Die Kinzigaue als Kinderstube

Hasselroth
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Die Kinzigaue von Langenselbold und Hasselroth verwandelt sich zu Beginn des Frühlings in eine große Kinderstube.



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Erhöhte Rücksichtnahme auf Wiesenbrüter-Küken und Rehkitze ist während der Brut- und Setzzeit daher besonders wichtig. Die Gesellschaft für Naturschutz und Auenentwicklung (GNA) setzt sich seit vielen Jahren erfolgreich für den Schutz und den Erhalt der Artenvielfalt im Main-Kinzig-Kreis ein. Große Sorgen bereiten den Naturschützern jedoch die in ihrem Bestand bedrohten Wiesenvögel.

War der Kiebitz früher noch ein regelmäßiger Gast auf Feldern und Wiesen, ist er heute nur noch selten in der Agrarlandschaft zu sehen. Die Intensivierung der Landwirtschaft sowie der verstärkte Maschinen- und Pestizideinsatz führten zu einem bis heute anhaltenden Artenrückgang. Auch eine intensive Freizeitnutzung der Brutgebiete durch Mountainbiker, oft querfeldeinlaufende Spaziergänger und die Zunahme von Fuchs, Waschbär und anderen Räubern tragen zu diesem dramatischen Artenrückgang bei. Während es im Kinzigtal 1969/70 noch 120 Brutpaare gab, konnten 2016 lediglich noch acht Brutpaare beobachtet werden. Neben dem Kiebitz, der in der Roten Liste der Brutvögel Hessens als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft ist, weisen auch viele andere wiesenbrütende Vogelarten besorgniserregende Bestandszahlen auf. Zu ihnen gehören u.a. der Große Brachvogel (Numenius arquata), die Bekassine (Gallinago gallinago), der Rotschenkel (Tringa totanus) und die Uferschnepfe (Limosa limosa).

„In der unteren Kinzigaue zwischen Erlensee und Hasselroth liegen einige der letzten bekannten Kiebitzbrutplätze im Main-Kinzig-Kreis. In den weithin offenen Wiesen und auf den Überschwemmungsflächen findet der Bodenbrüter genug Nahrung, um seine Jungen großzuziehen.“, berichtet Umweltwissenschaftlerin Ann Kristin Bauer. Bereits Ende Februar beobachteten GNA-Mitarbeiter hier die ersten Kiebitze beim Erkunden eines möglichen Brutplatzes. „Ob diese jedoch auch beginnen, bei uns zu brüten oder nach Norden weiterziehen, ist zurzeit noch nicht abzusehen.“

„Bei der Auswahl ihres Brutplatzes reagieren Kiebitze, aber auch Bekassinen und andere Wiesenvögel sehr sensibel auf Störungen. Müssen sie häufig auffliegen, weil Spaziergänger und vor allem Hunde ihnen zu nahe kommen, geben sie die Brutplätze auf und ziehen weiter.“, ergänzt GNA-Biologin Susanne Hufmann. Auch für trächtige Rehe, Kitze und junge Hasen können Hunde zur Bedrohung werden. Während der Brut und der Jungenaufzucht führen solche Störungen zu enormem Stress, was sich negativ auf den Bruterfolg bzw. die Überlebenschance des Nachwuchses auswirken kann - selbst wenn Spaziergänger auf den Wiesenwegen bleiben und die Leinenpflicht eingehalten wird. Gerade bei kleinräumigen Wiesenbrütergebieten können die Kiebitze nicht genug Abstand zu den Wegen einhalten. Kleine Küken sind noch auf den Schutz ihrer Eltern angewiesen und werden ohne sie schnell zum Opfer von Fressfeinden. Helfen würde hier die großflächige Meidung und Umgehung der Kiebitz-Biotope.

Doch wie erkennt man solche möglichen Brutplätze? Von Feuchtwiesen mit Flutmulden und Tümpeln sollte man nach Möglichkeit fernbleiben, empfiehlt die GNA. Sieht man aus der Ferne bereits auffliegende Kiebitze oder hört ihre Rufe, sind diese Bereiche unbedingt weiträumig zu meiden. Das „kie-witt“ oder auch „chiu-witt“, das dem Kiebitz seinen Namen gab, ist leicht zu erkennen. Auch die Balz- und Abwehrflüge der Elterntiere sind durch ihre Akrobatik sehr auffällig und spektakulär. Die GNA bittet die Bevölkerung, diesen kleinen „Wiesen-Knigge“ während den nächsten Monaten zu berücksichtigen. Denn nur so sei es möglich, dass unsere schöne Kinzigaue sowohl von erholungssuchenden Menschen als auch von ihren natürlichen Bewohnern gemeinsam genutzt werden kann.


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