Verlegung von 22 Stolpersteinen in Hammersbach: „Sie kamen mit Äxten und Beilen“

Hammersbach
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Die Gemeinde Hammersbach und der Verein für Kultur und Heimatgeschichte Hammersbach laden zur Verlegung von 22 Stolpersteinen am 10.11. und einer Gedenkstunde am 12.11. 2023 ein. Die Ereignisse des 9. November 1938 jähren sich zum 85. Mal. In dieser und der folgenden Nächte brannten in Deutschland die Synagogen. Sie waren das öffentliche Fanal für das, was folgen sollte: der Völkermord am europäischen Judentum. In den Hammersbacher Ortsteilen wurden die Synagogen beschädigt und ihre Einrichtung zerstört und es kam zu gewaltsamen Übergriffen gegen die jüdische Bevölkerung und ihre Wohnungen.



Die Ereignisse des 9. November und die folgenden Jahre bis zum Kriegsende 1945 zerstörten die Lebensentwürfe von Millionen Menschen: der jüdischen Bevölkerung, weiterer verfolgter Minderheiten und schließlich aller vom Krieg Betroffenen: "Wir wollen am 10. und 12. November an die ermordeten und vertriebenen Juden aus den Hammersbacher Ortsteilen erinnern, damit sie nicht vergessen werden. Wir tun dies in der traurigen Erkenntnis, dass der Antisemitismus und der Hass auf Minderheiten und alles Fremde wieder salonfähig zu werden scheinen. Der Terroranschlag auf Israel am 7. Oktober und seine Folgen führen zu vielen weiteren unschuldigen Opfern. Jüdinnen und Juden sind auch bei uns erneut gefährdet und bedroht. Mit Scham und in Demut stellen wir uns der Verantwortung für unsere Geschichte und stehen an die Seite der Opfer von damals und von heute."

Ablauf:

Freitag, 10.11.2023
15 Uhr Treffpunkt Martin-Luther-Platz, vor dem Zeitstrahl
- Gemeinsamer Beginn mit Grußworten
- Gang zu verschiedenen Orten der Verlegung in Marköbel;
- Berichte aus den Archiven: Christoph Neizert

Sonntag, 12.11.2023
15 Uhr Historisches Rathaus
Eröffnung: Hartmut Schneider, Verein für Kultur und Heimatgeschichte Hammersbach
Grußwort: Michael Göllner, Bürgermeister der Gemeinde Hammersbach
Ansprache zu 85 Jahren Erinnerung und Gedenken an die
Pogrome im November 1938 von Rudolf W. Sirsch,
Generalsekretär i.R. des Koordinationsrates der deutschen Christlich-jüdischen Gesellschaften
Erinnerung und Würdigung:
Verlesen der Namen der jüdischen Mitbürgerinnen, die verfolgt, vertrieben oder ermordet wurden.

10. November 2023, 15 Uhr, Martin-Luther-Platz
Verlegung der letzten Stolpersteine in Hammersbach
Aus den Archiven „Sie kamen mit Äxten und Beilen“
Von Christoph Neizert im Oktober 2023

Wenn wir im November 2023 in Hammersbach 22 Stolpersteine verlegen, haben wir – zusammen mit den 32 Steinen, die wir in den vergangenen Jahren schon gesetzt haben – für alle uns bekannten ehemaligen jüdischen Mitbürger, die 1933 in Hammersbach gelebt haben, eine materielle Erinnerung geschaffen. Das ist nicht viel; für uns ist es ein wichtiges Zeichen. Wir erinnern damit nicht nur an fast 500 Jahre jüdisches Leben in Marköbel und Langenbergheim, sondern auch an die erschütternden Einzelschicksale von 22 Mitbürgern. Durch brutale Gewalt wurde die jüdische Gemeinde hier am Ort komplett ausgelöscht. Wir wissen nur sehr wenig über das Leben dieser Familien, die nach vielen Generationen vor Ort vertrieben und ermordet wurden. Einiges, was wir wissen, möchten wir an dieser Stelle mitteilen.

