„Wir waren geachtet, bevor dies alles losging in den 30er Jahren“

Hochstadt
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Mit einer Staffel von Videointerviews beeindruckte der Mainaler Verein Brüder-Schönfeld-Forum e.V. am Internationalen Museumstag 2017.



In einer Veranstaltung des Vereins Heimatmuseum Maintal e.V. im Gemeindehaus Hochstadt erzählten drei  Überlebende der Shoah aus ihrer Kindheit in Wachenbuchen. Einfühlsam und prägnant wurden die englischen Texte von Mitgliedern des Jungen Theaters Wachenbuchen anschließend auf Deutsch vorgetragen.

Die Videos stammen aus den 90er Jahren des letzten Jahhunderts und sind für ein Projekt des Regisseurs Steven Spielberg entstanden. Der Verein Brüder-Schönfeld-Forum hatte im vergangenen Jahr von der Universität Südkalifornien die Vorführlizenzen erworben. Fanny Reinhardt, Simon Strauß und der mit diesem nicht verwandte Lothar Strauß berichten in den Interviews über das eher ärmliche Landleben im 1300 Seelen-Dorf Wachenbuchen, heute Maintals kleinstem Stadtteil. Sie schildern, wie schon die Kinder durch Gartenarbeit, Hühnerhaltung, Handarbeit usw. „auf Trab“ gehalten wurden und anfangs ohne elektrischen Strom und fließend Wasser auskommen mussten. „Wir waren nicht verwöhnt.“ oder „Wir haben das nicht als Mangel empfunden.“ lauten typische Aussagen.

Was die politischen Verhältnisse in jener Zeit angeht, so empfanden die noch während des Ersten Weltkriegs geborenen Fanny Reinhardt und Simon Strauß die Situation in Wachenbuchen anfangs als eine unproblematische Mischung zwischen Juden und Nicht-Juden, gekennzeichnet von Achtung und guter Nachbarschaft. Anders der 1927 geborene Lothar Strauß: Er beklagte, in Wachenbuchen keinen Freund gehabt zu haben und in der Schule ins Abseits gestellt worden zu sein. Erst in Dörnigheim, wohin die Familie 1934 gezogen war, habe er freundlichere Verhältnisse vorgefunden. Allerdings hat ihn und seine Eltern das nicht vor der späteren Deportation bewahrt. Nur durch glückliche Umstände und anders als seine Eltern hat Lothar Strauß die Lager Theresienstadt, Auschwitz und Dachau überlebt.

Im Anschluss an die Filmauschnitte entspann sich unter den Veranstaltungsbesuchern eine Diskussion, in wieweit die Einwohner von Wachenbuchen die nationalsozialistische Zeit genügend aufgearbeitet haben. Der Vorsitzende des Brüder-Schönfeld-Forums, Herbert Begemann, will eine „merkliche Reserviertheit“ festgestellt haben, zeigte sich aber zuversichtlich, dass die insgsamt mehr als fünf Stunden umfassenden Video-Interviews in absehbarer Zeit auch in Wachenbuchen zu sehen sein werden.


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