Gratis-ÖPNV: Verwunderung über Kleinmut von Al-Wazir

Hanau
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Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky ist "erfreut, dass die Debatte um einen Gratis-ÖPNV in Deutschland Schwung aufgenommen hat".



Er und Stadtrat Thomas Morlock hatten Hanau als Modellstadt für dieses "herausfordernde Experiment" vorgeschlagen, vorausgesetzt die Fahrgeldeinnahmen und Investitionen für neue Busse und Busfahrer der HSB würden von der Bundesregierung übernommen, die den Nulltarif zum Gegenstand eines Vorschlag bei der EU-Kommission gemacht hatte. Für die dringend nötige Mobilitätswende hin zu umweltfreundlicherem und sozialverträglicherem Verkehr seien Busse und Bahnen "ein wichtiges Element" neben Rad- und Fußgängerverkehr. Insofern seien sie "über den Kleinmut von Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir" verwundert, so Kaminsky und Morlock.

Al-Wazir nämlich hatte im Herbst 2017 in einem Interview seine Zuversicht geäußert, dass das für Landesbedienstete ab 2018 unentgeltliche LandesTicket "Schule machen" werde. Der Minister hatte dabei nicht nur betont, dass Hessen damit ein moderner und familienfreundlicher Arbeitgeber sei. Vielmehr gebe das LandesTicket auch einen starken Anreiz, um über den Umstieg auf den ÖPNV in den Innenstädten die Luftqualität zu verbessern und Staus im Berufsverkehr zu mindern.

"Das kann ich nur unterstreichen", kommentiert OB Kaminsky. Insofern verstehe er nicht, dass Al-Wazir nun bezweifle, Busse und Bahnen könnten zugleich kostenlos und attraktiv sein, und befürchte, dass mit dem Nulltarif Geld für eine verbesserungsbedürftige Infrastruktur fehle. Al-Wazirs Parteikollege Boris Palmer in Tübingen hingegen sei "weitaus aufgeschlossener und mutiger" und habe mit einem Konzept für Gratis-Nahverkehr Tübingen ebenfalls als Modellstadt vorgeschlagen. Dies gelte ebenso für Darmstadt und deren Grüne Umweltdezernentin Barbara Akdeniz.

Kaminsky hält dem hessischen Verkehrsminister vor, dass solche Finanzierungsbedenken beim Einführen des kostenlosen LandesTickets für 145.000 Beschäftigte im Landesdienst in Hessen keine Rolle gespielt hätten. Mehr noch: Hier stelle sich die Gerechtigkeitsfrage. Der OB wörtlich: "Wie soll ich einer Verkäuferin im Forum Hanau oder einem Hausmeister in einer Wohnanlage erklären, dass der Ministerialdirigent täglich gratis Bus und Bahn nach Wiesbaden nutzen kann und sie nicht?", fragt Kaminsky Al-Wazir. Noch ungerechter erscheine das vor dem Hintergrund, dass es für Familienmitglieder der Landesbediensteten eine großzügige Gratis-Mitnahmeregel gebe, die werktags nach 19 Uhr sowie wochenends und feiertags ganztägig gelte.

51 Millionen Euro lasse sich das Land dieses Gratis-Ticket pro Jahr zusätzlich kosten, um attraktiver Arbeitgeber zu sein und Schadstoffe im Straßenverkehr zu mindern. Das sei doch genau die "Blaupause", die Al-Wazir konsequenterweise auch für die gesamte Republik fordern müsse. Bürgertickets, wie sie die Grünen forderten, gingen schließlich auch in diese Richtung. Mehr als 200.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in mehr als 200 Firmen nutzten laut RMV bisher das JobTicket. Welcher große Aufwand dabei für Verhandlungen und Überzeugungsarbeit dabei zu leisten sei, habe die Stadt Hanau in jüngster Vergangenheit selbst erlebt. Auch das sei nicht mehr nötig, wenn alle Menschen in Deutschland unentgeltlich den ÖPNV nutzen könnten. Dass der Gratis-ÖPNV "keine Spinneridee" sei, erlebten Menschen ständig, wenn sie mit Kombi-Tickets zu Kultur- und Sportveranstaltungen unterwegs seien und damit die Straßen entlasteten. Auch hierbei sei der Anteil für Bus und Bahn zuvor schon eingepreist.

Auch wenn der Gratis-ÖPNV derzeit Politikern wie Al-Wazir unrealistisch erscheine, gehe es "im Endeffekt doch um die Frage, wie insbesondere die meist auf Straßenverkehr ausgelegten Städte künftig mit Mobilität umgehen und was wir dafür investieren wollen." In gleichem Maße gelte das aber auch für ländliche Gebiete, wo sich Klagen über mangelnde ÖPNV-Verbindungen häuften – mit der Folge, dass Städte noch mehr motorisierten Individualverkehr zu verkraften hätten. "Es ist an der Zeit, dass es dringend eines breiten gesellschaftlichen Ideenwettbewerbs bedarf, wie wir künftig Mobilität zum Wohl der Menschen gestalten wollen", so Stadtrat Morlock. Insbesondere könne die aktuelle Debatte "endlich Gelegenheit geben grundsätzlich über Zukunft und Stellenwert des ÖPNV nachzudenken".


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