Disziplinarverfahren gegen 400 Lehrer aus dem MKK

Politik
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Der Hessische Kultusminister Lorz (CDU) will alle 6.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Warnstreiks der Lehrerinnen und Lehrer vom 16. Juni 2015 belangen und hat dafür sogar zusätzliches Personal eingestellt. Im Main-Kinzig-Kreis sind über 400 Kolleginnen und Kollegen betroffen. Nach Auffassung des Kreisverbandes Hanau der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) waren klare Rechtsverstöße der Landesregierung Auslöser  für den Streikaufruf der GEW.



Die Rechtsverletzungen setzen sich nun bei der Einleitung und Durchführung von Disziplinarverfahren fort. „Das Hessische Besoldungsgesetz schreibt in § 16 „Anpassung der Besoldung“ vor, dass die Besoldung entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse regelmäßig angepasst wird. Deswegen hätte 2015 das ausgehandelte Tarifergebnis auf die Beamtinnen und Beamten übertragen werden müssen“, stellt Heinz Bayer, Mitglied des Vorsitzendenteams des Kreisverbandes Hanau fest. Alle anderen Bundesländer haben das so gesehen und haben das Tarifergebnis entweder komplett oder mit geringen Modifikationen übertragen. Nur Hessen nicht. Wegen dieses Rechtsbruchs sind die Hessischen Lehrerinnen und Lehrer am 16. Juni 2015 in den Warnstreik getreten.

Nun haben die Staatlichen Schulämter auf Anordnung der Landesregierung hin Disziplinarverfahren gegen die Streikteilnehmerinnen und Streikteilnehmer eingeleitet. Aus guten Gründen haben alle bisherigen hessischen Landesregierungen bis auf eine einzige Ausnahme darauf verzichtet, disziplinarisch gegen streikende Lehrerinnen und Lehrer vorzugehen. Das angebliche Streikverbot für Beamte ist höchst umstritten. Es gibt kein Gesetz, in dem es explizit formuliert wäre und widerspricht der europäischen Menschenrechtskonvention, die nach Beschluss des Bundestages vom 7. August 1952 in Deutschland Gesetzeskraft hat. Die Menschenrechtskonvention lässt Einschränkungen des Streikrechts nur für „Mitglieder der Streitkräfte, der Polizei oder der Staatsverwaltung“ zu.

Deswegen hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in einer Entscheidung vom 27.2.2014 ausdrücklich festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland völkervertragsrechtlich verpflichtet ist, der Europäischen Menschrechtskonvention und dem dort garantierten Streikrecht für Beamtinnen und Beamte ohne hoheitliche Aufgaben „innerstaatliche Geltung zu verschaffen“ und das deutsche Recht „grundsätzlich konventionskonform zu gestalten“. Die „Kollisionslage“ zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums müsse durch den Bundesgesetzgeber aufgelöst werden. So lange müsse der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Beamtenbesoldung die Tarifabschlüsse für den öffentlichen Dienst „in den Blick nehmen“.

Statt diese klaren Hinweise des BVrwG ernst zu nehmen und die Tarifergebnisse wie in allen anderen Bundesländern auf die Beamtinnen und Beamten zu übertragen, will die Landesregierung nun gegen die Lehrkräfte vorgehen. Lehrkräften droht ein Verweis. Lehrkräfte mit Funktionsstellen und Mitglieder der Schulleitungen sollen zudem mit Geldbußen bestraft werden. Darüber hinaus sollen Lehrkräfte in Stellenbesetzungsverfahren nicht befördert werden. Hier verstößt die Landesregierung gegen das eigene Hessische Disziplinargesetz, das eine solche Maßnahme ausdrücklich erst bei Disziplinarmaßnahmen vorsieht, die über Verweise oder Geldbußen hinausgehen. Auch bei der Abwicklung der Disziplinarverfahren selbst sind Rechtsverstöße festzustellen. Nicht in allen, aber in einigen Verfahren. Schon bei der Zustellung prangt auf dem Umschlag ein Aktenzeichen mit dem völlig überflüssigen Zusatz „Streik Juni 2015“, ein Verstoß gegen den Datenschutz.

Viele betroffene Kolleginnen und Kollegen haben von dem Recht auf Anhörung Gebrauch gemacht. In einer solchen Anhörung sollen die Entlastungsgründe für das beanstandete Verhalten dargelegt werden können, damit danach eine umfassende Würdigung des Einzelfalls erfolgen kann. Eine solche Anhörung verträgt sich weder mit zeitlichen Vorgaben, einem Rede- oder Ergänzungsverbot für Beistände, die bei einer solchen Anhörung ausdrücklich zugelassen sind oder dem Verbot, sich zu Gesetzesgrundlagen zu äußern. In solchen Fällen kann von einer umfassenden Würdigung auf der Basis der Anhörung und einem rechtlich einwandfreien Verfahren keine Rede sein.

Insgesamt klingen die Vorwürfe der Landesregierung, die streikenden Lehrerinnen und Lehrer hätten ihre Pflicht verletzt, sich mit „voller Hingabe“ ihrem Beruf zu widmen wie Hohn. Denn die meisten Lehrkräfte engagieren sich trotz ständiger Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen mit vollem persönlichem Einsatz. „Die Pflichtverletzung liegt auf Seiten des Landesregierung, die durch die ständigen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen und die nicht erfolgten Übertragungen der Tarifergebnisse auf die Beamtinnen und Beamten in Bezug auf Arbeitszeit und Entlohnung ihre Fürsorgepflicht seit Jahren massiv verletzt und gleichzeitig gegen das eigene Besoldungsgesetz verstößt. Wir bleiben dran und werden keine Ruhe geben“, stellt Heinz Bayer abschließend fest.


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