„Das Fahrrad als wichtiger Schritt zurück ins normale Leben“

Wolfgang
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„Bicycle Repair Man“, steht auf dem T-Shirt von Jörg Brauns. In Anlehnung an die legendäre britische Komikergruppe Monty Python soll es deutlich machen, dass es sich bei Brauns um einen Helfer in der Not handelt – konkret: bei einer Fahrradpanne.



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Brauns ist Mitglied des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Main-Kinzig. Jeden Montag ist er zusammen mit seinen Kollegen im „Bicycle Repair Man“-Einsatz. Ihr Betätigungsfeld ist die städtische Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Sportsfield Housing. Dort betreibt der ADFC seit September eine Fahrradwerkstatt – und die ist bei den Schutzsuchenden ein beliebter Anlaufpunkt.

„Am Anfang war es ein bisschen chaotisch, aber inzwischen haben sich die Abläufe eingespielt“, berichtet der Vorsitzende des ADFC Main-Kinzig, Ulrich Klee. Jeden Montag öffnet die engagierte Gruppe ihren Kellerraum in einem der Wohnblöcke, die von der Stadt Hanau für die Unterbringung der Flüchtlinge genutzt werden. Von 17 bis 21 Uhr ist ein vier- bis sechsköpfiges Team vor Ort, das nicht nur einen „Plattfuß“ behebt und Lampen kontrolliert, sondern auch gespendete Fahrräder zur Übergabe an die Flüchtlinge generalüberholt. „Die Fahrräder werden von Privatpersonen gespendet oder stammen aus dem städtischen Fundbüro“, erzählt Klee. Vor wenigen Tagen konnte sein Team das 100. Spendenfahrrad unters Volk bringen. Nicht eingerechnet sind hierbei die vielen Kinderfahrräder, die aus der Bevölkerung gespendet wurden, und die rund 100 Werksfahrräder, die das Hanauer Unternehmen Heraeus der Stadt für die Flüchtlinge zur Verfügung gestellt hatte.

Syed Mohamad Hosseini interessieren diese Zahlenspiele nur am Rande – der Afghane, der vor fünf Monaten mit seiner Frau und seinen zwei Kindern nach Hanau kam, ist einfach nur glücklich, dass er nun ein Fahrrad sein Eigen nennen kann. Hosseini erhielt das symbolische 100. Spendenfahrrad, das in der Fahrradwerkstatt des ADFC hergerichtet worden ist. „Er war – wie alle, die von uns ein Fahrrad erhalten haben – überglücklich“, berichten Klee und Brauns. Die Dankbarkeit, die ihnen die Flüchtlinge entgegen brächten, sei für sie der Antrieb, das Projekt fortzuführen. „Das ist unser Lohn“, sagt Klee.

„Wir sind als Stadt ungemein dankbar dafür, dass sich der ADFC so engagiert für die Flüchtlinge einsetzt“, sagt Stadtrat Axel Weiss-Thiel. Das ehrenamtliche Engagement sei nach wie vor hoch. „Und wir werden es auch in den kommenden Monaten benötigen“, so der Stadtrat. Es sei deshalb selbstverständlich, dass die Stadt dieses Engagement nach Kräften unterstütze. Der ADFC wird aus den Spendengeldern, die bei der Stadt eingegangen sind, die anfallenden Kosten für das verwendete Material erstattet bekommen.

Klee, Brauns und ihre Kollegen geben nämlich nicht nur gespendete Fahrräder aus, sondern sie flicken auch Reifen, reparieren Bremsen, tauschen Tretlager aus. Dabei greifen sie gerne auf Hilfe aus den Reihen der Flüchtlinge zurück. „Zwei bis drei haben sich im Laufe der Zeit das notwendige Wissen angeeignet. Wir haben sie inzwischen mit eigenem Werkzeug ausgestattet“, freut sich der ADFC-Vorsitzende. Das hat nämlich auch ein wenig Entlastung für die Fahrradwerkstatt mit sich gebracht: In akuten Notfällen helfen die Flüchtlinge sich jetzt direkt untereinander.

Dennoch gibt es jeden Montag ein großes Hallo, wenn die Männer vom ADFC ihren Keller aufsperren. „Dank der tollen Unterstützung der Security haben wir es inzwischen aber gut hinbekommen, dass das Gedränge nicht so groß wird“, schildert Brauns. Zudem helfen engagierte Flüchtlinge, die Englisch oder schon ein wenig Deutsch sprechen, dabei, die Sprachbarrieren zu beseitigen. Erklären müssen sie vor allem, warum es die Fahrräder nicht umsonst gibt. „Wir haben uns dazu entschieden, für jedes Fahrrad 20 Euro zu nehmen“, erklären die ADFC-Mitglieder. Dafür bekommen die Flüchtlinge dann auch gleich ein Schloss, das der ADFC gekauft hat. Damit soll auch eine gewisse Wertigkeit hergestellt werden.

Für viele Flüchtlinge ist ein Fahrrad ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zurück in ein normales Leben, vor allem ermöglicht es Mobilität. „Wir als ADFC sind natürlich sehr begeistert, dass Fahrräder hier einen so hohen Stellenwert haben“, freut sich Klee. Gleichwohl ist sich der Club den möglichen Problemen bewusst. „Fahrradfahren zu können, heißt natürlich noch nicht, dass man sich im deutschen Verkehr sofort zurecht findet“, meint Klee. Deshalb trage sich der Verein mit dem Gedanken, vor Ort auch eine Verkehrsschulung anzubieten. Das städtische Koordinationsbüro für Flüchtlinge stattet Neuankömmlinge seit kurzem auch mit entsprechendem Informationsmaterial über die Straßenregeln in den Landessprachen aus.

Wer ein Fahrrad spenden möchte oder sich anderweitig für die Flüchtlinge engagieren möchte, kann sich im Koordinationsbüro unter der Nummer 06181/2951944, per E-Mail an die Adresse Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder über die neue Homepage www.hanau-engagiert.de melden.

Foto: Jaap Knoblich (ADFC, rechts) und Isaaq Atai (afghanischer Flüchtling, der mit vom ADFC gesponserten Werkzeug selbst Fahrräder repariert, Mitte). Foto: Jörg Brauns (ADFC)

Foto: Reinhard Nitzsche (ADFC, links), Ulrich Klee (Vorsitzender des ADFC Main-Kinzig, 2. von links), Syed Mohamad Hosseini (Mitte), Isaaq Atai (afghanischer Flüchtling, der mit vom ADFC gesponserten Werkzeug selbst Fahrräder repariert, 4. von rechts), Jaap Knoblich (ADFC, 3. von rechts) sowie andere Flüchtlinge. Foto: Jörg Brauns (ADFC)

Foto: Jörg Brauns vom ADFC repariert in der Fahrradwerkstatt auf Sportsfield Housing ein Zweirad. Foto: Ulrich Klee (ADFC)


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