Traumprinzen und Turmfrisuren

Theater
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Runde zwei in der Festspielsaison 2018: Auch zu der Uraufführung des Klassikers „Der Froschkönig“ konnte sich das Ensemble über ein fast volles Haus und Sonnenschein freuen.



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Während sich das erste Premierenpublikum aber naturgemäß etwas gediegener gegeben hatte, brummte und wimmelte es am Wochenende im Hanauer Amphitheater wie in einem Bienenstock – klar, denn mit der Geschichte um die sprechende Amphibie aus adeligem Haus präsentierten die Festspiele ihr diesjähriges Kinder- und Familienstück. Und das kommt bunt und fröhlich daher.

Das konnte ja kein Zufall sein: Gleich zwei royale Ja-Worte an einem Tag und beide bei allerschönstem Frühlingswetter. Doch während in Windsor die Braut von Prinz Harry auf schlichtes Weiß setzte und das Paar ganz offensichtlich aus freien Stücken vor den Altar getreten war, sah es auf der Hanauer Bühne ganz anders aus. Bunte, fast schon schrille Kostüme und Haartrachten, die gleich zu Beginn für die ersten „Ahs“ und „Ohs“ im Publikum sorgten und eine Ehe zwischen zwei Thronfolgern, die aus wirtschaftlichen Gründen angebahnt wurde und mit Liebe nichts zu tun hatte.

Aber der Reihe nach. Das Ganze beginnt im Klassenzimmer: Hauslehrer Heinrich (Dieter Gring) unterrichtet Kronprinz Cölestin (Marcus Abdel-Messih) und dessen Bruder Rüdiger (Gregor Andreska). Cölestin ähnelt in seiner Ich-Bezogenheit Christiano Ronaldo, nur ohne Fußballschuhe. Er schwärmt von seiner eigenen Schönheit und Klugheit, während Rüdiger, lieb, verpeilt und nicht der Allerhellste, von einem Leben als Minnesänger träumt. Irgendwann platzt Heinrich der Kragen, und er stößt einen herzhaften Fluch über den grenzenlosen Hochmut des Kronprinzen aus – diesen hört Zauberin Minerva (Natalie Buchet), die kurzerhand Cölestin in einen Frosch verwandelt und verfügt, er müsse so lange als Amphibie sein Dasein fristen, bis der Hochmut fort sei und ihn jemand von ganzem Herzen liebe.

Szenenwechsel: Die Zuschauer lernen den Hof von König Adalbert (Christian Fischer) kennen. Der verwitwete Monarch lebt mit seinen drei Töchtern Alva (Carolin Sophie Göbel), Bella (Marina Lötschert) und Stella (Yasmin Münter). Leicht hat er es nicht mit seinen Mädels: Die Thronfolgerin hat ein Faible für skurrile Erfindungen und beglückt alle mit nicht-funktionierenden Wettervorhersagemaschinen, die rattern und explodieren. Das „Sandwichkind“ komponiert und singt weitgehend talentfrei, aber mit Leidenschaft. Und die Dritte im Bunde ist das verhätschelte Nesthäkchen, das sich alles erlauben darf. Doch obwohl Papa von seinen Töchtern entnervt ist, verwöhnt er sie nach Strich und Faden und gibt damit seinem zwielichtigen Kämmerer Ansgar (Benedikt Selzner) die Möglichkeit, ihm mit genau dieser Begründung, er gebe zu viel Geld für sie aus, den drohenden Staatsbankrott vorzugaukeln.

Adalbert verfügt, seine älteste Tochter solle sich mit dem erstbesten Prinzen vermählen und so den Haushalt retten – auf welche Begeisterung der väterliche Lösungsansatz stößt, kann man sich denken. Gleichzeitig entspinnt zwischen dem Titelhelden, dem Froschkönig/Prinz Cölestin, und Prinzessin Stella am Teich so etwas wie eine widerwillige Freundschaft – Szenen, die nochmal zusätzlichen Schwung ins Geschehen bringen und Spaß machen. So versucht Cölestin, auch in Froschgestalt durch besonderes Posen bei Stella zu landen („Ich bin auch als Frosch schön“, „Bist Du die lokale Prinzessin hier?“). Die beiden sorgen für Zwischenapplaus mit einem „Quak“-Dialog, der in Beatbox-Klängen und einer kleinen Breakdance-Einlage endet. Cölestins Problem: Er darf Stella nicht verraten, dass eigentlich ein Prinz in ihm steckt.

