MIT: Netzbetreiber brauchen Strategie und Planung

Politik
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Der Kreisverband der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Main-Kinzig (MIT) informierte sich in diesem Monat über das Thema „Energiesicherheit und Netzausbau“.



Als Referenten konnten neben Vertretern des regionalen Verteilnetzbetreibers (VNB) der Kreiswerke Main-Kinzig auch Vertreter des Übertragungsnetzbetreibers (ÜNB) TENNET begrüßt werden. In der Diskussionsrunde wurde deutlich, dass die Netzbetreiber sich auf den kommenden Winter besser vorbereitet sehen, da man sich in den zurückliegenden Monaten gezielt auf kritische Netzsituationen vorbereiten konnte. Als nach wie vor schwierigste Netzsituation wurden Starkwind- und Starklastphasen beschrieben. Deutlich wurde jedoch auch, dass durch den steigenden Energietransportbedarf im In- und Ausland, den Abbau von inländischen Kraftwerkskapazitäten und den immer noch stockenden Nord-Süd Leitungsnetzausbau sukzessive eine herausfordernde Situation am deutschen Strommarkt und das empfindliche Stromnetz entsteht. Eine direkte Folge dieser Transformationsphase ist die explodierende Anzahl an Netzeingriffen (sog. Redispatchmaßnahmen), welche erforderlich sind, um das Stromnetz bei Netzengpässen durch Über- oder Unterlast durch externe Eingriffe wieder zu stabilisieren. Die energiepolitischen Entscheidungen der letzten Jahre wirken sich jedoch nicht nur auf die Belastbarkeit der deutschen Stromnetze aus, sondern führen für Verbraucher auch zu immer teureren Strompreisen und Netzentgelten.

„Leider wurde der Netzausbau und die Sicherstellung der Stromversorgung in Deutschland in den zurückliegenden Jahren zu einem immer kostenintensiveren Projekt, welches regelmäßig vor neue Hürden gestellt wird. Eine große Menge an deutschem Steuergeld muss zudem mittlerweile dafür verwendet werden jährlich fast 2.000 Redispatcheingriffe in unser Stromnetz zu finanzieren, um einem Blackout entgegenzuwirken, die gestiegenen Netzentgelte zu subventionieren oder die explodierten Strompreise zu deckeln. Dieses Geld fehlt uns jetzt schmerzlich in der Staatskasse wie wir in den letzten Tagen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes feststellen mussten.

Per Gesetz sind die Übertragungsnetzbetreiber verpflichtet rechtszeitig Netzeingriffe in die Erzeugungsleistung vorzunehmen, um Netzengpässe und Schäden am Stromnetz zu verhindern. Durch diese sog. Stromersatzerzeugungen kommt es zudem aktuell jährlich zu CO2-Mehremissionen von über 1 Mio Tonnen“ berichtet Kreisvorsitzender Patrick Heck.

Der Strombedarf der Bundesrepublik wird sich bis ins Jahr 2045 durch die laufenden Transformationsprozesse im Bereich der E-Mobilität, der klimaneutralen Transformation der Industrie, den Bau von energieintensiven Rechenzentren, die Wärmewende mit dem Einsatz von Wärmepumpen sowie den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur auf jährlich 1.100 Terawatt verdoppeln. Damit diese Transformation gelingen kann benötigt das vorhandene Stromnetz für die flächendeckende Adaptierung von erneuerbaren Energien, eine nahezu Verdopplung der Netzlänge und der Netzkapazität. Allein das bestehende Übertragungsnetz müsste in diesem Zeitraum von 35.000 km durch Trassenneubau um ganze 9.000km wachsen. Im Umkehrschluss bedeutet dieses Szenario, dass die letzten 100 Jahre Ausbau und Entwicklung unseres gewachsenen Stromnetzes in den kommenden knapp 20 Jahren erneut vollbracht werden müssen. Eine in Zeiten von explodierenden Baukosten, dem bekannten Fachkräftemangel und der wachsenden Baubürokratie nur sehr schwer vorstellbaren Zielsetzung.

„Wir wussten bereits, dass es Deutschland an einer Energiespeicherstrategie der Bundesregierung mangelt, durch den Infoabend wissen wir nun auch, dass die Netzbetreiber dringend auf die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung warten. Das Problem einer Politik, die mit Enddaten arbeitet, ohne eine Strategie zur Erreichung dieser Ziele zu besitzen, schafft kein Vertrauen, sondern fortlaufend neue Probleme. Abschließend ist festzuhalten, dass die Bundesregierung nicht permanent tiefgreifende Transformationsprozesse unserer Wirtschaft und Gesellschaft einleiten aber dann nicht ordentlich zu Ende führen kann. Die Vielzahl an schlecht moderierten Transformationsprozessen der Bundesregierung stellt im Ergebnis ebenfalls eine Gefahr für den Standort Deutschland, seine Industrie und seiner Zivilgesellschaft dar“ erklärt Kreisvorsitzender Patrick Heck.

Nach Ansicht der MIT Main-Kinzig handelt es sich beim Enddatum 2045 um eine utopische Zielsetzung und ein im vorgegebenen Zeitraum nicht ohne deindustrialisierende Auswirkungen und gesellschaftliche Konflikte zu durchlaufenden Prozess.


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