Konjunkturlage: Wirtschaft im MKK wird vorsichtiger

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Die aktuelle Wirtschaftslage ist sehr gut, doch die Zahl der Optimisten, die glauben, dass es noch besser wird, nimmt ab. Zu dieser Einschätzung der aktuellen Konjunkturlage kommt die Industrie- und Handelskammer (IHK) Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern nach Auswertung der jüngsten Konjunkturumfrage.



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Laut den Angaben der antwortenden 171 Unternehmen aus allen wichtigen Branchen und Teilregionen im Main-Kinzig-Kreis ist die momentane Wirtschaftslage noch immer so sensationell gut wie am Jahreswechsel. Das geben immerhin 50,3 Prozent aller Unternehmen an, vor vier Monaten waren es 50,6 Prozent – das ist kein Rückgang, sondern statistische Schwankungsbreite. Vor einem Jahr lag dieser Wert bei schon sehr guten 43 Prozent. Deutliche Ausreißer gibt es allerdings im innerstädtischen Einzelhandel und bei den Banken und Sparkassen. Von den Einzelhändlern bewerten nur 11,8 Prozent ihre gegenwärtige Situation als gut. Keines der regionalen Geldhäuser ist mit seiner derzeitigen Performance so zufrieden, dass die Antwortmöglichkeit „gut“ angekreuzt wurde. Auf der anderen Seite melden viele Unternehmen noch deutlich bessere Geschäfte als der Durchschnitt. Teilweise sogar überschäumend gut läuft die Konjunktur in vielen Dienstleistungsfirmen mit hochspezialisiertem Angebot, im Großhandel und in Industriebetrieben, die auch international sehr erfolgreich sind.

Vorläufig kann auch bei den negativen Lagebeurteilungen Entwarnung gegeben werden. Nur 5,3 Prozent der antwortenden Unternehmen klagen über schlechte Geschäfte, das sind noch einmal 0,2 Prozentpunkte weniger als zu Jahresbeginn – einer der besten Werte seit Beginn der IHK-Umfragen vor über 25 Jahren. Abgesehen von über einem Zehntel der Einzelhändler in der Innenstadt zeigen sich auch manche Wirte und Hoteliers besorgt über die Lage – in beiden Fällen sind vor allem strukturelle und individuelle, aber kaum konjunkturelle Gründe ausschlaggebend. Wichtig für die Wirtschaft: Keines der regionalen Geldhäuser sieht sich mit einer schlechten Lage konfrontiert.

„Die hervorragende Lage beschreibt nur die eine Seite der Konjunkturmedaille. Die andere Seite zeigt die Aussichten. Auch da sieht es gut aus, aber nicht mehr so vorzüglich wie noch im Januar“, berichtet Dr. Gunther Quidde, Hauptgeschäftsführer der IHK Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern. Laut Quidde bewerten zurzeit 23,8 Prozent der Unternehmen ihre Aussichten als „eher günstiger“, zum Jahreswechsel waren es 28 Prozent. Diese Kennzahl liegt damit nur unwesentlich unterhalb des Werts von vor einem Jahr, als noch 24,5 Prozent der Unternehmen optimistisch in ihre Zukunft blickten. Keine Branche erwartet massiv bessere Zeiten als gegenwärtig. „Dieser Rückgang ist vertretbar. Wir stoßen an die Decke unseres Konjunkturhimmels. ‚Besser wird’s nicht!‘ kommentieren viele Unternehmen die Zukunft. Wenn das Wachstumstempo so hoch bleiben soll, ist es jetzt angebracht, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und neue Märkte zu erschließen. Darin liegt die Kehrseite des aktuellen Konjunkturbooms: Die vollen Auftragsbücher erschweren es gerade kleineren Unternehmen, sich strategisch weiter zu entwickeln. Aber nicht zuletzt mit Blick auf den wachsenden internationalen Protektionismus und die steigenden Energiepreise ist es jetzt an der Zeit, mehr zu tun, als nur die vielen Aufträge abzuarbeiten.“, betont Quidde.

Der IHK-Vertreter weist darauf hin, dass die Unternehmen vor lauter Aufträgen kaum dazu kommen, Geld und Zeit in die Entwicklung neuer Produkte zu investieren. Vor zwei Jahren gaben 27,7 aller Unternehmen aus dem Main-Kinzig-Kreis an, dass „Innovationen“ ihre Hauptmotivation für Investitionen in Deutschland sind. Ein Jahr später stieg diese Kennzahl auf 31,6 Prozent. Seitdem fällt die Bereitschaft, für Produktinnovationen Geld in die Hand zu nehmen, teilweise kräftig ab. Seit Herbst 2017 liegt dieser Wert verhältnismäßig niedrig; aktuell wollen nur noch bei 26,1 Prozent der Unternehmen in neue Produkte und Verfahren investieren. Es werden zwar oft neue Maschinen und Anlagen angeschafft, aber dies vor allem, um alte Maschinen zu ersetzen.

