Schwaches Oberzentrum Hanau?

Leserbriefe
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Die geplante Kreisfreiheit von Hanau kommentiert VORSPRUNG-Leser Dr. Ralf-Rainer Piesold in einem Leserbrief.



"Natürlich liest nicht jeder hiesige Kommunalpolitiker den Hinweis, dass Hanau ein schwaches Oberzentrum sei, gerne. Dies steht aber am Ende des Gutachtens von Prognos zur Auskreisung Hanaus und sollte näher betrachtet werden, da sich daraus finanzielle Nachteile für die Hanauer Bevölkerung ergeben könnten. Ob die Behauptung stimmt, kann man anhand eines Vergleichs mit anderen Städten aufzeigen. Die nächst größeren Städte in Hessen, die beiden kreisfreien Städte Darmstadt und Offenbach hatten laut statistischem Landesamt vor einem halben Jahr 159.103 bzw. 129.948 Einwohnern. Kleiner sind die Sonderstatusstädte Gießen mit 88.507, Marburg mit 76.521 und Rüsselsheim mit 65.916 Einwohnern. Hanau liegt mit 96.355 in der Mitte. Der Bevölkerungszuwachs ist bei allen Städten gut, wobei Hanau aufgrund der Pioneer-Entwicklung den höchsten Zuwachs haben wird. Zur Deckung des Finanzbedarfs einer Stadt trägt wesentlich der kommunale Finanzausgleich bei.

Die Berechnung des kommunalen Finanzausgleichs ist ein kompliziertes Verfahren, das auf einer fiktiven Einwohnerzahl basiert, die nicht mit der realen übereinstimmt. Vielmehr wird zur Ermittlung des Finanzbedarfs auch die Stärke des Oberzentrums berücksichtigt. Anhand der geplanten KFA-Zuweisungen für dieses Jahr kann man Rückschlüsse auf diesen fiktiven errechneten Finanzbedarf ziehen. Hanau erhält nach Informationen des Hessischen Finanzministeriums in diesem Jahr 53.189.832,00 €. Die beiden kreisfreien Städte liegen auf einem vollkommen anderen Niveau. Darmstadt rechnet mit 173.462.511 € und das kleinere Offenbach gar mit 175.784.281 €. Bei den Sonderstatusstädten soll Gießen 71.239.208 € und das wesentlich kleinere Rüsselsheim sogar 52.895.210 € erhalten. Pro Kopf liegen damit alle Städte deutlich über Hanau. Das liegt u.a. daran, dass sie Hochstandorte sind und wissenschaftliche Einrichtungen beherbergen. Ein Vergleich mit Darmstadt offenbart das Dilemma Hanaus drastisch. In der Wissenschaftsstadt studieren alleine an den beiden großen Hochschulen über 41.000 Studentinnen und Studenten. In Hanau sind es ca. 300 an der Brüder-Grimm Berufsakademie.

Im Bereich Forschungseinrichtungen war das Fraunhofer Institut IWKS die letzte große Ansiedlung, die durch eine konstruktive Zusammenarbeit der hiesigen Wirtschaft, der CDU/FDP-Landesregierung und der Stadt Hanau mit einem durch die FDP geführten Wirtschaftsdezernat realisiert wurde. Die medial groß angekündigte Ansiedlung eines Paul-Ehrlich-Instituts durch den SPD-Wirtschaftsdezernenten im letzten Jahr wurde schon deswegen ein Flop, da das offerierte Grundstück am Bahnhof wohl vollkommen ungeeignet war. Aber auch bei der Weiterentwicklung der Brüder-Grimm-Berufsakademie bleibt der jetzige Hanauer SPD-Bildungsdezernent glück- und erfolglos. Aufgrund der Defizite ist deswegen Hanau eher ein schwaches Oberzentrum. Da Hanau bis Mitte dieses Jahrzehnts kreisfrei sein wird, sollten sich die Verantwortlichen in Hanau und Hessen Gedanken machen, wie man diese Defizite ausgleichen kann. Sicherlich ist es wichtiger in die Bereiche Forschung mit einem Wasserstoff-Anwendungszentrum und Bildung/Hochschule zu investieren als die Verwaltung lediglich aufzublähen. Um die Auskreisung erfolgreich zu gestalten und zu rechtfertigen ist ein Blick zur Digitalstadt Darmstadt vorteilhaft. Sonst könnte Hanau kreisfrei, sexy aber arm wie Offenbach werden, und muss den Grundsteuerhebesatz auf 995 Punkte anheben."

Dr. Ralf-Rainer Piesold (FDP)
Stadtrat a. D.
Ehrenamtl. Kreisbeigeordneter
63457 Hanau

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