Müssen die Drogendealer in Hanau jetzt zittern?

Hanau
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Was für ein interessantes Angebot: „Wenn sie wollen, kann ich ihnen die Drogendealer von ganz Hanau preisgeben“, lautete das Angebot eines 27-jährigen Marokkaners, der bereits zum zweiten Mal auf der Anklagebank im Hanauer Landgericht sitzt. Den Überfall auf eine Tankstelle sowie zwei schwere räuberischen Erpressungen hatte er bereits beim Prozessauftakt Anfang Oktober 2016 zugegeben, allerdings auch vehement auf seine verminderte Schuldfähigkeit aufgrund seines angeblich immensen Drogenkonsums gepocht. Das Verfahren wurde daher abgebrochen und ein Sachverständiger damit beauftragt, genau dies zu überprüfen. Am Mittwoch ging der Prozess vor der 5. Großen Strafkammer des Hanauer Landgerichts nun von vorne los.



Über zwei Stunden lang nahm der 27-Jährige zu den drei Taten Stellung und machte dabei immer wieder darauf aufmerksam, dass ihn seine Drogensucht zu den Überfällen getrieben habe. Am 24. Juni 2016 sei er mit seinem Fahrrad an einem Spielplatz nahe der Ludwig-Geissler-Schule vorbeigefahren und habe die Rauchwolke über dort kiffenden Jugendlichen gesehen. „Der Spielplatz ist der optimale Platz für Konsum“, plauderte er aus dem Nähkästchen, deshalb habe auch er sich öfters dort aufgehalten. Mit einem Küchenmesser in der Hand sei er an die jungen Männer herangetreten und habe ihnen zunächst drei oder vier Päckchen mit Drogen abgenommen. Anschließend habe er sie aufgefordert, ihre Geldbeutel zu leeren und so weitere 20 Euro erbeutet.

Ähnlich war der Ablauf beim zweiten Fall: Am 2. Juli 2016 habe er mit einem Freund auf diesem Spielplatz, der unweit seiner Wohnanschrift liegt, zunächst Bier getrunken, als ihn ein Mann gefragt habe, ob er dort einen Joint bauen dürfe. Den habe er ihm anschließend abgenommen und ihm danach auch noch die Goldkette vom Hals gerissen – wieder mit dem Messer in der Hand. Drei Tage später wollte der gebürtige Hanauer damit auch eine freie Tankstelle in der Leipziger Straße überfallen, scheiterte aber der resoluten Verkäuferin. Die konterte mit Pfefferspray, seine Beute war daher diesmal nur ein Päckchen Zigaretten.

Für alle drei Taten drohen dem Angeklagten mehrere Jahre Gefängnis und die versucht er nun zu reduzieren. Das erbeutete Geld und die Goldkette habe er gleich wieder in Drogen umgesetzt, seine bevorzugten Dealer immer am Goldschmiedehaus in Hanau getroffen. Das Messer habe er nur bei sich geführt, weil er noch einige Schulden in der Szene habe und daher immer wehrhaft sein müsse. Konsumiert habe er am liebsten Kokain, wenn er sich das nicht leisten konnte, sei er auch auf Amphetamine oder Marihuana ausgewichen. Seinen angeblich hohen Konsum hätten bislang seine Eltern finanziert, die sich im Sommer des vergangenen Jahres allerdings nicht besonders großzügig gezeigt hätten.

Allerdings scheint sich der Hanauer nicht nur mit Drogen gut auszukennen, auch die deutschen Gesetze sind ihm anscheinend nicht fremd: Bei seiner Einlieferung in die Justizvollzugsanstalt in Frankfurt habe er nur eine vergleichsweise geringen Konsum angegeben, weil keine Einweisung in eine Psychiatrie erreichen wollte, sondern eine Behandlung nach Paragraph 35 des Betäubungsmittelgesetzes – „Therapie statt Strafe“ lautet der Tenor dieses Gesetzes. Im Gefängnis ergaben sich anschließend aber fast keine Hinweise darauf, ob er überhaupt als Drogenkonsument eingestuft werden kann. Einen Urintest verweigerte er zunächst, zwei Monate später wurden beim zweiten Versuch keine Spuren von Betäubungsmitteln mehr gefunden. Ähnlich verlief ein Haartest: „Kein regelmäßiger Konsum von Kokain“, teilten die Experten anschließend mit.

Das Gericht hat insgesamt sieben Verhandlungstage anberaumt, um ein Urteil in diesem Prozess zu finden. So lange hat der 27-Jährige nun Zeit, seine angebliche Sucht nach Betäubungsmitteln und Glücksspielen, was er fast schon nebenbei auch noch erwähnte, zu belegen und damit eine geringere Strafe zu erreichen. Und offenbar scheint er bereit, dafür auch die Hanauer Drogenszene ordentlich durcheinander zu wirbeln.


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