„Sei auf der Bühne nicht interessant, sondern sei interessiert!“

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Johannes Schröder, als Comedian nur „Herr Schröder“ genannt, kommt nach Schlüchtern.



Am 21. Juni tritt der ehemalige Deutsch- und Englischlehrer um 20 Uhr mit seinem preisgekrönten Programm „World of Lehrkraft“ im KUKI-Zelt auf, berichtet als „Beamter mit Frustrationshintergrund“ über sein Leben am Korrekturrand der Gesellschaft, über intellektuell barrierefreien Unterricht und die Notenvergabe nach subjektivem Sympathie-Prinzip“. Die mitreißende Comedy-Show richtet sich an alle, die mal in der Schule waren – also auch an Lehrer.

Ein Interview von Andrea Euler

Herr Schröder, der Erfolg auf der Bühne kam ja stürmisch über Sie. Was hat sich für Sie verändert?
Ich stehe jetzt seit einem Jahr ausschließlich auf der Bühne und mein gesamter Tages- und Lebensrhythmus ist neu. Ich hatte früher arbeitsreiche Vormittage und ruhigere Nachmittage und Abende und vor allem einen strukturierten Tagesablauf. Das ist jetzt alles hinfällig geworden. Jetzt gibt es viel Unstetigkeit, die Nächte werden zum Tag gemacht, also wirklich ein unruhiges Leben, aber auch sehr aufregend. Es gibt viele Dinge, die einfach plötzlich passieren. Schöne Überraschungen, aber unstrukturierte Tagesabläufe.

Wenn Sie an Ihre eigene Schulzeit zurückdenken, gibt es da Erlebnisse, die Sie als besonders grässlich in Erinnerung haben?
Ja. Dran genommen zu werden, ohne sich selbst gemeldet zu haben. Dieses unverhofft einfach den eigenen Namen hören und dann diese Stille. Ich heiße ja mit Vornamen Johannes, und ich bin sogar immer knallrot geworden und schon zusammengezuckt, wenn ich nur einen Namen gehört habe, der nur die gleiche Vorsilbe hatte, Jonathan oder so was. Das war ganz schrecklich.

Haben Sie das selbst auch mit Ihren Schülern gemacht?
Nee, so böse, so schlimm wollte ich das nicht wiederholen. Ich habe schon mal zu erkennen gegeben, dass manche ruhig mal was sagen könnten, einige sind ja auch zu schüchtern, oder melden ist uncool. Aber ich glaube nicht, dass ich dieses Trauma unbedingt auffrischen musste.

Wie kommt gerade jemand wie Sie auf die Idee, Lehrer zu werden?
Ich habe sehr gerne mit Leuten zusammengearbeitet. Ich hatte die Idee, den Beruf zu ergreifen, während meines Zivildiensts, da war ich in einem Heim für Mehrfachbehinderte, hier habe ich den Kontakt zu Menschen und das Thema Gruppenleitung hautnah erlebt und erfahren: Das mache ich gerne – ganz viel Kommunikation und Interaktion, auch so ein bisschen was Motivierendes, genau hingucken, die Menschen ansehen. Das war ein Grund für mich zu sagen: Lehrer könnte was sein.

Wie sind Sie vom Lehrer zum Comedian geworden?
Ich habe über zehn Jahre Theater-AGs geleitet am Gymnasium, insgesamt 15 Produktionen. Das war die sinnvollste pädagogische Arbeit, die ich gemacht habe. Und da bin ich immer über die Bühne gesprungen mit meinen Schülern, es wurde an der Bühnenpräsenz gearbeitet, an der Dramaturgie des Stückes, wir sind immer wieder in die Emotionen reingegangen. Ich habe gemerkt, dass ich das gerne mache und auch die Energie dafür aufbringe, für das Spiel auf der Bühne. Und irgendwie ist es dazu gekommen, dass ich dachte: Ich habe Lust auf ein eigenes Projekt.

Was würden Sie einem Jugendlichen raten, der sagt, sein Traumberuf sei Lehrer?
Raten würde ich wahrscheinlich gar nichts. Ich würde ihn nach seiner Motivation fragen – und von der Antwort abhängig machen, ob ich ihm was raten sollte. Wenn es nur um Absicherung geht, dann würde ich kritische Rückfragen stellen, aber wenn es darum geht, sich im Kontakt mit Menschen zu befinden und im Kontakt die Freude zu schöpfen – das wäre die richtige Motivation. Wenn Du selbst motivieren kannst und Dich nicht abschrecken lässt vom hässlichen Gesicht der Pubertät, dann ist Lehrer was ganz Tolles. Dass er das Fach mag, davon gehe ich aus. Die Schüler brauchen die Reibung, den Pubertätskampf. Das ist deren Recht – aber das heißt auch Konflikte. Die muss man bereit sein durchzustehen und nicht ausweichen.

Für welches Publikum ist Ihr Programm gemacht?
Eigentlich für alle, die mal in der Schule waren, aber auch für Lehrer. Ich merke gerade, die größere Freude habe ich an den Sachen, mit denen sich jedermann identifizieren kann. Für alle, die Kontakt haben mit Sprache. Aber man muss nicht im Lehrerzimmer gewesen sein, um dieses Programm zu verstehen, überhaupt nicht.

