Bogensport-Experte trainiert Schauspieler Jürgen Vogel für Kinofilm

Sannerz
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Wie waren die Existenzbedingungen für Menschen in Europa vor 5300 Jahren? Ötzi, der 1991 von Wanderern entdeckte Mann aus dem Eis, gibt darüber Aufschluss. Dass man wehrhaft sein musste, beweisen Pfeil und Bogen, die er mit sich trug. Nun wurde Ötzis spannende Geschichte mit Jürgen Vogel in der Hauptrolle ins Kino gebracht.



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Bogenexperte Peter Berhorst (38), der aus dem Sinntaler Ortsteil Sannerz stammt, hat mit dem Schauspieler den Umgang mit der steinzeitlichen Waffe geübt und wird am Freitag, 22. Dezember, im Kuki Schlüchtern über seine Erlebnisse berichten. Unsere Zeitung sprach im Vorfeld mit ihm.

Haben Sie heute schon einen Bogen in der Hand gehabt?
Peter Berhorst: Klar! Ich betreibe hier auf Sylt eine Bogenschule. Der Unterricht geht erst im März wieder los, aber wir bauen und verkaufen natürlich auch Bögen. Insofern habe ich heute einige Bögen aus Rattan und Flachbögen aus Hickoryholz geprüft und verpackt. Auf besonderen Wunsch eines Kunden habe ich einen der Bögen mit rot pigmentiertem Öl behandelt. Er sieht jetzt sehr besonders aus.

Sie haben auch die Bögen für die Schauspieler gebaut, die im Kinofilm „Der Mann aus dem Eis“ auftreten. Worauf haben Sie dabei geachtet?
Peter Berhorst: Insgesamt habe ich vier verschiedene Bogentypen gebaut, denn im Film gibt es drei Clans, die auch an ihren Waffen zu erkennen sind. Insofern habe ich drei Arten von Flachbögen hergestellt und eine Stabbogen-Variante. Insgesamt habe ich 24 Bögen gemacht und dafür Hickoryholz verwendet. Nur Ötzi bekam einen Spezialbogen aus Eibe.

Was ist das Besondere an der Eibe?
Peter Berhorst: Die Eibe ist eine mystische Pflanze und die älteste Baumart Europas. Sie gilt als Vermittlerbaum zwischen der Welt der Lebenden und der Toten, weswegen sie oft auf Friedhöfen zu finden ist. Alle Pflanzenteile bis auf Samenmantel und Pollen sind sehr giftig, und das Holz ist perfekt zum Bogenbau geeignet. Im Mittelalter wurde der englische Langbogen so oft gebaut, dass die Eibe in ihrem Bestand bedroht war. Heute steht der Baum unter Naturschutz. Das Holz lässt sich wunderbar verarbeiten und sieht unglaublich toll aus. Die Eigenschaften der Eibe sind für den Bogenbau bestens: Das rote Kernholz lässt sich gut zusammendrücken und der weiße Splint ist sehr elastisch und dehnbar.

Wie hat sich Jürgen Vogel beim Bogenschießen angestellt?
Peter Berhorst: Super! Alle Schauspieler waren richtig fit. Für mich waren das zwei absolut aufregende Tage am Set in Österreich. Ich wurde von dem Schauspieler Sabin Tambrea mit Sack und Pack am Flughafen abgeholt, und dann ging es über Serpentinen ins Passeiertal. Am Set habe ich mir alles anschauen dürfen. Und die Begegnung mit Jürgen Vogel war sehr eindrucksvoll. Er ist von geringer Körpergröße, aber dennoch eine Erscheinung. Und sehr professionell. Schauspieler sind es gewohnt, mit ihrem Körper zu arbeiten. Insofern haben alle die Bewegungsabläufe schnell und gut umsetzen können.

Was lehrt der Umgang mit Pfeil und Bogen?
Peter Berhorst: Die intuitive Abstimmung von Bewegungsabläufen und Gefühl. Kontrolle behalten, aber auch loslassen können. Den Kopf ausschalten. Es gibt Gäste in der Bogenschule, die in Tränen ausbrechen, weil sie durch den Bogensport ihre innere Anspannung loswerden. Ein Ziel anvisieren, die Sehne spannen und im richtigen Moment loslassen, das ist auch eine Art Meditation. Bogenschießen ist ein Sport, der sich auch zu therapeutischen Zwecken einsetzen lässt. Und nahezu jeder kann ihn ausüben – auch Menschen im Rollstuhl.

Wann haben Sie zum ersten Mal einen Bogen in der Hand gehalten?
Peter Berhorst: Da muss ich neun oder zehn gewesen sein – zu Hause in Sannerz. Mein Vater war ja mit dem Bogenbau-Virus infiziert, seit er im Freilichtmuseum Oerlinghausen ein steinzeitliches Bogenbau-Seminar besucht hatte. Und irgendwie hat sich diese ganze Faszination und Begeisterung auf mich übertragen.

Glauben Sie, dass sie als Mensch des 21. Jahrhunderts in einem steinzeitlichen Umfeld überleben könnten?
Peter Berhorst: Ich hätte es vermutlich etwas einfacher als andere, aber es wäre immer noch eine verdammt harte Nuss (lacht). Hier oben auf der Insel im Norden wäre ich vermutlich schon erfroren. Ich bin sehr froh, dass ich ein warmes Häuschen habe und genug Essen im Kühlschrank. Es gibt ja heute noch in fernen Erdenwinkeln wie Papua-Neuguinea Urvölker, die ihr Leben als Jäger und Sammler fristen. Aber die haben auch tropisches Klima.

Wie finden Sie das Resultat der Dreharbeiten? Gefällt Ihnen der Kinofilm über Ötzi?
Peter Berhorst: Es ist ganz anderes Kino als man es kennt. Der Produzent Jan Krüger spricht von einem Independent-Film. Und so ist es auch: Die Bilder sind eindrucksvoll, und die Kommunikationsweise, die weitgehend auf Sprache verzichtet, ist es auch. Dem Zuschauer wird viel Raum zum Nachdenken gegeben. Und offenbar bewegen die Menschen schon seit Jahrtausenden die gleichen Themen: Habgier, Liebe, Rache und Vergebung.

Bogensport-Experte Peter Berhorst ist am Freitag, 22. Dezember, 19.30 Uhr, zu Gast beim Kuki im Gemeindezentrum, Kirchstraße 32, in Schlüchtern. Auf dem Programm steht der Kinofilm „Der Mann aus dem Eis“ mit Jürgen Vogel in der Hauptrolle. Tickets im VVK online über www.kukikino.de und über die KUKI-Vorverkaufsstellen, Schlüchtern: Ticketshop der Kinzigtal Nachrichten, Steinau: Brüder Grimm-Bücherstube, Flieden: die2 Küche+Design, Sterbfritz: Hölzer Kommunikation, Wächtersbach: Buchhandlung Dichtung & Wahrheit.

Weitere Infos im Internet unter www.kukikino.de und Service-Telefon: 06661-608410.


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