Den Nerv der Zeit getroffen

Windecken
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Anlässlich des Reformationsjubiläums widmet die evangelische Kirchengemeinde Windecken den historischen Aspekten der Reformation zwei Vorträge.



Referent ist der Historiker Erhard Bus. Am 12. März ist das Thema: „Deutschland und Europa im Zeitalter der Reformation“. In Deutschland lebten damals knapp 15 Millionen Menschen, die weitaus meisten von ihnen in kleinen Dörfern. Sie standen in persönlicher Abhängigkeit zu einem Feudalherrn (Adel und Kirche), dem Abgaben und Fron zu leisten war. Städte waren urbane Inseln mit Handel und Gewerbe. Doch Großstädte im heutigen Sinn gab es gar nicht. Köln zählte kaum 50.000, Frankfurt etwa 12.000 und Windecken nur knapp 800, die meisten Dörfer noch weit weniger Einwohner.

Mitteleuropa litt unter einer Reihe von Krisen. Zudem nahm die Kritik an der Kirche zu. Viele beanstandeten die Vetternwirtschaft bei der Besetzung kirchlicher Ämter, die mangelhafte Ausbildung und schlechten Lebenswandel vieler Kleriker, Reliquienkult und die angebliche Käuflichkeit von göttlichen Gnadenmitteln. Martin Luther (1483-1546), Lehrstuhlinhaber für Altes und Neues Testament in Wittenberg, traf den Nerv der Zeit, als er am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen zur Diskussion versandte und an die Pforte der Wittenberger Schlosskirche schlug.

Später konkretisierte er in zahlreichen Druckwerken seine Kritik an den Praktiken der alten Kirche und verschärfte damit die Gegensätze. Seine Übersetzung der Bibel förderte nicht nur das Entstehen einer einheitlichen deutschen Hochsprache, sondern sie erleichterte auch den Zugang zu ihrem Inhalt. Doch die damit in Gang gesetzte Reformation brachte nicht nur Fortschritte in vielen Bereichen des kirchlichen und des gesellschaftlichen Lebens, sie war ebenso Anlass für zahlreiche Probleme und kriegerische Konflikte sowohl im Reich als auch in anderen europäischen Staaten.

Am 19. März wird der Referent die regionalen Ereignisse der Reformationszeit mit dem Vortrag „Die Reformation in der Grafschaft Hanau-Münzenberg – eine lange Auseinandersetzung um den rechten Glauben“ in den Blick nehmen. Anders als in vielen Regionen des Reichs war die konfessionelle Frage in der Grafschaft Hanau-Münzenberg relativ lange unklar: Adolf Arbogast wurde 1523 als Pfarrer nach Hanau berufen, wo er als erster Geistlicher mit reformatorischem Ansatz wirkte und damit die Kirchenverbesserung in der Grafschaft vorbereitete. Einige Jahre später kam Philipp Neunheller nach Hanau. Er führte die Reformation weiter und legte so die Basis zu einer eigenständigen verfassten Kirche. Sein Katechismus lehnte sich eng an Luthers Kleinen Katechismus an. Dagegen waren seine Kirchenordnung und Abendmahlslehre stärker von Schweizer Reformatoren beeinflusst. Neunheller gab den Zölibat auf und heiratete 1542 eine Windeckerin. Der Lutheraner Nikolaus Krug wurde sein Nachfolger.

Philipp Ludwig II. (1576-1612) gelangte 1596 auf den Grafenstuhl und setzte eine an den Lehren von Johannes Calvin (1509–1564) orientierte Kirchenverfassung durch, die sich sichtbar deutlicher als bei Luther von den Vorstellungen der vorreformatorischen Kirche absetzte. Und nicht zuletzt zur Stärkung der reformierten Konfession holte der junge Graf aus den Niederlanden stammende Glaubensflüchtlinge nach Hanau und gründete mit ihnen die Neustadt. Im Jahr 1540 kam mit Johann Widmann der erste protestantische Pfarrer nach Windecken und mit seiner Frau Elisabeth die erste Frau eines Pfarrers ins Hanauer Land. Mit Georg Fabricius sollte 1595 einer der wichtigsten Theologen der Epoche im Hanauischen ins Windecker Pfarrhaus einziehen.

Im Vorfeld der Veranstaltungen ist das evangelische Gemeindehaus ab 14.30h geöffnet und es wird Kaffee und selbstgebackener Kuchen gegen eine Spende zugunsten der Ausstattung des Hauses angeboten. Die Vorträge beginnen um 15.30 Uhr im Gemeindehaus in der Eugen-Kaiser-Straße 35a in Nidderau. Das Haus ist barrierefrei. Der Eintritt ist frei, um eine Spende zur Finanzierung der Vorträge wird gebeten. Weitere Informationen im evangelischen Pfarramt, Tel. 06187/ 3775, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.


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