bestandsstrecke, ein echtes transparentes Verfahren zur Untersuchung aller möglichen Trassenvarianten. Dazu gehört für die Unterzeichner der Erklärung auch die durchgehende Untersuchung der Ausbauvariante VIII, die laut Meinung der BIs nach wie vor nicht stattfindet.

„Gerade deshalb bin ich persönlich froh, dass die Politiker ihre Verantwortung wahrnehmen und sich dafür rüsten, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Kreis zu vertreten“, so BI-Sprecherin Schüller. Gemeinsam mit ihren Mitstreitern, hatte sie im Sommer binnen 2 Wochen knapp 1000 Unterschriften allein im Raum Wächtersbach gesammelt, und sie zusammen mit weiteren 3100 Unterschriften, größtenteils aus dem Brachttal, an den Staatssekretär im Verkehrsministerium, Rainer Bomba, überreicht. Bomba stellte beim Termin mit den beteiligten Bürgerinitiativen aus dem MKK und dem Landkreis Fulda klar, dass die Bedürfnisse der Bürger im Vordergrund stehen müssen. Dieses gilt es aus Sicht der Bürgerinitiativen zu wahren.

Informationen zur Thematik:

Mit der Aus-/Neubaustrecke Hanau–Würzburg/Fulda soll ein Kapazitätsengpass auf der größ­tenteils zweigleisigen Bestandsstrecke, der so genannten Kinzigtalbahn, zwischen Hanau und Fulda anhand zweier neuer Gleise beseitigt werden. Ziel ist auch, erhöhten Kapazitäten zu schaffen und eine Trassen­führung zu finden, die eine Verkürzung der Reisezeit zwischen Frank­furt und Fulda um rund sechs Minu­ten ermöglicht (www.hanau-wuerzburg-fulda.de). Zudem wird die neue Schnellfahrstrecke Teil des trans­europäischen Hochgeschwindigkeitsverkehrsnet­zes

Informationen zu Pro BrachtTal:

Die Bürgerinitiative Pro BrachtTal e.V. wurde im März 2017 gegründet, um den Brachttaler Bürgerinnen und Bürgern eine Informations- und Mitsprachemöglichkeit beim Aus-/Neubauprojekt der DB Netz AG zu schaffen. Pro BrachtTal spricht sich gegen die Trassenvarianten V bis VII und für eine Bündelung der Verkehrs­wege im Kinzigtal möglichst nahe der Bestandsstrecke bzw. der A66 mit allen Vorteilen der dortigen Infrastruktur aus. Eine Zerschneidung von verkehrsarmen Regionen durch neue Bahnbrücken sowie lange Tunnelbauwerke mit der entsprechenden Menge an Abraum lehnen wir ab.

Weitere Informationen auf www.probrachttal.de


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