Der IHK-Konjunkturklima-Indikator gewichtet die Einschätzungen der Unternehmen. Dieses Mal erreicht die zentrale Kennzahl einen hohen Wert von 128,2 Punkten, nach ungewöhnlich hohen 131,9 Punkten vor vier Monaten. Vergleichbar gute Konjunktureinschätzungen gab es zuletzt im Jahr 2007, vor der großen Krise, und nach deren Überwindung Anfang 2011 sowie kurzzeitig Anfang 2014. „Dieser Vergleich deutet ebenfalls darauf hin, dass wir an die Konjunkturdecke stoßen. Wir reden hier nicht von einem künftigen Einbruch oder auch nur von Stagnation. Aber mit dem gleichen Schwung wie bisher wird es mit dem Wirtschaftswachstum wohl nicht weiter gehen.“

Arbeitsmarkt am Anschlag, sinkende Exporterwartungen
Die Binnennachfrage ist hoch, die Zahl der Beschäftigten eilt von Rekord zu Rekord. So arbeiteten im Main-Kinzig-Kreis am 30. Juni 2017, diese Zahlen wurden jüngst von der amtlichen Statistik vorgelegt, 133.194 Menschen. „Wo vor fünf Jahren acht Menschen gearbeitet haben, waren es Mitte vergangenen Jahres schon neun. 28 Prozent der Unternehmen wollen weiter Personal einstellen. Viele von ihnen tun sich mittlerweile schwer damit, die richtigen Leute rasch zu finden“, schätzt Quidde nach diversen Gesprächen mit Unternehmern. Diese Rekordbeschäftigung spiegelt sich in der Arbeitslosenstatistik wider, die mit 4,3 Prozent einen Wert nah an der Vollbeschäftigung aufweist. Von den aktuell 9.669 als arbeitslos gemeldeten Menschen sind mehr als zwei Drittel Langzeitarbeitslose. Viele sind krank, ungelernt, über 55 Jahre alt oder der deutschen Sprache nicht mächtig – oft kommen mehrere dieser Einstellungshürden auch noch zusammen.

Nur in drei Branchen erwarten die Unternehmer unter dem Strich eher einen Personalabbau als steigende Beschäftigung, dort aber deutlich: bei den Konsumgüterproduzenten in der Industrie (42,9 Prozent), bei den Banken und Sparkassen (33,3 Prozent) und im Gastgewerbe (12,5 Prozent). In den anderen Branchen wird der Fachkräftemangel immer spürbarer. Er ist im Übrigen nach wie vor das konjunkturelle Risiko Nr. 1. Laut IHK-Umfrage sehen dies 61,1 Prozent der Unternehmen so. Sorgen bereiten den Unternehmen auch die politischen Rahmenbedingungen, trotz Regierungsbildung in Berlin im März. Das dürfte nicht zuletzt an den vermehrten Krisen in der Welt liegen und an den protektionistischen Bemühungen in vielen Staaten. Darauf deuten auch die Antworten zum Konjunkturrisiko „Auslandsnachfrage“ hin: Der Wert stieg seit Jahresbeginn um erhebliche 7,8 Prozentpunkte auf nunmehr 18 Prozent. „Nun exportieren ja nicht alle Unternehmen, deswegen liegt der Wert so niedrig. Schaut man sich aber die Werte für unsere sehr exportstarke Industrie an, so liegt dieser Wert mittlerweile bei 32,7 und bei den weltweit besonders aktiven Investitionsgüterproduzenten sogar bei 40 Prozent. Zum Vergleich: Noch im Januar lagen die beiden Werte bei 22,9 beziehungsweise 14,3 Prozentpunkten. Da wächst gerade eine enorme Skepsis“, erläutert Quidde. „Aber vorerst“, so der IHK-Hauptgeschäftsführer weiter, „droht kein Konjunktureinbruch. Dazu sind die Kapazitäten in der Industrie zu stark ausgelastet und das Auftragspolster ist zu dick. Aber Fehler macht man, wenn es einem gut geht. Deshalb ist der zunehmend kritische Blick vieler Unternehmen in die Zukunft kein Anlass zu Sorge, sondern ein Zeichen für wachen Unternehmergeist – und der tut dem Main-Kinzig-Kreis gut!“ bleibt Quidde optimistisch.


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