Sally Fuld, genannnt Sol, Jahrgang 1902, wohnte mit seiner Frau Rosel, geb. Gernsheimer aus Rückingen, in der Hauptstraße 14. Das war das Haus seiner Eltern Max und Berta Fuld, wo 1930 auch die Tochter Lore geboren wurde. Er schreibt Ende der 1950er Jahre: „Ich besuchte die Volksschule in Marköbel und ging nach Absolvierung derselben 1 Jahr in die kaufmännische Handelsschule nach Hanau. Ich trat dann in das väterliche Geschäft Max Fuld in Marköbel ein, als vollberechtigter Teilhaber und die Firma lautete Max Fuld, Inhaber Max und Sally Fuld. Es war ein gutgehendes Manufakturwarengeschäft und habe ich es durch meine Reelität, meinen Fleiß und meiner Tüchtigkeit verstanden, den Kundenkreis zu vergrößern. Nach 1933 ging das Geschäft sehr zurück, da die von Adolf Hitler ergriffenen Maßnahmen gegen die Juden sich besonders heftig in Marköbel auswirkten. Die Kunden hatten Angst, von Juden zu kaufen und meinen Laden zu betreten. Mein Verdienst ging immer mehr zurück, und kam das Geschäft an dem Pogromtag im November 1938 ganz zum Erliegen.“

So lange hatte die Familie Fuld an dem Geschäft festgehalten, schließlich war es die Grundlage des Lebensunterhalts und man hatte ein eigenes schuldenfreies Haus.  In der sogenannten „Reichskristallnacht“ wurden das Geschäft und die Wohnung von einer Nazi-Bande komplett zerstört und geplündert. Rosel flüchtete mit ihren Schwiegereltern Lore nach Frankfurt, Sally wurde in das KZ Buchenwald verschleppt, wo er sich bei der mehrmonatigen Arbeit im Steinbruch einen Leistenbruch zuzog, der jahrelang nicht operiert wurde. Nach seiner Entlassung aus dem KZ gelang es ihm nach New York zu flüchten, Rosel flüchtete mit Tochter Lore nach Japan und kam ein Jahr später auch in die USA. Max und Berta wohnten noch bis 1942 in kümmerlichen Verhältnissen in Frankfurt, bis sie ins KZ Theresienstadt deportiert wurden. Dort wurden sie 1944 ermordet.

Für Sally, der eine Stelle als Maschinist in einer New Yorker Firma bekam, und Rosel begann nach 1945 ein fast 30-jähriger Kampf um Entschädigung für das, was ihnen und ihrer Familie angetan worden war. Lange Jahre wollte das Land Hessen nicht anerkennen, dass Sally ein selbständiger Kaufmann gewesen war. Nur in zähem Ringen gelang es dem kranken und verbitterten Sally, für heutige Verhältnisse lächerlich kleine Entschädigungen für Berufs-, Vermögens- und Freiheitsschaden zu bekommen. Die Akten zu den Entschädigungsprozessen, die im Archiv in Wiesbaden liegen, sind ein erschütterndes Zeugnis der Unwilligkeit deutscher Behörden, sich zu dem getanen Unrecht zu bekennen. Es dauerte bis 1969, bis Sally eine sog. Härtefallausgleichsbeihilfe von DM 200 bekam, und bis 1973, bis er ein kleines Altersruhegeld zugesprochen bekam. Eine Schande und beschämend, dass dieser Fall bis zum Bundesgerichtshof gehen musste bis die deutschen Behörden endlich einlenkten.

