„Auf einem Pilgerweg scheinen die Probleme zu verschwinden“

Nidderau
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Durch eine alte Hohl, heute die Verlängerung der Eicher Straße, führt die Bonifatius-Route, gesäumt von alten Wildkirschenbäumen, von Windecken zum Ohlenberg auf rund 170 Meter Höhe hinauf.



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Da dürstet so manchen, wenn er an der Stempelstelle am Hof Buchwald ankommt. „Für Christenmenschen ist Gastfreundschaft eines der höchsten Güter“, sagt Silke Vogel. Auch wenn der Hof Buchwald kein Ausschankbetrieb ist, „ein Glas Wasser gibt es für Pilger immer“, sagt die 46-Jährige. Selbst wenn noch so viel zu tun ist. Und es ist immer viel zu tun. Die Landwirtin bewirtschaftet einen Biobetrieb mit 128 Hektar mit der Hilfe von zwei festangestellten Mitarbeitern und etlichen Helfern in Nidderau, es werden Rinder- und Schweine in Bioqualität gemästet, dazu sorgt sie sich um den Verkauf der frischen Eier aus dem Hühnermobil und organisiert den Saisongarten. Saisongarten? Parzellen, auf denen Menschen, die kein eigenes Grundstück haben, Kraut und Rüben bewirtschaften können. Im Frühjahr werden die Parzellen angelegt - und ab Mitte Mai für Gemüse, Kräuter, Salate nach Gusto den Nutzern pro Parzelle auf rund 80 Quadratmetern zur Verfügung gestellt - gegen einen einmaligen Saisonbeitrag.

Überzeugte Netzwerker
„Ich bin hier die Chefin“, lacht die 46-Jährige. Doch die Frau, die mit beiden Beinen auf dem Boden steht, und ihr Mann Rainer, von Beruf Agraringenieur und Erster Stadtrat in Nidderau, sowie ihre drei erwachsenen Kinder verstehen sich zuvorderst als Netzwerker. So stellt denn auch seit Januar dieses Jahres der Verein „Freundeskreis Hof Buchwald“ die Manpower, wie Silke Vogel sagt, wenn es um Führungen für Schulklassen ebenso wie für Erwachsenengruppen geht. Kaum ein Tag vergeht, dass nicht Kinder, Jugendliche, Senioren über den Hof geführt werden, der unter anderem zum Verbund der Biohöfe im bundesweiten Netzwerk Demonstrationsbetriebe Ökologischer Landbau gehört. Auch wenn Silke Vogel nicht mehr als Religionslehrerin aktiv ist und ihr Engagement im Vorstand der Evangelischen Kirchengemeinde ob all der Aufgaben auf dem Hof zurückfahren musste: die Verbindung von Glauben und Natur zu vermitteln, ist ihr und der Familie eine Herzensangelegenheit.

„Die Familie Vogel war von Anfang an dabei, als es galt Orte zu finden, wo wir längs der Bonifatius-Route Informationstafeln aufstellen und Stempelstellen einrichten könnten“, erinnert sich Julia Huneke vom Vorstand des Vereins Bonifatius-Route. Als sie mit Silke Vogel am 15. Mai das hölzerne Kästchen öffnet, sind sie verblüfft. Denn neben Stempel und Stempelkissen finden sie zwei Bögen Papier: dicht bedruckt mit dem Ablauf, den sich eine Pilgergruppe individuell für die rund 180 Kilometer lange Strecke zusammengestellt hat. Vom 1. bis 12. Mai war diese auf dem Weg unterwegs. Dem Weg, der der Strecke folgt, den der Trauerzug nahm, der im Jahr 754 den Leichnam des heiligen Bonifatius von Mainz zu seiner letzten Ruhestätte im Dom zu Fulda begleitete.

