Zweite Verlegung von Stolpersteinen in Hammersbach

Hammersbach
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Am Donnerstag, dem 2. März 2017 beginnt um 14 Uhr in der Hintergasse im Ortsteil Langen-Bergheim die zweite Stolperstein-Verlegung.



Auf Initiative des Vereins für Kultur und Heimatgeschichte werden diesmal 12 Stolpersteine für vier ehemalige jüdische Familien in Marköbel und Langen-Bergheim in das Straßenpflaster vor den Häusern gelegt, wo diese Familien bis in die 1930er Jahre gelebt haben, bevor sie vertrieben und ermordet wurden. Stolpersteine nennt sich das Lebensprojekt des Künstlers Gunter Demnig. Mit diesen Steinen will er an das Schicksal der Menschen erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Selbstmord getrieben wurden. Mittlerweile finden sich rund 50.000 Steine nicht nur in Deutschland, sondern auch in 17 weiteren europäischen Ländern. Die Stolpersteine sind das größte dezentrale Mahnmal der Welt.

In der Rüdigheimer Straße 2 in Marköbel wurden 2015 sechs Stolpersteine für die Familie Lichtenstein verlegt. Nun werden in Langen-Bergheim Steine für Bertha, Jakob, Katinka und Rosa Löwenstein verlegt, ebenso auch für Hedwig, Wilhelm und Hannelore Schildger. In Marköbel wird an Abraham und Clara Löbenstein und an Max, Elise und Else Reichenberg erinnert. Insbesondere das erschütternde Schicksal der Langenbergheimer Familie Löbenstein zeigt die Grausamkeit der antisemitischen Exzesse, die während der Naziherrschaft auch hier vor Ort in der Wetterau stattfanden. Der Metzger und Händler Jakob Löwenstein wohnte mit seiner Frau Bertha und den Töchtern Katinka und Rosa in der Hintergasse 1. Katinka gelang 1935 gemeinsam mit ihrem Mann und ihren beiden kleinen Kindern die Flucht nach Palästina. Rosa konnte 1938 über England, wo sie keine Aufenthaltsgenehmigung bekam, in die USA fliehen. Kurz vor der Überfahrt wollte sie ihre Eltern noch einmal sehen. An der holländischen Grenze wurde sie aber abgewiesen. Über das weitere Schicksal der Töchter ist nichts bekannt. Schon im Jahr 1934 wurde Jakob der Gewerbeschein entzogen, was einem Berufsverbot gleichkam. Später wurde Jakob, der im 1. Weltkrieg mit der Hessischen Tapferkeitsmedaille und dem Frontkämpfer-Ehrenkreuz ausgezeichnet worden war, mitten am Tag von einem lokalen Nazi auf der Straße verprügelt. 1938 wird auch das Haus der fast 60-jährigen Eheleute verwüstet, der Hausrat und die Vorräte gehen zu Bruch, das Ehepaar wird geschlagen. 1939 wird Jakob gezwungen, einen Acker zu einem lächerlichen Preis zu verkaufen. Obwohl der Kaufpreis nie gezahlt wird, muss Jakob eine Ausgleichsabgabe in Höhe von 18% des Preises bezahlen. Löwensteins ziehen, weil sie keine bezahlbare Wohnung finden, zu Verwandten nach Frankfurt, bekommen aber keine Zuzugsgenehmigung. Deshalb kehren sie wieder nach Langen-Bergheim zurück. Dort gibt es Streit mit den Käufern ihres Hauses, die verlangen, dass die Eigentumsumschreibung schon vor Zahlung des Kaufpreises erfolgen solle. Da die Löwensteins das aus guten Gründen ablehnen, werden sie in Haft ins Amtsgerichtsgefängnis in Büdingen genommen und dort drei Tage lang verhört, dann wieder entlassen. Ihre Hoffnung, nach Amerika auswandern zu können, erfüllt sich nicht. 1940 müssen sie Langen-Bergheim endgültig verlassen, denn jede Gemeinde soll judenfrei sein. In Frankfurt ziehen sie noch zweimal um. Sie leben sehr kümmerlich, können aber dank gelegentlicher Geldzuweisungen von Rosa überleben.

Am 22.11.1941 werden Bertha und Jakob Löwenstein mit 990 weiteren Menschen ins besetzte Litauen verschleppt. Dort werden alle Teilnehmer des Transports kurz nach der Ankunft erschossen. Die Töchter erfuhren erst nach dem Krieg von der Ermordung ihrer Eltern. Die Verlegung der Stolpersteine wurde möglich durch das Engagement von zwei Konfirmandengruppen in Marköbel und Langen-Bergheim, die durch eine Spendenaktion und eine Kollekte die Grundlage für die erneute Aufnahme in das Programm von Gunter Demnig zusammenbringen konnten. Dies wurde von Pfarrerin Eva-Katharina Gericke in Marköbel und Pfarrer Markus Christ in Langenbergheim unterstützt, indem im Konfirmandenunterricht über die Geschichte der ehemaligen jüdischen Mitbürger in Hammersbach gesprochen wurde. Die noch fehlenden Mittel wurden durch Mitglieder des Hammersbacher Vereins für Kultur und Heimatgeschichte beigesteuert. Michael Göllner, Bürgermeister von Hammersbach, kommentiert: “Die Verlegung der Stolpersteine ist ein wichtiges Zeichen des Erinnerns an die dunkelste Zeit in unserer Geschichte. Die erschütternden Schicksale der Menschen die unter uns gelebt haben mahnen uns, gerade in diesen Zeiten, achtbar zu sein und unsere Demokratie wehrhaft zu verteidigen.“


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