Toter auf Schulgelände in Gelnhausen: "Nur" unterlassene Hilfeleistung

Gelnhausen
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Der Tod eines 27-jährigen Mannes auf dem Gelände der Kreisrealschule Gelnhausen im April 2016 wurde im Landgericht Hanau nicht als versuchter Totschlag durch Unterlassen gewertet. Das Opfer hatte kurz nach Mitternacht an einem Joint von fünf jungen Männern gezogen, der mit der synthetischen Droge „Spice“ angereichert war. Anschließend kollabierte das Opfer und verstarb noch in der Nacht.



Verurteilt wurden alle fünf Angeklagten wegen unterlassener Hilfeleistung, für den Haupttäter, der die Geldbörse des 27-Jährigen gestohlen hatte, wurde eine bereits verhängte Jugendstrafe ohne Bewährung (22 Monate) auf zwei Jahre und neun Monate erhöht. Er bleibt somit als Einziger im Gefängnis. Oberstaatsanwalt Dominik Mies hatte für ihn ein um zwei Jahre höheres Strafmaß gefordert.

Die Angeklagten trafen gegen Mitternacht auf den als „Hugo“ in Gelnhausen bekannten Mann, der laut Auffassung des Gerichts zur Trinkerszene am Bahnhof der Barbarossastadt gehörte und sich auch am 26. April zwischen 16 Uhr und 20 Uhr dort aufhielt. Stark alkoholisiert traf er demnach im Verlauf der Nacht auf die Angeklagten und soll sie gefragt haben, ob er auch einmal an ihrem Joint ziehen könnte. Dies hätten die zwei Brüder unter den Angeklagten zunächst verneint, „Hugo“ darauf mit „Kindergarten“ reagiert und den Joint eigenmächtig übernommen. Anschließend habe er zwei Züge genommen, sei auf die Knie gestürzt und nach einem „Ups“ nach vorne übergekippt. Die beiden Brüder, 19 und 20 Jahre alt, brachten ihn danach in eine Art stabile Seitenlage, der Ältere schnappte sich seinen Geldbeutel inklusive aller Papiere. Der soll später in der Kinzig gelandet sein, den Personalausweis des Opfers haben sie laut Ermittlungen im Gelnhäuser Stadtgarten verbrannt.

Einer der Streitpunkte in dem Verfahren: Hätten die Angeklagten wissen können, wie gefährlich Spice ist? Stunden vorher hatte einer der Brüder mit einem Mitangeklagten seinem Onkel einen Joint „verpasst“, auch er kollabierte danach. Beide sollen zuvor aber bereits die Wohnung verlassen und davon nichts mitbekommen haben. Außerdem war „Spice“ vor zwei Jahren nicht verboten, laut Richterin Susanne Wetzel hätte die Wissenschaft erst 2017 darüber Erkenntnisse gewonnen. „Die Angeklagten waren ahnungslos hinsichtlich der Gefährdung wie wir alle“, hieß es in der Urteilsbegründung.

Ein Vorwurf sei ihnen daher nur hinsichtlich des zweiten Teils des Geschehens zu machen: Es wäre ein leichtes gewesen, den Notruf zu wählen, alle fünf hatten ihre Handys dabei. Fraglich ist nach Auffassung des Gerichts aber, ob der 27-Jährige auch bei schneller Hilfe überlebt hätte, denn wie sich erst bei der Obduktion herausstellte, litt er unter einem angeborenen Herzfehler, von dem er nichts wusste und der ihn im normalen Leben auch nicht beeinträchtigte, unter starker Belastung aber eben doch lebensbedrohlich gewesen sei. Gegen Ende des Prozesses tauchte noch eine kurze Videosequenz auf, darauf zu sehen das Opfer und die Stimme des Hauptangeklagten: „Junge, ich hab‘ dem sein Leben gerettet, Alter.“ Eine Fehleinschätzung und für das Gericht auch ein Beweis, dass kein Tötungswille vorhanden war.

Das von Zeuginnen bestätigte Prahlen mit der Tat wurde vom Gericht als „unterirdisch“ und „unfassbar“ bezeichnet, Richterin Wetzel sprach von einer „moralischen Verantwortung“, die alle fünf ihr Leben lang begleiten werde und bezeichnete das Verhalten des Hauptangeklagten als „sinnfrei und dumm“. Ihre Prognose für alle fünf jungen Männer: „Wenn sie sich nicht ändern, landen sie entweder in der Gosse oder im Gefängnis oder erleiden das gleiche Schicksal wie das Opfer.“

Neben dem Hauptangeklagten wurde auch sein Bruder zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die allerdings zur Bewährung ausgesetzt wurde. Eine erst vor kurzem im Amtsgericht Gelnhausen ergangene Entscheidung von 18 Monaten Haft wurde um vier Monate aufgestockt. Zwei weitere Angeklagte wurden verwarnt, sie müssen 140 beziehungsweise 80 Arbeitsstunden ableisten. Ein fünfter Angeklagter, der den verhängnisvollen Joint gebaut hat, muss zwei Wochen in Dauerarrest und 120 Stunden gemeinnützig arbeiten. Alle vier müssen zudem an zehn Terminen bei der Jugend- und Drogenberatung teilnehmen.


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