Um das unseren ehemaligen Mitbürgern angetane Leid in der Nazizeit plastisch zu machen, hier eine Beschreibung von Rosi Fuld: „Mein Ehemann Salli genannt Sol Fuld wurde am 9. November 1938 verhaftet und kam in das KZ Buchenwald. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 abends gegen 9 Uhr kam eine Horde SA-Leute und sonstige Nazis, bewaffnet mit Äxten und Beilen und schweren Stangen, schlugen das Haustor und die Haustüre ein, stürmten in den Laden und plünderten die Stoffe und sonstigen Manufakturwaren, die auf den Regalen lagen und was sie nicht mitnahmen, machten sie unbrauchbar; die Regale und Theke zerschlugen sie, sodass die Holzstücke umherflogen. Unseren Bücherschrank mit den Geschäftsbüchern vernichteten sie, sodass wir nicht mehr über unsere Außenstände verfügen konnten, denn wir hatten solche in den Büchern stehen und nicht in dem Gedächtnis. Meine alten Schwiegereltern, meine Tochter, ein Kind von 7 Jahren und ich wurden von der Bande aufgefordert, das Haus zu verlassen und so gingen wir flüchtig. Auf diese Weise konnten diese Nazis ihr Zerstörungswerk ungehindert weiter betreiben. Sie demolierten dann unser Wohnzimmer vollständig, solches bestand aus 1 Büffett, Kredenz, Sofa, Tisch, 6 Stühle, 1 Lampe. Im Büffett war das gute Porzellan, in der Kredenz die gute Tischwäsche, alles war unbrauchbar gemacht. Die Küchenmöbel, sowie das Porzellan, Glas, die Töpfe und alles was zu der Einrichtung gehörte, wurde zerstört. Das Schlafzimmer meiner Schwiegereltern, nebst Wäsche in den Schränken, war nicht mehr zu erkennen, derart hatte die Verwüstung stattgefunden. Unser Schlafzimmer, das noch fast neu war denn wir hatten es bei der Verheiratung angeschafft, war vollkommen demoliert, ebenso die Wäsche in den Schränken unbrauchbar gemacht, oder gestohlen. Dabei ist nicht berücksichtigt das Zerschlagen der Porzellan-Öfen, des Küchenherdes und der sonstige Schaden der an Türen, Fenster etc. angerichtet worden war …“

Auch nach der Flucht in die USA war das Leid der Familie Fuld nicht vorbei. Das Schicksal der alten Eltern war eine grausame Bürde, so richtig Fuß fassen konnten sie in der neuen Heimat nicht. Sally war krank, und die Ärzte rieten ihm sich zur Ruhe zu setzen, aber das konnte er sich materiell nicht leisten. Während Deutschland vom Marshall-Plan profitiert und das große Wirtschaftswunder erlebt, muss Sally eine regelrechte Tortur durch deutsche Behörden erdulden, die ihm noch nicht einmal eine kleine Rente gewähren wollen. In seiner Verzweiflung schreibt er im Jahre 1967 – fast 30 Jahre nach der Flucht – an den hessischen Regierungspräsidenten: „Mein Name ist Sally Fuld, geboren Marköbel bei Hanau. Ich bin jetzt 65 Jahre alt geworden und lebe in New York mit meiner Frau und Tochter. Durch meine mir hier zugezogene Krankheit bin ich leider arbeitsunfähig. Meine kleine Social Security Rente, die ich von Amerika bekomme, reicht leider nicht aus, meinen Lebensunterhalt zu decken. Ich bitte Sie daher, sehr geehrter Herr Regierungspräsident, wenn möglich mir zu einer kleinen Rente von Deutschland zu verhelfen, da ich mein ganzes Leben in Deutschland verbracht habe und in Marköbel geboren und auch dort ein gut gehendes Geschäft hatte …“

Sein Anwalt schreibt: „Aus dem Attest des Dr. Lent ergibt sich die eigentliche Tragik dieses Falles. Herr Fuld geht nach wie vor einer Arbeit nach, obwohl er erwerbsunfähig ist, weil er für sich und seine Ehefrau kostspielige Medikamente braucht, die er sich nur leisten kann, wenn er verdient. Er hat in all den Jahren nur so viel verdient, dass er gerade den Lebensunterhalt für sich und seine Ehefrau sicherstellen konnte. Rücklagen für das Alter hat er nicht bilden können. Er hat also nur die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt sicherzustellen, wenn er arbeitet obwohl er ein kranker Mann und erwerbsunfähig ist. Diese Tätigkeit steht aber nach der starren gesetzlichen Regelung einer Gewährung einer Rente entgegen.“

Die Behörde: „Eine Rente wegen Gesundheitsschaden kann ebenfalls nicht gewährt werden, weil Sie Entschädigung wegen verfolgungsbedingten Gesundheitsschadens nicht angemeldet haben und die Frist für eine solche Anmeldung mit dem 1.4.1958 verstrichen ist. Außerdem dürften auch die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sein. Ob Sie eine Rente der Bundesversicherungsanstalt oder der Landesversicherungsanstalt Hessen beziehen, oder ob Sie Anspruch auf eine solche Rente haben, entzieht sich meiner Kenntnis und Beurteilung …“

