„Vielleicht war ich bei der AfD bisher zu neutral“

Politik
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Die Absage der Kreistagssitzung am 4. November hat hohe Wellen geschlagen und die Vorwehen des Landratswahlkampfes deutlich erkennen lassen. Die CDU vermutete hinter der Absage Befürchtungen der SPD, „wiederholt mit politischen Mehrheiten ohne SPD-Beteiligung konfrontiert zu werden“, die AfD fordert den Rücktritt des Kreistagsvorsitzenden Rainer Krätschmer (SPD).



Dieser verweist darauf, dass der Verzicht auf eine Einladung zur Kreistagssitzung keinesfalls zum Widerspruch zur Hessischen Kreistagsordnung (HKO) stehe. Schließlich handele es sich hier formal auch nicht um eine Absage, da noch gar keine Einladung ausgesprochen worden sei. Und diese Entscheidung liege laut HKO grundsätzlich in den Händen des Kreistagsvorsitzenden. Allerdings räumt Krätschmer auch ein, die Entscheidung, dass das Kreisparlament am 4. November nicht tagt, zu früh getroffen zu haben.

Herr Krätschmer, warum wurde die für den 4. November angesetzte Kreistagssitzung abgesagt?
Rainer Krätschmer: „Weil wir keine ausreichenden Vorlagen hatten. Ich räume ein, dass ich Stunden zu schnell war, weil die Frist noch nicht abgelaufen war. Aber wegen drei oder vier Punkten muss man keine hundert Leute zusammenrufen, das ist wenig sinnvoll. Wir hatten nur eine Vorlage vom Kreisausschuss, deshalb habe ich im Einvernehmen mit dem Landrat, mit dem ich ja Benehmen herstellen muss, die Sitzung abgesagt.“

Und es gab keine parteipolitischen Gründe für die Absage?
Rainer Krätschmer: „Ich habe mich als Kreistagsvorsitzender neutral zu verhalten und so handele ich auch. Was soll das mit Parteipolitik zu tun haben? Nach Paragraph 32 HKO müssen wir mindestens vier Sitzungen im Jahr durchführen. Wir haben aber jetzt schon fünf und mit der nächsten Sitzung Anfang Dezember haben wir dann sechs.“

Die CDU hatte ihnen „sozialdemokratisches Taktieren“ vorgehalten, die AfD hat sogar ihren Rücktritt gefordert. Was sagen Sie denn dazu?
Rainer Krätschmer: „Da bin ich schwer erschrocken und kann eigentlich gar nichts zu sagen. Ich bin am Grübeln.“

Ist das eigentlich schon einmal vorgekommen, dass eine Kreistagssitzung abgesagt wurde?
Rainer Krätschmer: „Ja, sicher. Wir hatten früher viel mehr Kreistagssitzungen und haben da teilweise bis nachts um Zehn getagt. Ich habe ja vorher mit einigen gesprochen und auch der Landrat und die Hauptamtlichen haben empfohlen, die Sitzung abzusagen. Die haben alle gesagt, bei so wenigen Punkten sollte man nicht den Leuten die Lebenszeit stehlen. Es ist ja nicht so, dass der gesamte Main-Kinzig-Kreis den Atem anhält, wenn der Kreistag tagt, so sollte man es auch nicht übertreiben. Und es ist auch die Frage, was die Presse gesagt hätte, aber das können sie ja beurteilen, wenn es nur drei Punkte von Parteien gegeben hätte oder auch vier und ansonsten nichts. Da hätten sie sicherlich auch gesagt, hätte man die Sitzung nicht verschieben oder ausfallen lassen können.“

Vielleicht.
Rainer Krätschmer: „Eben, und der Kreistag ist ein ernstzunehmendes Organ ist, in dem nicht nur irgendwelche parteipolitischen Anträge gestellt werden sollten. Und wenn der Kreisausschuss auch nichts gescheites hat, muss man sich ja auch nicht hin quälen. Als Besetzungstherapie ist der Kreistag eigentlich zu schade. In meinem Alter ist es ja eigentlich unüblich, dass man zu schnell ist, da ist man eher zu langsam. Wenn da einer meckert und sagt, da kann man auch noch die paar Stunden warten, gebe ich ihm völlig recht. Daran wird das Glück des Main-Kinzig-Kreises aber nicht scheitern. Wenn es auf ein paar Stunden jetzt ankommt und daran festgemacht wird, dass man so tolle Anträge hatte, ja mein Gott, das muss dann jeder selbst beurteilen, wie toll die Anträge waren. Aber ich hätte wie gesagt trotzdem bei zwei, drei Anträgen keine Sitzung gemacht, dann hätten wir das im Präsidium besprochen und mit Sicherheit auch abgesagt. Wenn dann sollten wir ernsthaft und qualifiziert die Anträge im Kreistag diskutieren. Anträge der Fraktionen, aber auch Kreisausschuss-Vorlagen, das sind die wichtigen Dinge.“

Haben Sie die Fraktionen vorher in die Entscheidung eingebunden?
Rainer Krätschmer: „Ich habe zumindest versucht, die großen Fraktionen zu erreichen. Den Herrn Reul habe ich nicht gekriegt, das weiß er auch, er hat mir auch persönlich keinen Vorwurf gemacht. Aber er war nicht zu erreichen, er hatte Plenum. Und bei der SPD habe ich gefragt und die haben mir alle gesagt, ‚komm, lass die Sitzung‘. Wenn ich es nochmal zu tun hätte, würde ich das Präsidium zusammenholen und entscheiden lassen. Das ist zwar mehr Bürokratie, aber nun gut. Auch in meinem Alter lernt man nicht aus, also habe ich daraus auch etwas gelernt. Ich war ein paar Stunden zu schnell, das halte ich jetzt aber nicht für kriegsentscheidend.“

Aber war das nicht auch quasi ein Elfmeter für die AfD? War doch irgendwie klar, dass die darauf anspringen.
Rainer Krätschmer: „Der Kreistag ist ein sehr ernstzunehmendes Organ und er muss sich auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren und nicht nur den parteipolitischen Bereich. Dass die AfD da Schau machen will, naja, die haben ja sonst nix, was wollen sie denn sonst machen. Das kann ich verstehen, das nimmt man halt hin. Wenn die nichts wichtigeres zu tun haben, politisch für die Menschen im Kreis zu bewegen, dann müssen sie das selbst entscheiden. Das bringt den Kreis und die Menschen überhaupt nicht voran. Aber vielleicht war ich bei der AfD bisher zu neutral, ich kann das allerdings auch ändern. Mit meinem Amt als Kreistagsvorsitzender habe ich die Sitzung neutral zu leiten und das mache ich auch sehr streng, aber ansonsten bin ich kein politischer Eunuch geworden. Da habe ich sehr wohl meine Meinung, auch zu Rechtspopulisten.“


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