Kinder-Notdienst: Eltern sollen bis nach Offenbach fahren

Politik
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"Bürgerfeindlich und kinderfeindlich": Landrat Erich Pipa (SPD) erhebt schwere Vorwürfe gegen die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KV), weil die bei der Neuorganisation des kinderärztlichen Bereitschaftsdienstes in Hessen keinen Standort im Main-Kinzig-Kreis vorgesehen hat. Bereits zum 1. Juli soll an zehn neuen Standorten nach der Reform des pädiatrischen Bereitschaftsdienstes die Arbeit beginnen, für Eltern aus dem Main-Kinzig-Kreis wäre dann in Offenbach der einzige Anlaufpunkt. "Dagegen werden wir Widerstand leisten, nicht mit Gewalt, sondern mit Argumenten", hat Pipa bereits eine Online-Petition gestartet, an der sich auch möglichst viele Bürgerinnen und Bürger beteiligen sollen.



Zirka 9.000 Kinder und Jugendliche werden pro Jahr in der Kinder-Notaufnahme der Main-Kinzig-Kliniken in Gelnhausen behandelt, allerdings wird diese Versorgung zum großen Teil über den Etat der kreiseigenen Kliniken finanziert. Von der KV gäbe es dafür zwar einen „Obulus“, wie Kliniken-Geschäftsführer Dieter Bartsch berichtete, jedoch bei weitem nicht die 150 Euro, die laut einer Studie pro Patient in einer Notaufnahme zur Verfügung stehen müssten. Mit einem pädiatrischen Bereitschaftsdienst in Gelnhausen wäre dies anders, der würde dann ausschließlich von der KV finanziert.

"Damit kein falscher Eindruck entsteht: Wir schicken natürlich weiterhin keine Patienten weg", stellt Bartsch klar, dass auch in Zukunft alle Kinder und Jugendlichen versorgt werden. Mit ihren Strukturen biete die Gelnhäuser Kinderklinik eine optimale Voraussetzung für eine wohnortnahe notfallambulante Versorgung, von der daher gehöre ein kinderärztlicher Bereitschaftsdienst an die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Gelnhausen. "Und es ist eine Frage der Gerechtigkeit und ein Mangel an Respekt vor den Bürgerinnen und Bürgern im Main-Kinzig-Kreis", hält auch Hans-Ulrich Rhodius, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Kinderklinik der Main-Kinzig-Kliniken, die Pläne der KV nicht für akzeptabel. Seine Vorstellung: In der bisherigen Kinder-Notaufnahme, die derzeit für viel Geld erweitert wird, arbeiten zukünftig Freitags und Mittwochs, jeweils an den Nachmittag, sowie auch an den Wochenenden die 15 Kinderärzte im Umfeld von Gelnhausen mit und entlasten so das Personal der Kinderklinik. Zugleich sei damit eine erhebliche Verkürzung der Wartezeiten für die Eltern verbunden. "Wir sind gerade dabei, ein entsprechendes Modell zu entwickeln", soll ein Gespräch am Donnerstag mit den niedergelassenen Kinderärzten darüber Klarheit bringen. Und als anerkannter Standort für den kinderärztlichen Bereitschaftsdienst wäre dann auch eine ausgewogene Finanzierung über die KV gesichert.

"Ich fordere die Eltern auf, auch weiterhin ihre Kinder nach Gelnhausen zu bringen", spricht Pipa von einer Zumutung, dass diese in Zukunft den Bereitschaftsdienst in Offenbach ansteuern sollen. Der Landrat denkt dabei vor allem auch an das östliche Kreisgebiet und die Spessartregion, von wo enorme Fahrtzeiten in Kauf genommen werden müssten. Das hat er bereits im März in einem Schreiben dem Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, Frank Dastych, mitgeteilt, bislang allerdings keine Antwort erhalten. Ihm wirft Pipa vor, verbandspolitische Interessen in den Vordergrund zu stellen und den größten Kreis in Hessen nicht beachtet zu haben. "Eine Steilvorlage für alle frustrierten Bürgerinnen und Bürger, die wählen dann halt die AfD", will er nun ein Beispiel für eine erfolgreiche Bürgerbewegung starten und so die KV zu einem Umdenken bewegen.

Pipa wird daher noch in dieser Woche den Hessischen Sozialminister Grüttner einschalten, auch die heimischen Bundes- und Landtagsabgeordneten sollen ihren Einfluss geltend machen. Und am Freitag wird der Landrat eine Sondervorlage im Kreistag einbringen, der dann mit einem Beschluss die KV auffordern soll, einen pädiatrischen Bereitschaftsdienst in Gelnhausen einzurichten. Unterstützung von den Kliniken in Hanau steht übrigens bislang aus: Zwar wurde laut Rhodius auf Chefarzt-Ebene bereits signalisiert, dass die in Gelnhausen geplanten Aktionen sinnvoll seien, die Zusage einer aktiven Unterstützung gebe es bislang allerdings nicht. Pipa will daher in dieser Woche auch noch einmal mit dem Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD), zugleich Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikums Hanau, darüber sprechen. „Vor allem für die Bürgerinnen und Bürger ganz im Westen wie beispielsweise Schöneck ist Offenbach auch zu weit weg“, so seine Überzeugung.

Auf der Homepage des Main-Kinzig-Kreises (www.mkk.de) besteht ab sofort die Möglichkeit, sich an der Online-Petition zu beteiligen, mit der die Kassenärztliche Vereinigung Hessen aufgefordert wird, eine entsprechende Zuordnungsänderung vorzunehmen. Zusätzlich wird auf der Internetseite der Main-Kinzig-Kliniken sowie in Facebook und Twitter darauf hingewiesen. An der Klinik in Gelnhausen ist zudem ein gesonderter Aktionstag geplant.


Ihnen ist etwas Interessantes aufgefallen im Main-Kinzig-Kreis? Schreiben Sie uns an info@vorsprung-online.de