Über viele Jahre hinweg muss Sally alle möglichen Dokumente und Beweise vorlegen: ärztliche Atteste, Bestätigungen über seinen ehemaligen Grundbesitz in Marköbel, Steuerbescheinigungen aus den USA, Bestätigungen des Marköbler Bürgermeisters über das Geschäftsvolumen des Marköbler Ladens, etc. Es ist schwer auszuhalten, dass die Behörden von Sally wissen wollen, welche Nummer seine Baracke in Buchenwald gehabt habe. Da er sich daran nicht mehr erinnert, muss er Mitgefangene ausfindig machen, die bestätigen, dass er tatsächlich in Buchenwald war. Kaum vorstellbar, welches zusätzliche Leid die deutschen Behörden in der Nachkriegszeit für Sally und Rosi Fuld erzeugt haben. Rosi Fuld taucht auch in den Wiesbadener Akten der Nachbarsfamilie Strauss auf.

In der Hauptstraße 12 wohnte Leopold Strauss mit seinen Kindern Ida, Blanka, Julius und Max. Julius schreibt später: „Ich betrieb in Marköbel ein gutgehendes Darm- und Fellgeschäft. Vor 1933 zeigte das Geschäft einen ständigen Aufstieg, der auch weiter angehalten hätte, wenn nicht unter dem Druck des nationalsozialistischen Regimes ein ständig zunehmender Boykott der jüdischen Geschäfte erfolgt wäre. Diese Strömung war in Hessen besonders stark. So war ich bezwungen bereits 1936 mein Geschäft zu liquidieren und auszuwandern.“

Sein Bruder Max schreibt: „Ich lebte von meiner Geburt an in Marköbel. Sobald ich das erwerbsfähige Alter erreichte, trat ich das von meinem Vater Leopold Strauss geführte Viehhandelsgeschäft mit ein. Es handelte sich hierbei um ein alteingesessenes Unternehmen, das über 50 Jahre bestand und bereits von meinem Großvater begründet worden war. So war es nach alter Tradition gegeben, dass ich zunächst gemeinsam mit meinem Vater das Geschäft weiterführen würden und es eines Tages dann von ihm übernähme und selbständig betreibe. Dies wurde unmöglich gemacht als infolge der nationalsozialistischen Gesetze meine Mitgliedschaft im Reichsverband des Nationalen Viehhandels Deutschland e.V. Gau 4 in Frankfurt/M. aufgehoben und dadurch die Weiterführung der Existenz unmöglich gemacht wurde... Ich sah mich daher gezwungen, mit meiner Frau nach USA auszuwandern.“

Der Vater blieb jedoch mit Tochter Ida im Haus der Familie in Marköbel. 1962 schreibt Rosi Fuld: „Ich habe die Familie Leopold Strauss sehr gut gekannt, da wir Nachbarsleute waren. Ich bestätige, dass in der bekannten Kristallnacht im November 1938 im Hause des verstorbenen Leopold Strauss, während Herr Strauss und seine Tochter Ida sich aus Angst um ihr Leben versteckt hielten, Plünderungen und Zerstörungen vorgekommen sind. Ich und meine Familie waren gezwungen, am anderen Tage nach Frankfurt zu verziehen, da bei uns nicht einmal ein Stuhl ganz geblieben war. Einige Tage später war ich genötigt, nach Marköbel zu fahren, um zu sehen, ob ich etwas erledigen könnte. Ich habe für ein paar Tage im Hause Leopold Strauss gewohnt. Ich hatte dadurch Gelegenheit, die zertrümmerten Einrichtungsgegenstände der Familie Leopold Strauss zu sehen. Herr Strauss und seine Tochter haben im Keller geschlafen, wir haben dann einige Betten notdürftig zusammengenagelt und haben im Hinterzimmer über dem Kuhstall geschlafen. Wir wählten das Hinterzimmer, weil wir dachten, dass dies am sichersten wäre. Den beiden Söhnen des Herrn Strauss, Julius und Max, welche schon vorher nach Amerika ausgewandert waren, habe ich jahrelang nichts von der Schmach und der Schande, welche ihren Angehörigen in Marköbel angetan wurde, erzählt.“

Offenbar war also Tochter Blanka schon vor November 1938 aus Marköbel nach Friedberg weggezogen. Leopold und Ida mussten gleich nach der Reichskristallnacht Marköbel verlassen und zu Blanka nach Friedberg ziehen. 1942 wurden sie in das KZ Theresienstadt deportiert und dort spätestens 1944 ermordet. Blanka wurde im gleichen Jahr nach Treblinka deportiert und 1945 ermordet.

