Die Konjunktur ist da, es fehlen die Leute

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Der Wirtschaft im Main-Kinzig-Kreis geht es gut, und auch die Aussichten sind in nahezu allen Branchen positiv. Erfreulich: Der moderate, solide Aufschwung dürfte sich im kommenden Jahr fortsetzen, vielleicht sogar noch etwas mehr Schwung bekommen. Aber in fast allen Branchen fehlen Mitarbeiter, um diese guten Stimmung besser ausnutzen zu können.



Zu diesem Ergebnis kommt die Industrie- und Handelskammer (IHK) Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern nach der Auswertung der aktuellen Konjunkturumfrage. Teilgenommen haben dieses Mal 171 Unternehmen aus allen wichtigen Wirtschaftszweigen und Orten im Main-Kinzig-Kreis.

„Dass fast jedes zweite Unternehmen, genauer: 46,8 Prozent aller antwortenden Unternehmen im Main-Kinzig-Kreis, seine aktuelle Geschäftslage als ‚gut‘ bezeichnet, hat es seit fünf Jahren nicht mehr gegeben. Das zeigt, dass es in der Wirtschaft brummt, und zwar richtig“, merkt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Gunther Quidde an. Bei den „gut“-Bewertungen sind es 10,2 Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr. Die „schlecht“-Einstufungen sind im Jahresverlauf um immerhin 3,2 Punkte gefallen. Wird in die Analyse mit einbezogen, dass dieser Aufschwung schon vor einem Jahr recht kräftig war, „dann lässt sich ermessen, wie rund es momentan in der Wirtschaft läuft“, ergänzt Quidde. Laut IHK-Hauptgeschäftsführer sollte auch bedacht werden, dass dieses Mal 46,2 Prozent der Unternehmen die Lage als „befriedigend“ kennzeichneten, vor zwölf Monaten waren es noch 53,2 und in der Frühsommer-Umfrage 49,1 Prozent. Was bedeutet dies? Der Anteil der Unentschiedenen schrumpft. Das ist ein Hinweis darauf, dass der Aufschwung nochmals an Kraft gewinnt.

Überraschend für einen nicht mehr ganz jungen Aufschwung: Sogar bei den wirtschaftlichen Aussichten erwarten die Unternehmen „eine solide Entwicklung weiter nach oben“, so Quidde. Immerhin 20,6 Prozent der Unternehmen gehen davon aus, dass ihre Geschäfte künftig „eher günstiger“ gehen, während nur 11,2 Prozent einen „eher ungünstigeren“ Verlauf prognostizieren. Zum Vergleich: Vor einem Jahr gab es 16,1 Prozent Optimisten und 13,4 Prozent Pessimisten – es gibt mithin einen deutlichen Zuwachs an Zuversicht, obwohl die Lage jetzt schon sehr, sehr gut ist. Dass die Bäume aber nicht in den Konjunkturhimmel wachsen, belegen die Einstufungen des Stimmungsbildes von Ende Mai. Damals gingen sogar 24,5 Prozent der von der IHK befragten Unternehmen von einer künftig noch besseren Wirtschaftslage aus, ihnen standen 12,9 Prozent Pessimisten gegenüber – eine im Saldo 2,4 Punkte bessere Einschätzung als aktuell. „Die etwas vorsichtigeren Bewertungen bei den Aussichten freuen mich, denn sie bestätigen mein Bild aus vielen Gesprächen: Die Unternehmerinnen und Unternehmer im Main-Kinzig-Kreis begrüßen die gute Wirtschaftslage, nutzen die daraus entstehenden Chancen und werden dennoch nicht leichtsinnig. Das zeugt von bewährter kaufmännischer Vorsicht“, lobt Quidde die Unternehmer mit Blick auf die durchaus vorhandenen Konjunkturrisiken.
Werden die Angaben zur aktuellen Wirtschaftslage und zu den Erwartungen gewichtet, entsteht der IHK-Konjunkturindikator. Diese zentrale Kennzahl kann theoretisch zwischen 200 Punkten bei einer herausragenden Konjunktur und null Punkten bei einer sehr schweren Wirtschaftskrise schwanken. In den letzten 25 Jahren bewegte sich der Indikator zwischen rund 66 und 130 Punkten. „Mit 123,7 Punkten erzielt der Indikator erneut einen erfreulich hohen Wert, nach den ebenfalls hohen 122,8 Punkten im Frühsommer und 113,9 vor einem Jahr. Die Konjunkturlokomotive zieht, es geht aufwärts und das auch 2018“, erwartet der IHK-Hauptgeschäftsführer.