Im Schloss sind unterdessen Rüdiger und Heinrich angekommen, um um Prinzessin Alvas Hand anzuhalten – König Adalbert ist entzückt und ordnet die sofortige Verlobung an. Zwar hat sich auch Rüdiger verliebt, aber nicht in seine Zukünftige, sondern in deren jüngere Schwester Bella, die er aber nicht heiraten darf. Mit anderen Worten: Schlechte Stimmung bei Hofe. Auch Ansgar ist sauer, er sieht seine kriminellen Pläne durchkreuzt und beschließt, den arglosen Rüdiger von seinem Neffen Igor (Lukas Haiser) beseitigen zu lassen. Das wiederum bekommt die pfiffige Zofe Minna (Nadine Buchet) mit, Froschkönig Cölestin hört ebenfalls von den Plänen, will Rüdiger retten und bittet Stella um Hilfe. Die turbulente Schlussszene spielt denn auch im Schlafzimmer der jüngsten Prinzessin, in deren Bett der Frosch ja nach der Rettung ihrer goldenen Kugel aus dem Brunnen schlafen durfte: Durch einen langen Kuss Stellas vom Fluch befreit, verwandelt sich der Frosch zurück in einen Menschen, Igor trachtet dem Kronprinzen nach dem Leben, der Lärm reißt die restliche Königsfamilie aus dem Schlaf, Heinrichs letztes eisernes Band, das er sich nach dem Fluch um das Herz geschmiedet hatte, zerspringt. Und am Ende gibt König Adalbert seinen Segen zur Vermählung von Stella und Cölestin – womit wir dann fast wieder in Windsor wären.

„Der Froschkönig“ (Buch: Stefan Vögel) wurde von Regisseurin Adisat Semenitsch bunt, lebendig und kindgerecht inszeniert, von Ulla Röhrs und Wiebke Quenzel mit aufwendigen und witzigen Kostümen und schrägen Haartrachten in Turmhöhe passend schrill in Szene gesetzt und kam beim Publikum ausgesprochen gut an. Wer auf Feinheiten achtet, hat zusätzlich seinen Spaß, zum Beispiel, wenn der Name von Prinz Cölestins Mutter, Königin Helena, genannt wird und jedes Mal ein „Hurra Hurra Hurra“ hinterher geschickt wird. Wenn unter der gemalten festlichen Tafel ein Hund hervorlugt. Wenn König Adalbert die verstorbene Gattin in einer Urne stets bei sich trägt. Oder wenn der Froschkönig nach seiner Rückverwandlung immer noch ein bisschen grün im Gesicht ist. Herausragend in Mimik, Gestik und fast selbstironischem Witz ist dessen Darsteller Marcus Abdel-Messih, ebenso überzeugt in einem insgesamt „runden“ Ensemble der wunderbar verlangsamt-naiv agierende Gregor Andreska (Rüdiger) und in den Nebenrollen mit großartiger Bühnenpräsenz Dieter Gring (Heinrich) und Benedikt Selzner (Ansgar). Zum Schluss eine kleine Warnung an Eltern mit schreckhaften Kindern: Die Erfindungen von Prinzessin Alva zischen und knallen, und auch die Schlussszene ist laut. Also frühzeitig auf Kuschelmodus schalten!

Foto: Prinzessin Stella hat ihre goldene Kugel in den Brunnen fallen lassen – der Froschkönig knüpft an die Rückgabe aber ein paar Bedingungen.
Foto: Schön schrill sind die Prinzessinnen Alva (links) und Bella (rechts; mit Blumen). Zofe Minna hat alle Hände voll zu tun mit ihnen.
Foto: Als Gastgeschenk für Rüdiger hat Alva eine Nebelmaschine erfunden – ihrer wissenschaftlichen Erklärung kann der Prinz aber nicht folgen.
Foto: Eine fröhliche Verlobungsfeier sieht anders aus: Beim Festmahl bei Hofe herrscht schlechte Stimmung.

Fotos: Brüder Grimm Festspiele/Nix


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