In Wanderschuhen auf Jahrtausende alten Spuren

Linsengericht
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„Wir stehen hier auf dem uns allen bestens bekannten Hufeisen. Aber wisst Ihr denn, wie viele Wege sich um uns herum kreuzen?“

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Naturparkführer Willi Bechtold schaut in die Runde seiner Wandergruppe und beantwortet schließlich seine Frage selbst: „Elf Wege treffen auf diesem historischen Wegekreuz zusammen. Darunter die Birkenhainer Straße, von der Historiker annehmen, dass sie bereits vor 3000 Jahren als Handelsroute genutzt wurde.“ Mit einem Blick in Historie und Geografie des auf 411 Metern Höhe gelegenen Hufeisens und einer Beschreibung der ersten Etappe der „Linsengerichter Grenzwanderungen“ startete Bechtold die anstehende Wanderstrecke, die über die Birkenhainer zur Lützel und wieder zurück führte. Eingeladen hatte der SPD-Ortsverein Linsengericht, dessen Vorsitzender Hans Jürgen Wolfenstädter die Teilnehmer zum Start des ersten Grenzganges begrüßte: „Mit unserem Projekt, die Gemarkungsgrenze der Gemeinde abzugehen, wollen  wir Interessierten die Gelegenheit eröffnen, das Linsengericht jenseits der gängigen Wander- und Spazierwege einmal aus einem ganz anderen, ungewöhnlichen Blickwinkel zu sehen und Ecken kennenzulernen, die wir sonst nicht aufsuchen.“

Natürlich sei es nicht möglich, stets direkt am Grenzverlauf entlang zu wandern, erklärte Bechtold zu Beginn: „Dann müssten wir nämlich durch Gebüsch und Unterholz kriechen oder durchs Wasser waten.“ Anhand einer detaillierten Karte erläuterte der Naturparkführer zunächst den gesamten Verlauf der Linsengerichter Grenze und beschrieb die geografische Lage der Gemeinde, die komplett im Spessart liegt. Insgesamt 2.440 km² ist das Mittelgebirge im Grenzgebiet Hessen/Bayern groß, davon liegen rund 800 km² im Hessischen, lernen die Wanderer. Seine äußere Begrenzung kann man sich, so Bechtold, mit einem kleinen Spruch ganz einfach merken: „Kinzig, Sinn und Main schließen rings den Spessart ein.“

Bevor die Wandergruppe zu ihrer ersten Tour aufbrach, gab es zunächst einen Einblick in die Historie des Hufeisens und der Birkenhainer Straße. Erstmals urkundlich erwähnt wird das Wegekreuz im Jahre 839, ein zentraler Platz an der Birkenhainer, vermutlich für Werkstätten und den Austausch der Vorspanntiere für den Aufstieg zum Kreilberg. „Ausschlaggebend hierfür war die ausreichende Wasserversorgung über die Quellen am Abhang zur Lützel und die uns heute noch mit Wasser von bester Qualität versorgen“, so Bechtold.

So vertraut Einheimischen wie auswärtigen Ausflüglern das Hufeisen und die Birkenhainer auch scheinen, vor dem Start zur ersten Etappe der „Linsengerichter Grenzwanderungen“ wurde rasch allen Beteiligten klar, dass es noch vieles zu erfahren gab. Kaum bekannt, dass der bedeutende Handelsweg, der über das Wegekreuz verläuft, wohl bereits vor 3000 Jahren genutzt wurde. Auch verbindet er nicht nur, wie landläufig angenommen, über rund 80 Kilometer Hanau mit Gemünden, sondern ist ein durch den Spessart verlaufendes Teilstück der „viel, viel größeren Straße von Wien, durch Böhmen, über Nürnberg und Frankfurt bis nach Antwerpen mit seinem großen Hafen. Waren aller Art - sogar Vieh – wurden auf diesem Handelsweg über hunderte von Kilometern transportiert“, ließ Naturführer Bechtold das lebendige Treiben auf der Birkenhainer aufleben. Im 15. / 16. Jahrhundert seien die Frammersbacher Fuhrleute auf der Straße dominierend gewesen, und schon die Römer hätten den unteren – bayrischen - Teil der Strecke genutzt. Wohl einer der berühmtesten Nutzer der Straße sei Napoleon gewesen, der hier auf seinem Feldzug nach Russland entlang zog.

Schließlich ging es – mit viel neuen Erkenntnissen im Gepäck – auf den Weg in die Lützel. Im Forstbezirk 1 verlässt die Linsengerichter Grenze die Birkenhainer und führt nach Westen. Markante Punkte dieses Abzweigs sind eine stattliche alte Buche sowie Grenzsteine. So wichtig Willi Bechtold die historischen Informationen rund um die Wanderstrecken, die er führt, sind. Auch andere Themen spricht er gerne an. Daher wurden auf dem Weg Hufeisen – Lützel – Hufeisen auch verschiedene, oft rein physikalische Phänomene, u.a. über Wasser und Bienen, erörtert. Zum Abschluss, während des Aufstiegs zum Hufeisen, passierten die Wanderer den Hainborn, eine der Quellen, die bis heute für frisches Spessart-Wasser sorgen.

Mit vielen, neuen Informationen und in der Kenntnis, wie ein erster Abschnitt der Linsengerichter Grenze verläuft, erreichte die Wandergruppe ihr Ziel Hufeisen. Den Aufstieg hatten sie gestärkt in Angriff genommen, denn eine ausgiebige Rast hatte nicht gefehlt. „Das ist eine der Besonderheiten unseres Wander-Projekts der etwas anderen Art“, so Hans Jürgen Wolfenstädter. „Nicht nur, dass wir einmal ganz neue Wege gehen. Wir wollen auch das Gesellige pflegen und laden daher bei jeder unserer geplanten fünf Etappen zu einer gemütlichen Rast ein. Dieses Mal war es eine gemütliche Vesper an der Waldarbeiterhütte in der Lützel. Und auch für die nächste Tour gibt es bereits eine schöne Idee, wie wir unsere Wanderer an der Strecke kulinarisch verwöhnen können.“

Wie die „Linsengerichter Grenzwanderungen“ weitergehen, steht terminlich noch nicht fest. Dies wird rechtzeitig, so der SPD Ortsvereinsvorsitzende, öffentlich bekannt gegeben.

Foto: Vor dem Start zur ersten Etappe der „Linsengerichter Grenzwanderungen“ auf dem Hufeisen: SPD-Ortsvereinsvorsitzender Hans Jürgen Wolfenstädter begrüßt die Wanderer. Naturparkführer Willi Bechtold (Dritter von rechts) gibt interessante Einblicke in Historie und Geografie der Wandertour.

Foto: Gemütliche Vesper an der Waldarbeiterhütte in der Lützel bei bestem Wanderwetter. Eine willkommene Rast vor dem Anstieg aufs Hufeisen.


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