"Zurückgelassen und abgehängt": Kreistag debattiert über Bauerndemos

Politik
Typographie
  • Smaller Small Medium Big Bigger
  • Default Helvetica Segoe Georgia Times

Die Bauerndemos sind nun auch im Kreistag angekommen: "Ländlicher Raum: Landwirte, Unternehmen und Bürger durch politische Entscheidungen zurückgelassen und abgehängt", lautete der Titel einer Aktuellen Stunde, die die Freien Wähler beantragt hatten. „Es ist Wettbewerbsverzerrung, wenn wir hier unsere Landwirte schwächen und die Bauern in anderen europäischen Ländern weiter subventioniert werden“, so der Fraktionsvorsitzende Carsten Kauck.



Anlässlich von CO2-Abgabe und Lkw-Maut wundert es Kauck auch nicht, dass sich mittelständische Betriebe den Protesten anschließen. „Wir sollten uns an die Seite unserer Landwirte, Unternehmen und Bürger stellen“, forderte Kauck zudem die Bundestagsabgeordnete Bettina Müller (SPD) direkt auf, zu den Plänen der Bundesregierung Position zu beziehen und lud sie für einen Austausch in seine Heimatgemeinde Birstein ein.

Weiter zurück blickte Michael Göllner (SPD): „Das Höfesterben hat schon seit Kriegsende begonnen, nach dem Motto wachse oder weiche.“ Mit der Technisierung hätten die landwirtschaftlichen Kleinstbetriebe keine Chance mehr. Göllner erinnerte auch daran, dass es schon Ende der 1960er Jahre Demonstrationen von Landwirten gegeben habe: „Wer als Landwirt existieren will, muss mit der Zeit gehen oder geht mit der Zeit.“ Neben den Einkommensmöglichkeiten müsse aber auch über gute Arbeitsbedingungen und vor allem regionale Wertschöpfungsketten gesprochen werden.

„Die Landwirte haben nur ein Problem: Sie schaffen es nicht, ihre gestiegenen Preise weiterzugeben“, so die Ansicht von Reiner Vogel (Grüne). „Wir wäre es denn, wenn wir einfach mal versuchen, die höheren Preise am Markt durchzusetzen? Wir führen seit 2 Jahren Krieg und der kostet Geld. Da sollte jeder seinen Teil dazu beitragen“, äußerte er ein „eingeschränktes Verständnis“ für die Bauerndemonstrationen. Das eigentliche Problem der Landwirte sei zudem der niedrige Weizenpreis: „Im Vergleich dazu sind die Kosten für den Diesel Peanuts.“

Gegen eine Emotionalisierung von Debatten sprach sich Daniel Protzmann (FDP) aus: „Entweder ist man Nazi oder Gutmensch, dazwischen gibt es nichts mehr.“ Bei den Maßnahmen sieht er einen Spagat zwischen den Entscheidungen der Bundesregierung und der Situation vor Ort: „Wir müssen die Entscheidung von oben hier kommunizieren und auch den Arsch in der Hose haben, dazu zu stehen.“ Als falsch bezeichnete weiterhin Max Schad (CDU) die Pläne der Ampel-Koalition und sprach von der schlechtesten Bundesregierung aller Zeiten: „Die Landwirte haben nun mal keine Alternative zum Dieseleinsatz“, betonte er aber auch, dass Radikalismus in der Debatte und auch bei den Demonstrationen nichts zu suchen habe.

Den Abschied vom romantischen Bauernhof verkündete Andreas Müller (DIE LINKE): „Welche Subventionen landen tatsächlich bei den Bauern und nicht bei Großkonzernen?“, sei die Landwirtschaft aber ebenso wie der Verkehr beim Kampf gegen den Klimawandel dringend notwendig. Er warnte ebenfalls davor, dass die Bauernproteste nicht von Rechtsextremen gekapert werden. Für Gertrud Schreiber (AfD) entscheiden die falschen Politiker: „Die Bauern werden bevormundet von Leuten, die mit der Landwirtschaft nie etwas zu tun hatten.“

Das Schlusswort in der Debatte hatte Landrat Thorsten Stoltz (SPD): „Es gibt ein gutes Miteinander zwischen dem Main-Kinzig-Kreis und den Vertretern der Landwirtschaft vor Ort.“ Er störte sich an der Formulierung von Kauck „der ländliche Raum brennt“. „Wenn Sie ganz konkret hier im Kreistag unterstützen wollen, stimmen sie für den Doppelhaushalt 2024/2025“, würden damit viele wichtige Projekte gefördert. Zudem sollten die Kreispolitiker für Projekte wie beispielsweise ein Güllelager auch vor Ort einstehen, wenn dafür alle Genehmigungen vorliegen.


Ihnen ist etwas Interessantes aufgefallen im Main-Kinzig-Kreis? Schreiben Sie uns an info@vorsprung-online.de