Industrie und Investitionen als Treiber
Immerhin 42,6 Prozent der vom Weltmarkt stark abhängigen Industriebetriebe im Main-Kinzig-Kreis bezeichnen in der IHK-Umfrage ihre aktuelle Lage als „gut“, das sind 9,8 Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr, aber 1,3 Punkte weniger als im Frühsommer. Die „schlecht“-Bewertungen landen mit 7,4 Prozent erneut auf einem sehr niedrigen Level, wie auch in den vorhergehenden Umfragen. Bemerkenswert ist, dass die Industrie deutlich optimistischer in die Zukunft schaut als die Gesamtwirtschaft: Exakt ein Drittel geht von einer „eher günstigeren“ Marktlage in den kommenden Monaten aus, das sind 10,3 Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr und 4,7 mehr als im Frühsommer. Skeptisch blicken derzeit 13 Prozent der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes in die Zukunft, vor einem Jahr waren es 13,1 Prozent und im Mai/Juni des laufenden Jahres 16,1. Zu diesen recht optimistischen Erwartungen passen spiegelbildlich die Umfrageergebnisse zu den Investitionen und zum Exportvolumen: Die Industrie plant eine deutliche Ausweitung ihrer Investitionsaktivitäten. Das berichten aktuell 35,2 Prozent der Befragten aus der Branche.
„Der Blick auf die Investitionspläne ist diesmal sehr spannend“, berichtet Quidde, und er erläutert: „Es zeichnet sich ein Trend zu mehr Investitionen ab. Der wurde angesichts der niedrigen Kreditzinsen schon längst erwartet. Es passt zur kaufmännischen Vorsicht der Unternehmen bei uns, dass sie nicht investieren, wenn das die Politik und Europäische Zentralbank fordern, sondern wenn die regionale Wirtschaft das Risiko vertreten kann: Werden die Angaben zu den abnehmenden und zunehmenden Investitionen im Inland saldiert, ergibt sich aktuell ein stolzes Plus von 20,4 Punkten in der Industrie. Im Frühsommer lag diese Kennzahl noch bei 8,9 und im Oktober 2016 bei null Punkten. Außerdem legt am aktuellen Rand das Kreditneugeschäft mit Unternehmen offenbar deutlich zu. Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, dass der robuste und lange Wirtschaftsaufschwung die Firmen zu mehr Investitionen motiviert, die derzeit bei günstigen Finanzierungsbedingungen möglich sind.“ Da sich bei den Exporterwartungen keine besonders großen Verschiebungen zeigen, ist davon auszugehen, dass die weltweit boomende Industriekonjunktur in den kommenden Monaten noch einen Gang zulegt – und das nicht zuletzt hierzulande.
Es ist kein Wunder, dass angesichts dieser guten Konjunkturlage auch die Bauwirtschaft auf hohem Niveau floriert. Zwar belastet der Preisdruck für Standardleistungen, aber die Nachfrage sowohl aus dem Gewerbebau als auch aus dem Tief- und Hochbau bleibt hoch. Was bedeutet das für die Kunden und die Unternehmen? Stark nachgefragte Spezialisten werden weiterhin viele Überstunden machen und viele Aufträge vor sich herschieben müssen.

Handel und Dienstleistungen im Wandel
Aus konjunktureller Sicht gibt es auch bei den vielfältigen Service-Betrieben kaum Gründe zur Klage. Die Lage ist zum großen Teil gut und die Erwartungen sind es auch. Lediglich zwei wichtige Punkte trüben die Lage ein: Die rasch um sich greifende Digitalisierung und der Fachkräftemangel. Deutlich zeigt sich dies im Handel. So berichten im Einzelhandel trotz des bevor stehenden Weihnachtsgeschäfts nur 28,6 Prozent der Unternehmen über eine „gute“ Geschäftslage. Auch die Großhändler, 30,8 Prozent stufen ihre Lage als „gut“ ein, liegen deutlich unterhalb der Gesamtwirtschaft. In beiden Wirtschaftszweigen sind auch die Erwartungen verhaltener. Das Internet und die Online-Bestellungen knabbern immer stärker an den Umsätzen – das ist kein konjunkturelles, aber ein strukturelles Problem, das schon auf mittlere Sicht unsere Innenstädte gravierend verändern wird. Denn Amazon füllt nicht die Läden, die dort leer zu stehen drohen. Wesentlich besser sieht es im Gast- und im Transportgewerbe aus. Dort sind die Wirtschaftslage und die weiteren Aussichten gut. Noch runder läuft die Konjunktur bei denjenigen Dienstleistern, die für Unternehmen oder für private Verbraucher arbeiten: In beiden Branchen droht mittlerweile eine konjunkturelle Überhitzung. Im aktuell gar nicht so schlecht laufenden Kreditgewerbe sorgt die anziehende Kreditnachfrage aus den Unternehmen für mehr Arbeit. Die Banken und Sparkassen kämpfen unabhängig davon weiter mit den Nullzinsen, ihr Geschäftsmodell wird auch durch die neuen Finanzprodukte aus dem Internet auf den Prüfstand gestellt. Die Branche weiß um ihre Probleme und investiert in neue, digitale Lösungen. Der Branche droht ein Personalabbau.

