„Es geht darum, das Leben zurück in die Ortskerne zu holen“

Jossgrund
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In der Spessartgemeinde Jossgrund mit aktuell rund 3.500 Einwohnern in den vier Ortsteilen Burgjoß, Oberndorf, Pfaffenhausen und Lettgenbrunn hat SPD-Landratskandidat Thorsten Stolz seine „Tour Ländlicher Raum“ gestartet.



Sie führt ihn bis zur Landratswahl am 5. März 2017 in alle ländlichen Kommunen des einwohnerstärksten Landkreises in Hessen und dient als Grundlage für das „Förderprogramm Ländlicher Raum“, das der 37-jährige Gelnhäuser im Fall seiner Wahl zum Landrat auflegen wird, um den Folgen des demographischen Wandels zu begegnen. Das Förderprogramm soll die Ortskerne stärken und Anreize schaffen, in ländlich strukturierten Kommunen Bestandsimmobilien und Grundstücke zu reaktivieren, die derzeit leer stehen oder brach liegen. „Es geht darum, das Leben zurück in die Ortskerne zu holen. Und das funktioniert nur mit Menschen. Bei meiner ‚Tour Ländlicher Raum’ möchte ich deshalb nicht nur schauen, wo es vor Ort welche Baustellen gibt, sondern möchte mich auch über solche Projekte informieren, mit denen die Gemeinden bereits erfolgreich dem demographischen Wandel entgegenwirken“, kündigt Thorsten Stolz an.

Mit Jossgrunds Bürgermeister Rainer Schreiber hat der Landratskandidat da zum Start der „Tour Ländlicher Raum“ genau den richtigen Mann an seiner Seite, befasst sich die Gemeinde doch schon seit Jahren mit den Folgen des demographischen Wandels. Der 2005 erstmals gewählte Rathauschef berichtet: „Wir waren im Umkreis die ersten, die dieses Thema offensiv angegangen sind. Und das war auch nötig, denn in den vergangenen elf Jahren sank unsere Einwohnerzahl von 3.800 auf jetzt rund 3.500“. Heute aber sei die Trendwende in Sicht, entschieden sich doch immer mehr Menschen, nach Jossgrund zu ziehen. „In den zurückliegenden Jahren wurden im Jossgrund pro Jahr zwei Häuser oder Bauplätze verkauft, heute sind es 25 bis 30 pro Jahr“, erzählt der Bürgermeister stolz.

Doch wie kam es zu dieser Entwicklung? Rainer Schreiber berief zunächst eine Bürgerversammlung ein, in der Referenten das Thema von allen Seiten beleuchteten. „Ich habe damals gesagt, es kommt nun einmal so, dass unsere Gemeinde schrumpfen wird, und dass das auch erstmal nichts schlimmes ist. Ich habe aber auch gesagt, dass wir aus dieser Situation aktiv etwas machen müssen“. Die Jossgründer sahen das genauso. Sie gründeten eine Ideenschmiede, an der sich rund 40 Bürgerinnen und Bürger beteiligten und die in die Arbeitsgruppen der Dorferneuerung Jossgrund übergegangen sind. Sie entwickelten Ideen für Projekte, die beispielsweise im Rahmen der Dorferneuerung umgesetzt wurden. Und schafften ein Bewusstsein für die Folgen des demographischen Wandels, das manche dieser Projekte erst ermöglichte. Ergebnis: Die vier Ortsteile präsentieren sich heute top in Schuss, verfügen über eine sehr gute Infrastruktur mit Arztpraxen, Lebensmittelgeschäften, Metzger, Bäcker und zahlreichen gastronomischen Betrieben. Hinzu kommt der vom Kreis vorangetriebene Breitbandausbau, der auch Jossgrund schnelles Internet bescherte. Kurzum: Die Lebensqualität in der Spessartgemeinde stimmt. Hinzu kommen günstige Grundstückspreise. „Menschen, die Ruhe, Natur und Sicherheit suchen, bauen bei uns. Hier leben mittlerweile sogar Leute, die zwei Mal pro Woche nach Frankfurt pendeln und ansonsten von zu Hause aus arbeiten“, weiß Rainer Schreiber, der mittlerweile für potentielle Neubürger erste Anlaufstelle und enger Berater bei der Suche nach dem geeigneten Grundstück oder der richtigen Immobilie ist. „Wenn die Interessenten im Erstgespräch ihre Vorstellungen skizziert haben, suche ich drei oder vier geeignete Grundstücke heraus und dann besichtigen wir sie gemeinsam“, schildert der Bürgermeister das weitere Vorgehen.