Testen Sie Ihr Programm an Verwandten und  Bekannten oder vorm Spiegel?
Sowohl als auch. Gerade erst vor drei Tagen war ich bei meiner Mutter, und da habe ich einfach mal eine Pointe ausprobiert: „Dieser adelige Autor aus der Nähe von Berlin – Theodor von Tane ...“ Und da habe ich gemerkt: Das funktioniert.

Gibt es ein Thema, worüber Sie sagen: Darüber darf ich auf der Bühne keine Witze machen?
Ich will nicht, dass die Schüler auf Dauer schlecht wegkommen. Sie sollten am Ende gewinnen, irgendwie. Am Ende soll nicht der Lehrer der Tolle sein. Über Themen, wie dass der Lehrer was mit Schülern hat – da brauchen wir gar nicht drüber zu reden, da mache ich keine Späße drüber. Da habe ich nicht mal eine Andeutung drin, dass es da Grenzüberschreitungen gibt. Was mir Spaß macht, ist das Thema Sprache – da gibt es so viele witzige Dinge.

Schreiben Sie Ihre Texte selbst oder haben Sie „Ghostwriter“?
Ich habe 90 Prozent des Programms selbst geschrieben. Am Ende habe ich ein kleines Rap-Lied gedichtet mit Versen, und das habe ich mit einem Freund zusammen gemacht. Und wir sind Kreativpartner geworden, so würde ich das nennen. Wir werfen uns gegenseitig die Stichworte zu, und so sind dann noch mehr Texte entstanden. Wenn ich mit einer Idee nicht weiterkomme, dann frage ich ihn, ob wir uns eine Stunde zusammensetzen und brainstormen ...

Worüber lachen Sie selbst? Welche Kollegen schätzen Sie?
Ich habe lange Zeit sehr über Rolf Miller gelacht, der hat eine sehr reduzierte Art auf der Bühne und sehr schöne Wortspiele. Und diese verdrehten Wortspiele – diese feine Art, die Leute zu täuschen und irgendwo hin zu führen. Da habe ich viel drüber lachen können. Und Stromberg natürlich, diese peinlichen Situationen im Leben, die der so toll dargestellt hat. Lehrer sind ja auch öfter mit peinlichen Situationen konfrontiert.

Wie viel von Ihrem Bühnenprogramm haben Sie selbst erlebt?
Sagen wir mal: Die Hälfte ungefähr. Ein wichtiger Teil davon ist autobiografisch. Ich habe in Kanada Stand-up-Comedy gemacht, und als ich nach Deutschland kam, kam die Idee: Ich gehe auf die Bühne und entschuldige mich dafür, Deutschlehrer zu sein. Dieser Entschuldigungsgestus, mit dem ich auf die Bühne gehe, ist eine gefühlte Sache, das ist wirklich echt. Ich habe das tatsächlich auch im Unterricht manchmal gemacht. Man sieht ja öfter die leidenden Blicke der Schüler, und es war schon ein Teil Spaß, aber auch ein Teil Entschuldigung. Das ist eine echte Emotionalität gewesen, die ins Programm reingegangen ist.

Mal angenommen, Ihr Programm läuft irgendwann nicht mehr so richtig. Wäre es für Sie eine Option, wieder in den Schuldienst zurück zu gehen?
Definitiv ja. Ich könnte mir das sehr gut vorstellen. Vielleicht würde ich noch mehr diese Theater-AG-Arbeit machen. Da könnte ich auch den Schülern noch mehr vermitteln, dann wäre ich noch klarer in dem, was ich mache.

Was wären Sie denn schon immer gerne in einem Interview gefragt worden?
Nach den Sekunden vorm Auftritt. Die sind für mich der magische Moment. Da findet ganz viel Konzentration statt. Und dann diese erste Kontaktaufnahme mit dem Publikum. Das Wichtigste vor dem Auftritt ist, dass man selbst das genießt und Freude hat. Und sich quasi schon vorher vor dem Publikum verbeugt. Aus dem Gefühl der Dankbarkeit heraus, dass die jetzt da sind und zuschauen. Und dass man so demütig ist und sich freut: Das darf ich heute Abend machen. Ich habe einen wichtigen Bühnenspruch: „Sei auf der Bühne nicht interessant, sondern sei interessiert.“ Das ist mein Leitspruch geworden. Interessiert an den Themen, am Publikum, an der Interaktion, an jedem kleinen Ding, das auf der Bühne passiert.

Tickets & Infos

Da das Platzangebot begrenzt ist, empfiehlt das KUKI, sich rechtzeitig Tickets zu sichern: entweder online unter www.kukikino.de oder bei einer der Vorverkaufsstellen in der Region: Ticketshop der Kinzigtal Nachrichten in Schlüchtern, Grimm-Bücherstube in Steinau, Hölzer Kommunikation in Sterbfritz, „Die 2 – Küche + Design“ in Flieden sowie die Buchhandlung „Dichtung und Wahrheit“ in Wächtersbach. Weitere Infos unter Service-Telefon (06661) 608-410, täglich von 14 bis 16 Uhr, oder per E-Mail an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Verfügbare Restkarten gibt es an der Abendkasse im KUKI-Zelt, Kirchstraße 32 in Schlüchtern.


Ihnen ist etwas Interessantes aufgefallen im Main-Kinzig-Kreis? Schreiben Sie uns an info@vorsprung-online.de


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