Fachkräftemangel belastet die Konjunktur
Derzeit liegt die Arbeitslosenquote im Main-Kinzig-Kreis nur bei 4,4 Prozent. Zwar sind im Landkreis noch immer 9.883 Menschen ohne Beschäftigung. Aber zwei Drittel dieses Personenkreises sind schon länger ohne Arbeit und stehen als Mitarbeiter nur eingeschränkt zur Verfügung. Ende September erfasste die Hanauer Agentur für Arbeit 1.139 „Personen im Kontext von Fluchtmigration" als arbeitslos. Ohne diese Menschen ist der Arbeitsmarkt so gut wie leergefegt. „Ich warne vor dem Irrglauben, dass Flüchtlinge kurzfristig das Fachkräfteproblem lösen werden. Unsere ersten Erfahrungen als IHK sind da ernüchternd. Selbst wenn Flüchtlinge nach ein, zwei Jahren intensiver Schulung ein angemessenes Sprachniveau erreicht haben, ist ihre Beschäftigung kein Selbstläufer, sondern bedarf besonderen Engagements des Arbeitgebers. Das spricht überhaupt nicht gegen die Menschen, die zu uns geflüchtet sind. Es zeigt nur, wie komplex und anspruchsvoll viele Tätigkeiten bei uns sind, die wir als ganz normal oder sogar einfach ansehen“, hebt Quidde hervor.
Unter dem Strich wollen die Unternehmen eher neue Mitarbeiter einstellen als Arbeitnehmer entlassen. Immerhin 23,7 Prozent der Betriebe planen, ihren Mitarbeiter-Stamm auszuweiten und nur 11,2 Prozent erwarten eine künftig fallende Beschäftigtenzahl. Vor allem die Unternehmen aus den Branchen Industrie und Bau sowie die personenbezogen arbeitenden Dienstleister suchen händeringend nach neuen Mitarbeitern.
Laut Umfrage der IHK können 54,4 Prozent der Unternehmen offene Stellen derzeit nicht besetzen, wobei die größeren Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern besonders stark betroffen sind. Wie reagieren die Unternehmen auf den Fachkräftemangel? Dazu stellte die IHK dieses Mal Zusatzfragen. Demnach werden nicht nur neue Mitarbeiter für altersbedingt ausscheidende Kollegen gesucht, sondern auch Menschen, welche für die neuen Aufgaben rund um die Digitalisierung qualifiziert sind. Solange diese Beschäftigungslücke nicht geschlossen ist, lastet auf den vorhandenen Belegschaften eine erhebliche Mehrbelastung, und das Wachstumspotenzial, das die Digitalisierung verspricht, kann nicht vollständig ausgeschöpft werden. Es droht des Weiteren ein Verlust von Innovationsfähigkeit und Wissen – eine Besorgnis erregende Entwicklung nicht zuletzt in der Industrie, im Gast- und im Kreditgewerbe. Vor allem mit mehr beruflicher Bildung, mehr Weiterbildung und weiteren mit Maßnahmen zur Qualifizierung von Schulabgängern wollen die Unternehmen gegensteuern.
Diese Suche nach neuen Mitarbeitern, das ist den Unternehmen schmerzlich bewusst, wird immer schwerer. Immerhin 61 Prozent der Unternehmen sehen im Fachkräftemangel mittlerweile ein echtes Risiko für die Konjunktur – ein in bisherigen Umfragen noch nicht gesehener Rekordwert. Abgesehen davon befürchten immer mehr Betriebe, dass bald steigende Energie- und Rohstoffpreise die Konjunktur ausbremsen könnten.
Für IHK-Hauptgeschäftsführer Quidde ist damit klar: „Wieder einmal zeigt unsere Konjunkturumfrage, wie gut sich die Wirtschaft im Main-Kinzig-Kreis an die Änderungen der Weltwirtschaft anpasst, wenn nur die Standortbedingungen stimmen. Es ist die Aufgabe der Politik auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene genau dafür die Weichen zu stellen. Ich bin auf die Koalitionsverhandlungen in Berlin gespannt und hoffe, dass dort genauso verantwortungsvoll für die Zukunft gearbeitet wird, wie es unsere Unternehmen hier täglich tun.“

 


Ihnen ist etwas Interessantes aufgefallen im Main-Kinzig-Kreis? Schreiben Sie uns an info@vorsprung-online.de


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