Ob die Pilger beeindruckt von der Panaromastation nur zwei, drei Meter von dem Stempelkasten die persönlichen Notizen vergessen haben? Man könnte es nachvollziehen, bietet doch der Blick von der Anhöhe bei gutem Wetter die Aussicht in den Spessart, nach Frankfurt, auf den Glauberg und bis in den Odenwald. Mit dem großen Vorteil, dass an dem Rastplatz kleine beschriftete Metalltafeln einen „verorten“ und mit Kurzinformationen dem Betrachter erklären, was sein Auge in der jeweiligen Himmelsrichtung erkennen kann.  Ein Platz, der zum Verweilen einlädt. Der ein oder andere Pilger, der auf der Etappe seine Brotzeit vergessen hatte, habe da auch schon mal den örtlichen Pizzadienst angerufen. Es gibt noch einen anderen Platz auf dem Hof Buchwald, der jene Menschen besonders anzusprechen vermag, die auf der an Kultur- und Naturerlebnissen reichen Bonifatius-Route nach einem besonderen spirituellen Erlebnis suchen: die interreligiöse Feldkapelle „FundOrt“. Ein Dach hat sie nicht, auch keine Mauern. „Sie ist der geographische Mittelpunkt von Nidderau“, erklärt Otto Löber. Unter einem Sonnenhut trägt der evangelische Pfarrer ein leuchtend gelbes T-Shirt mit der Aufschrift „KulturHöhe“ Nidderau. Ein geographischer Mittelpunkt, der durch bislang fünf Gabionen eingekreist ist. Gabionen, die mit historischen Steinen aus den fünf Stadtteilen gefüllt sind. Doch das macht den FundOrt noch nicht zu einem spirituellen Ort. „Es ist ein Platz, an dem viele Kulturen vor uns gelebt haben. Ein Ort, der uns gebietet, vor diesen Respekt zu haben“, sagt der 64-Jährige. Ein Ort, in dessen Mitte in einem von einem Künstler gestalteten Holzstamm seit 2014 die Worte „Möge Frieden auf Erden sein“ eingraviert sind - in vier Sprachen, zur Erinnerung an den Beginn des Ersten Weltkriegs. Ein Ort, an dem Gottesdienste gefeiert, Kinder getauft werden und das Feuertheater Sancto Petrolio seine Premieren feiert.

„Auf der Bonifatius-Route zu laufen“, sagt Pfarrer Otto Löber, der schon mehrfach auf dem Jakobsweg unterwegs war, „braucht keine lange Urlaubsplanung, keine weite Anreise und eröffnet einem doch die Möglichkeit, die Welt neu zu erfahren. Denn für eine Strecke, die man mit dem Auto in wenigen Minuten bewältigt, braucht man zu Fuß Stunden. Eine Zeit, in der man ein völlig anderes Körpergefühl bekommt. Dabei geht es nicht um Power, sondern um eine kontinuierliche Belastung. Das Gute am Pilgern ist, dass sich auf dem Weg Probleme zu zerbröseln scheinen.“ Umso bedauerlicher, dass manch pilgerndem Zeitgenossen nicht nur der Stempeldruck in seinem Pilgerausweis genügt, sondern der Stempel als Souvenir entwendet wird. Julia Huneke: „Auch, wenn wir die Stempelstellen so ausgewählt haben, dass sie unter `Beobachtung‘ stehen, kommt das leider häufig vor.“ Das bedauert auch Landwirtin, Religionslehrerin und gläubige Protestantin Silke Vogel. Ist doch auf dem Stempel des Bio-Hofes, der auf dem historischen Bonifatiusacker entstanden ist: „Hof Buchwald wünscht Ihnen Gottes Segen für Ihren weiteren Weg.“ Info über Hof Buchwald unter: www.Hof-Buchwald.de und www.bonifatius-route.de , (Text: Corinna Willführ)

Foto: Ein Ort zum Innehalten: die interreligiöse Feldkapelle „FundOrt“. Für Pfarrer Otto Löber, Julia Huneke vom Vorstand des Vereins Bonifatius-Route und Silke Vogel vom Hof Buchwald bietet der Platz am Friedenspfahl nicht nur eine wunderbare Aussicht, sondern auch ein besonderes spirituelles Erlebnis. (Foto: Corinna Willführ)


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