In der Nordstrasse 14 wohnen Gottfried und Melitta Appel mit ihrem Sohn Max Erwin, im Hause des Schwiegervaters Abraham Löbenstein (dem wir 2017 einen Stolperstein gesetzt haben). Gottfried betreibt ein Viehhandelsgeschäft, das er schon 1936 aufgrund des faktischen Berufsverbots aufgeben muss. Wie Sally Fuld wird er kurz nach der Reichskristallnacht ins KZ Buchenwald deportiert. Er und seine Frau können den 12-jährigen Sohn 1939 mit einem Kindertransport über die Schweiz nach Palästina retten. Gottfried schreibt 1939 an die Devisenstelle S in Frankfurt: „Mein Sohn, Erwin Israel Appel, geb. 11.1.1927 in Marköbel bei Hanau am Main ist am 5. Januar 1939 mit einem Kindertransport nach Langebruck (Schweiz) ausgewandert. Er hat s. Zt. nur die nötigsten Gegenstände mitgenommen. Das seine Weiterwanderung nach Argentinien jetzt bevorsteht, bitte ich höflichst um Genehmigung, ihm die in beifolgenden Listen aufgeführten Gegenstände senden zu dürfen, da er dieselben dringend benötigt. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie meiner Bitte bald stattgeben wollten und zeichne ergebenst Gottfried Israel Appel“

Aufgeführt in den Listen sind allerlei Hausrat, darunter ein Waschlappen, hebräische Gebetbücher und eine Geldbörse. Die Eltern aber können sich nicht retten, denn 1941 werden sie von Frankfurt nach Minsk deportiert, wo sie kurz darauf ermordet werden.

Max Erwin Appel schreibt: „Ich, der unterzeichnete Matatjahu (Erwin Max) Appel, wohnhaft in Pardess Hannah, erkläre hiermit: Ich bin der einzige Erbe meiner Eltern Gottfried und Melitta Appel, geb. Löbenstein. Ich selbst bin am 5. Januar 1939 aus Deutschland ausgewandert. Meine Eltern sind in Marköbel zurückgeblieben. Aus Korrespondenz habe ich erfahren, dass sie nach Frankfurt übersiedeln mussten, und von dort im Jahre 1941 nach Minsk deportiert wurden. Seitdem habe ich keine Nachricht von ihnen. Soweit ich mich erinnere, hat mein Vater bereits 1936 oder 1937 sein Geschäft, ebenso wie das gemeinsam mit dem Großvater betriebene Geschäft aufgegeben, da ihm als Jude die Weiterbeschäftigung als selbständiger Kaufmann nicht mehr möglich war. Mein Vater fand dann als Angestellter in einem Schnittwarengeschäft in Frankfurt am Main, wenn ich mich recht erinnere, hieß die Firma Stein und war in der Kaiserstraße, noch eine Anstellung, die ihm ein bescheidenes Einkommen brachte. Wann er diese Anstellung aufgeben musste, kann ich nicht sagen. Meine Mutter wurde zusammen mit meinem Vater deportiert.“

Auch Max Erwin Appel musste bemerkenswerte Erfahrungen mit den deutschen Behörden machen. Da es keinen Beleg dafür gab, wann die Eltern ermordet wurden, nahmen die Behörden an, dass die Ermordung am Tag der Deportation erfolgte. Entsprechend lächerlich gering war die Entschädigung. Der Großvater Abraham Löbenstein musste übrigens 1941 sein Haus verkaufen. Der Landrat schreibt: „Von dem Kaufpreis von RM 650 sind zunächst die Forderungen des Kreiswohlfahrtsamtes und der Gemeinde zu befriedigen. Der Rest betrag darf nicht unmittelbar an den Verkäufer ausgezahlt werden, sondern ist auf ein Sperrkonto bei einer Devisenbank einzuzahlen, über das nur mit Genehmigung der zuständigen Devisenstelle verfügt werden darf …“


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