SPD und die GroKo: Degen rückt von Schulz ab

Politik
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Auch unter den SPD-Mitgliedern im Main-Kinzig-Kreis wird kontrovers über eine Fortsetzung der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD in Berlin diskutiert. Wenn die Sozialdemokraten am Sonntag auf einem Sonderparteitag in Bonn über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden, wird auch der Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der SPD im Main-Kinzig-Kreis, Christoph Degen, unter den Delegierten sein. Im Vorfeld nimmt der 37-Jährige Stellung zu den bisherigen Diskussionen und rückt vom SPD-Bundesvorsitzenden Martin Schulz ab.



Sind Sie für oder gegen eine „GroKo“ in Berlin?
Christoph Degen: Ich bin kein Fan der Großen Koalition. Diese muss stets eine Ausnahme sein und darf nicht zur Regel werden. Daher war es aus meiner Sicht am Wahlabend richtig, sich für die Rolle der Opposition zu entscheiden. Ich war allerdings so naiv zu denken, dass Union, Grüne und FDP in der Lage wären, sich zu einigen. Die Luftblase Jamaika ist dann aber unerwartet geplatzt. Für die SPD heißt das, wir müssen mit dem Wahlergebnis umgehen, so wie es ist. Wenn nichts anders mehr möglich ist, führt schweren Herzens wohl kein Weg an der GroKo vorbei. Ich bin aber noch unentschieden und mache meine Entscheidung vom Verlauf des Parteitages, insbesondere von der dort zu führenden Diskussion und der Forderung nach Nachbesserungen abhängig. Wir dürfen nicht vergessen, dass bisher nur Sondierungsergebnisse vorliegen, die eigentlichen Koalitionsverhandlungen stehen ja noch aus.

Wie bewerten Sie das Ergebnis der Sondierungen zwischen CDU/CSU und SPD?
Christoph Degen: Auf den ersten Blick hat mich das Ergebnis sehr enttäuscht, da keine „Trophäen“ enthalten sind. 2013 war das anders. Ich hätte damals nie zu träumen gewagt, dass die SPD gegenüber CDU und CSU die Einführung des Mindestlohns und die Reduzierung des Renteneintrittsalters durchsetzen kann. Allerdings findet sich auch bei genauerem Lesen im jetzigen Sondierungspapier an vielen Punkten eine SPD-Handschrift, wenn auch nicht immer so klar auf den Punkt gebracht, wie das 2013 der Fall war.

Haben Sie schon einen Eindruck, wie das Stimmungsbild unter den Genossinnen und Genossen im Main-Kinzig-Kreis bezüglich einer erneuten „GroKo“ ist?
Christoph Degen: Ja, ich habe die vergangenen Tage mit vielen gesprochen. Gerade die verschiedenen SPD-Neujahrsempfänge boten hier eine gute Gelegenheit. In manchen Ortsvereinen war die Stimmung dabei eher pro GroKo, in anderen eher dagegen. Unterm Strich würde ich sagen im Main-Kinzig-Kreis ist die Stimmung 50:50.

In den sozialen Medien findet man immer mehr Beiträge von heimischen SPD-Mitgliedern, darunter auch Kreistagsabgeordnete, die mit dem Hashtag #NoGroKo versehen sind...
Christoph Degen: Klar, das wäre ja auch schlimm, wenn wir alle wie Lemminge einer Person oder Position hinterherrennen würden. Ich kann jeden verstehen, der dagegen ist, in meinem Inneren sträubt sich auch alles.  Wer sich gegen die GroKo ausspricht, muss dann aber auch sagen, wie es stattdessen weitergehen soll beziehungsweise was die Alternative ist.

Am Sonntag ist der außerordentliche SPD-Bundesparteitag in Bonn. Mit welcher Entscheidung rechnen Sie?
Christoph Degen: Mit einer knappen Entscheidung, in Koalitionsverhandlungen zu gehen, verbunden mit dem klaren Auftrag, dass hier noch nachverhandelt und geliefert werden muss. Bisher gab es erst Sondierungen, das ist noch lange kein zustimmungsreifer Koalitionsvertrag. Wenn es am Ende zu Neuwahlen kommt, weil Frau Merkel nicht bereit ist, Schritte zur Bürgerversicherung zu gehen, dann sollten wir die Entscheidung Pro/Contra Bürgerversicherung den Wählerinnen und Wählern überlassen.

Wie lautet eigentlich Ihre Erklärung für das schlechte Ergebnis bei der Bundestagswahl im September 2017?
Christoph Degen: Auch wenn die Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit richtig war, es ist uns nicht gelungen, das an einigen konkreten Punkten festzumachen. Kostenfreie Kitas, das Rückkehrrecht aus der Teilzeit in die Vollzeit, bessere Bedingungen für die Pflegeberufe - das sind alles Beispiele für das, was im Programm stand, aber nicht rüberkam.

Und was muss passieren, damit die SPD wieder annähernd zu alter Stärke zurückfindet?
Christoph Degen: Wir müssen unsere Ziele und Vorhaben klarer kommunizieren, um die Menschen mitzunehmen.

Bei vergangenen Wahlen mussten schon Spitzenkandidaten trotz deutlich besserem Ergebnis ihren Hut nehmen. Stehen Sie weiterhin hinter Martin Schulz?
Christoph Degen: Ich gehe nicht davon aus, dass Martin Schulz nochmals Spitzenkandidat wird.

Hört sich ja nicht so an, als seien Sie noch von ihm überzeugt...
Christoph Degen: Das kann ich nicht abstreiten.

Kann Martin Schulz SPD-Vorsitzender bleiben oder fordern Sie einen Wechsel an der Parteispitze?
Christoph Degen: Noch fordere ich keinen Wechsel. Aber auf jeden Fall sollte er keinen Ministerposten annehmen, um den Eindruck zu vermeiden, er verhandele deshalb in Richtung GroKo, um selbst davon zu profitieren.

Teilen Sie die Befürchtung, dass die SPD bei einem erneuten Eintritt in die „GroKo“ beim nächsten Mal sogar auf 15 Prozent absackt?
Christoph Degen: Nein, diese Befürchtung teile ich nicht. In dreieinhalb Jahren kann sich viel verändern, auch zum Guten. Sobald Frau Merkel weg ist, wird die Polarisierung zwischen den beiden großen Parteien wieder zunehmen.

Im Herbst sind Landtagswahlen, besteht die Gefahr, dass der SPD-Bundestrend auch auf Hessen und den Main-Kinzig-Kreis durchschlägt?
Christoph Degen: Die Gefahr besteht natürlich immer. Durch die gemeinsame Bundestagswahl mit der Landtagswahl 2013 gingen landespolitische Themen leider komplett unter. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir in Hessen mit unseren Forderungen nach mehr Investitionen in Bildung, Straßen und Wohnungen die richtigen Themen setzen. Dass es auch anders geht, hat die Landratswahl hier bereits im März 2017 gezeigt.


Ihnen ist etwas Interessantes aufgefallen im Main-Kinzig-Kreis? Schreiben Sie uns an info@vorsprung-online.de


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