Landratskandidat Thorsten Stolz ist von diesem Jossgründer Engagement begeistert, soll künftig doch ein Schwerpunkt der Kreisentwicklung auf dem Werben für den Wohnstandort Main-Kinzig liegen. „Angesichts von bis zu 60.000 Zuzügen in die Landkreise Main-Kinzig und Offenbach bis zum Jahr 2030 gilt es, intensiv für die Gemeinden östlich von Gelnhausen als Wohnorte zu werben“, sieht er große Chancen für die ländlichen Kreiskommunen. Um dem dort bereits spürbaren Bevölkerungsrückgang zu begegnen, soll der Schwerpunkt des im Falle seiner Wahl zum Landrat aufgelegten „Förderprogramms Ländlicher Raum“ auf Bestandsimmobilien und innerörtlichen Baulücken liegen. „Ich möchte Engagement in Ortskernen fördern, nicht im Neubaugebiet. Dabei machen wir keinen Unterschied, ob sich Privatleute oder Kommunen einer Bestandsimmobilie annehmen möchten“, weist Thorsten Stolz darauf hin, dass sowohl private als auch kommunale Investitionen gefördert werden. Im Main-Kinzig-Forum in Gelnhausen soll deshalb eine zentrale Bauberatung eingerichtet werden, die allen Interessenten zur Seite steht, die sich für eine aus dem kreiseigenen Fördertopf bezuschusste Immobilien- oder Grundstücksübernahme im ländlichen Raum interessieren.

Ein Beispiel dafür, wie wichtig ein solches Förderprogramm für die Kommunen ist, zeigt Bürgermeister Schreiber dem Landratskandidaten in Pfaffenhausen. Dort sind im Ortskern auf rund 5.000 Quadratmetern zahlreiche Gebäude von Leerständen und Sanierungsstau betroffen. „In vielen Fällen oft auch deshalb, weil die Immobilien Eigentümergemeinschaften gehören, denen sie schlichtweg egal sind oder für deren Verkauf sie horrende Summen aufrufen“, schildert der Jossgründer Rathauschef. So blättert in Pfaffenhausen der Putz von der Fassade eines alten Kaufhauses, in dessen Erdgeschoss ein „Nahkauf“ beheimatet ist – der einzige Nahversorger im Ort. Die Wohnungen in den oberen Geschossen des riesigen Anwesens stehen allesamt leer. „Der Nahkauf läuft gut, aber wenn der Betreiber irgendwann einmal aufhört, findet sich hier wohl kein Nachmieter mehr angesichts dieses Gebäudezustandes“, befürchtet Rainer Schreiber. Nebenan steht das alte Gasthaus „Zum Hirsch“, dessen rechter Gebäudeflügel eine gut gehende Pizzeria beherbergt. Links neben dem Hof eine große Scheune, deren künftige Nutzung der Bürgermeister aktuell prüft. Die Scheune und die benachbarten Grundstücke sind bei aller Problematik auch eine Entwicklungschance für die Gemeinde Jossgrund.

Für Landratskandidat Thorsten Stolz ist die Situation in Pfaffenhausen ein „klassisches Beispiel“ dafür, wie das von ihm geplante Förderprogramm helfen kann. „Aus dem Fördertopf könnten Kommunen wie Jossgrund beim Ankauf solcher Immobilien bezuschusst werden. Denn wenn sie Eigentümer sind, können sie die weitere Entwicklung in ihrer Gemeinde steuern“, weist er abschließend auf die Bedeutung eines „Förderprogramms Ländlicher Raum“ besonders für den östlichen Main-Kinzig-Kreis hin.

Foto: Bürgermeister Rainer Schreiber (links) schildert Landratskandidat Thorsten Stolz (rechts) die Herausforderung einer aktiven Innenentwicklung am Beispiel des Ortskerns von Pfaffenhausen. Beide sind sich einig, dass damit aber auch eine Entwicklungschance verbunden ist.


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