Forsteinrichtung im Forstamt Jossgrund: Falsche Richtung, Chance vertan

Jossgrund
Typographie
  • Smaller Small Medium Big Bigger
  • Default Helvetica Segoe Georgia Times

Im Namen der Kreisverbände von BUND, BVNH, HGON und NABU kritisiert Jörg Nitsch vom Landesvorstand des BUND die Inhalte der neuen Forsteinrichtung, neuerdings Betriebsplanung genannt.



„Wir hatten wesentlich deutlichere Akzente für eine naturnähere Forstwirtschaft und mehr Naturschutz im Bereich des 17.500 ha großen Forstamtes Jossgrund erwartet. Hierzu hatten wir umfangreiche Vorschläge gemacht, diese im 2. Waldforum vorgetragen und auch schriftlich abgegeben. Praktisch nichts davon wurde letztlich im neuen Forsteinrichtungswerk aufgenommen. Das ist mehr als enttäuschend“ fasst Jörg Nitsch die Kritik der Naturschutzverbände zusammen.

Zentrale Kritikpunkte richten sich gegen die Baumartenwahl, die weiter zum Nadelholz hin verschoben werden soll, obwohl im Forstamt Jossgrund bereits heute ein deutliches Übergewicht des Nadelholzes mit ca. 60% zu Ungunsten des angestammten Laubholzes vorhanden ist. Wenn auch in kleinen Prozentsätzen, so soll doch die hier standortheimische Buche Flächenanteile verlieren und die nicht heimische Douglasie perspektivisch von 4 auf 8% in der Fläche zunehmen. Und auch die absehbare „Buchendelle“ im Bestand der Althölzer soll nicht durch verlängerte Umtriebszeiten und Streckung der Endnutzung kompensiert werden, sondern man nimmt sehenden Auges einen Verlust der Altholzbestände in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in Kauf. „Da können wir heute schon vorhersagen, dass die altholzbewohnenden Tier- und Pflanzenarten in Zukunft auch im Forstamt Jossgrund große Probleme bekommen werden“ sagt der erfahrene Ornithologe Winfried Kürschner von der HGON.

„Wir können nicht verstehen, dass trotz all unserer Vorschläge und Eingaben letztlich alles weiterlaufen soll wie bisher und auch noch weitere Verschlechterungen für den Naturschutz vorgeplant wurden. Das widerspricht allen Ankündigungen seitens der Hausspitze des Umweltministeriums, mit der wir exemplarisch am Beispiel des Forstamtes Jossgrund das Verfahren der neuen Forsteinrichtung bereits seit mehreren Jahren begleitet haben. Warum sollen wir uns hier in Zukunft engagieren, wenn das Engagement einfach ignoriert wird“ kritisiert Karl Raab vom HGON-Arbeitskreis Main-Kinzig. Jörg Nitsch verweist auf die guten Erfahrungen, die der Naturschutz seit den 80er Jahren mit dem Instrument der Flurbereinigung in der Offenlandschaft gemacht hat. „Diesen Ansatz hätten wir uns auch unter der neuen Führung des Umweltministeriums für das Instrument der Forsteinrichtung gewünscht, da wurden viele Möglichkeiten vertan und Chancen für den Naturschutz vergeben“.

Besonders kritikwürdig ist der nach wie vor viel zu hohe Rotwildbestand im Bereich des Forstamtes. Ca. 25% der möglichen Einnahmen aus dem Holzverkauf werden durch den weit überhöhten Rotwildbestand zerstört. Bei geplanten Einnahmen von durchschnittlich 1,35 Mio. € pro Jahr kalkuliert man mit Schälschadensverlusten in Höhe von 435.000 € pro Jahr. Hinzu kommen noch die Verbissschäden, die zu konkreten Schäden führen und die Naturverjüngung beeinträchtigen. „Das ist inakzeptabel und sollte einmal durch den Landesrechnungshof überprüft werden“ kritisiert Jörg Nitsch diesen seit Jahrzehnten bekannten Zustand im Forstamt Jossgrund.

Franz-Josef Jobst, NABU-Kreisvorsitzender im Main-Kinzig-Kreis, zeigt sich mit Blick in die Zukunft besonders enttäuscht. Grund hierfür: Die Herausgabe von Unterlagen und Informationen für die in den staatlichen Forstämtern Schlüchtern und Hanau-Wolfgang laufenden Forsteinrichtungsverfahren werden den Naturschutzverbänden verweigert. Die Verbände sehen hierin einen glatten Verstoß gegen das Umweltinformationsgesetz, das dem interessierten Bürger einen breiten Zugang zu umweltrelevanten Informationen gewährleisten will. „Das versteht kein Mensch, wenn die gleichen Unterlagen einmal herausgegeben werden und in den Folgeverfahren nicht. Wir erwarten hier Transparenz und endlich ein Ende mit der Geheimniskrämerei, mit der der Landesbetrieb Hessen Forst sich hinter angeblichen Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen verschanzt“.

Die Verbände fordern abschließend ein offenes und transparentes Verfahren zur Forsteinrichtung, die Offenlage der relevanten Informationen für die Öffentlichkeit und klare Zielsetzungen zugunsten des Naturschutzes im öffentlichen Wald, der letztlich allen Bürgerinnen und Bürgern gehört. „Würden wir Bürger gefragt gäbe es ein klares Votum zugunsten von mehr Naturschutz im Wald“ appelliert Jörg Nitsch für die Verbände an Ministerin Priska Hinz gerichtet.


Ihnen ist etwas Interessantes aufgefallen im Main-Kinzig-Kreis? Schreiben Sie uns an info@vorsprung-online.de