Trump-Wahl: „Ich habe es für möglich gehalten“

Politik
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„Ich habe es für möglich gehalten“, sagt der deutsche Ökonom Rüdiger Bachmann zur Wahl von Donald Trump zum zukünftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Seit 2001 lebt der gebürtige Hasselrother in den USA und hat derzeit an der „University of Notre Dame“ in South Bend im Bundesstaat Indiana eine Professur für Wirtschaftswissenschaften inne.



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In den vergangenen Monaten bekam der 41-Jährige den für deutsche Verhältnisse außergewöhnlich aggressiven Wahlkampf hautnah mit, wie die meisten Experten rechnete aber auch Bachmann bis zum Schluss mit einem knappen Wahlsieg von Hillary Clinton.

Herr Professor Bachmann, Donald Trump wird der 45. Präsident der USA. Wie hört sich das für Sie an?
Prof. Rüdiger Bachmann: „Schon etwas surreal.“

Hätten Sie diesen Wahlausgang für möglich gehalten?
Bachmann: „Man musste Clinton für die Favoritin halten, und wenn man sich die Gesamtzahl der Stimmen anschaut, dann scheint sie ja auch knapp gewonnen zu haben. Das reicht jedoch nicht im amerikanischen Wahlsystem. Aber ja, ich habe es für möglich gehalten, und zwar schon vergangenen Herbst. Wir Ökonomen nennen das das ‚Chicken-Spiel‘, das man aus alten Hollywood Filmen kennt, wenn zwei Halbstarke mit Autos aufeinander zurasen und erst im letzten Moment ausweichen. Der, der ausweicht, ist dann das Chicken, der Feigling. Nun genau das ist bei den Vorwahlen der Republikaner nicht passiert, denn zu viele der hinter Trump Platzierten gaben nicht früh genug auf. Es gab einfach keinen klaren zweiten Platz damals. Und dann kam es zum Unfall. Das konnte man damals zumindest als Möglichkeit vorhersehen und war meine Sorge. Was jetzt die Hauptwahl angeht, hat mich immer eine Sache stutzig gemacht: nach jedem Skandal sanken Trumps Werte, aber er kam immer wieder zurück. Er war wie ein Untoter.“

Genau, es gab Skandale, Anfeindungen, ja sogar Rassismus - in Deutschland kam kein gutes Bild vom zukünftigen US-Präsidenten an. Ist er wirklich so gefährlich?
Bachmann: „Ich hoffe nicht. Meine Trump-Theorie ist, dass er Internet-Trolling, also das Posten der bloßen Aufmerksamkeit wegen, zur politischen Strategie perfektioniert hat. Berlusconi in Italien war dafür ein Vorläufer. Von daher weiß man nicht wirklich, wie er wirklich ist, glaube ich. Es gilt jetzt das Prinzip Hoffnung.“

Gegen Hillary Clinton hat bis kurz vor der Wahl ja sogar das FBI ermittelt. Wäre Sie wirklich die bessere Präsidentin gewesen?
Bachmann: „Handwerklich wahrscheinlich schon.“

Die älteste Demokratie der Welt spuckt am Ende die Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Donald Trump aus – müssen wir uns Sorgen machen um Amerika?
Bachmann: „Wir sollten uns generell Sorgen um die westliche Demokratie, unsere offene Gesellschaft und unser Wirtschaftssystem machen.“

Verraten Sie uns, wen Sie gewählt hätten?
Bachmann: „Hillary Clinton, schweren Herzens.“

Jetzt will Donald Trump ein Präsident für alle sein und Republikaner und Demokraten wieder versöhnen. Ist das nach diesem Wahlkampf überhaupt möglich?
Bachmann: „Das wird abzuwarten sein. Er könnte zum Beispiel ein massives Infrastrukturprogramm auflegen, das könnte auf beiden Seiten ankommen. Oder er wird eben die Handelspolitik so ändern, dass Leute auf beiden Seiten zustimmen können. Wenn er aber wirklich 10 Millionen Leute deportieren lässt oder eine Mauer an der mexikanischen Grenze baut, dann wird das schwierig.“

Aus Deutschland wurde oft mit Erstaunen auf die Art der Auseinandersetzungen geblickt, kann man einen amerikanischen Wahlkampf mit den politischen Verhältnissen bei uns vergleichen?
Bachmann: „Nur bedingt, es ist halt ein anderes politisches System, das logischerweise auch Wahlkämpfe anders austrägt. Auf der deutschen Seite sind mir die Wahlkämpfe aber auch oft ein bisschen zu fad. Was man allerdings schon als für Deutschland relevant erachten muss, ist die Macht des Populismus, die nahezu verschwundene Kraft von Fakten, sowie der Hass auf Eliten und Experten, und überhaupt auf die anderen, mit einer anderen politischen Meinung. Auf der anderen Seite sollten die Eliten dieser Welt und gerade auch in Deutschland von den Erfahrungen in den USA lernen, dass man Antworten auf die Sorgen der Globalisierungsverlierer, auf Ungleichheiten finden muss, und dass vielleicht auch so etwas Altmodisches wie persönliche Integrität wieder eine größere Rolle spielen muss.“

In Deutschland jubelt die AfD über Trumps Wahlsieg...
Bachmann: „Wie gesagt, ich hoffe, dass die deutschen Eliten aus der amerikanischen Erfahrung lernen und vor allem niemals arrogant sagen: das kann bei uns nicht passieren.“

Sie leben abseits der Großstädte im Bundesstaat Michigan, einer der so genannten „Swing States“, wo der Wahlausgang offen war und den letztlich auch Trump gewann. Hat sich diese Wechselstimmung in Ihrem direkten Umfeld vorab abgezeichnet?
Bachmann: „Ich bin, und das meine ich ernst und ganz unironisch, vielleicht auch Teil der abgehobenen Elite, die keinen Kontakt mehr zu den realen Problem anderer hat. Allerdings gab es schon Hinweise: wenn ich mit meinen Collegestudenten gesprochen habe, die ja Obama mit zum Präsidenten gemacht haben, die konnten sich für Clinton nie richtig erwärmen. Ich habe einen ehemaligen Studenten, dessen Familie ein Unternehmen in der Automobilzulieferindustrie in Ohio besitzt, also einer der Staaten im Mittleren Westen, die an Trump gingen, und der mir berichtet, wie massiv die zunehmende Automatisierung und Computerisierung dort einfache Arbeitsplätze bedroht. Und noch am Vortag der Wahl, am Montag, fand ich es merkwürdig, dass Obama und Clinton in meinem Heimatstaat Michigan und später in Pennsylvania Wahlkampfauftritte hatten, obwohl die Umfragen sie da klar vorne sahen. Die müssen geahnt haben, dass diese Werte nicht stimmen und so war es ja dann auch. Die Wahl wurde im Mittleren Westen bei den Arbeitern und Arbeitslosen verloren, nicht im Süden.“

Was bedeutet der Wahlsieg von Trump nun für Deutschland und Europa?
Bachmann: „Es ist wahrscheinlich, dass Amerika sich weiter isolieren wird und damit sich die Deutschen und Europäer verstärkt um sich selbst kümmern müssen.“

Und für Sie ganz persönlich: Fühlen Sie sich noch wohl in den USA?
Bachmann: „Einen Tag nach der Wahl ja, wie es weitergeht, muss man schauen.“


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