Der Brief einer Mutter: Tut etwas!

Leserbriefe
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Aus Ronneburg hat die Redaktion per E-Mail der "Brief einer Mutter- mit der dringenden Bitte um Veröffentlichung", so stand es im Betreff, erreicht. Sie bat darum, den Text ohne Namensnennung zu veröffentlichen. Da er der Redaktion bekannt ist, machen wir das ausnahmsweise.



"Ich schreibe heute diesen Brief um darauf aufmerksam zu machen, welchen Spagat die Eltern in dieser Zeit leisten. Die Glücklichen unter uns, dazu zählen mein Mann und ich, sind (noch) nicht in Kurzarbeit geraten und können weiterhin in vollem Umfang ihren Arbeitspflichten nachgehen. Ich kann nicht sagen, wie dankbar ich meinem Arbeitgeber deshalb bin - finanzielle Nöte bleiben zumindest uns hier erspart. Die Betonung liegt auf uns. Viele Familien kämpfen wegen der nicht gesicherten Kinderbetreuung auch damit und haben damit ganz sicher das schlechtere Los gezogen!

Aber um zu unserer persönlichen Situation zurückzukommen, die übrigens mit Sicherheit deckungsgleich mit vielen anderen Familien ist: seit Mitte März haben mein Mann und ich aus dem Homeoffice heraus unsere Tätigkeiten erledigt. Nebenbei (!!!) unsere beiden Kinder (6 und 2 Jahre alt). Dass das zu qualitativen Einbußen sowohl bei Kinderbespaßung als auch der Ergebnisse unserer Tätigigkeiten führt, muss ich nicht erwähnen. Ich tue es aber. Denn es ist kein Zustand, den man langfristig tragen kann! Seit dieser Woche hat der Arbeitgeber meines Mannes (Regionalvertriebsleiter) dazu aufgerufen, den Vertrieb wieder regulär zu starten. Mein Mann ist jetzt wieder von Montag bis Donnerstag unterwegs. Schön ist, dass unsere Große als Vorschulkind endlich wieder in den Kindergarten darf. Mir bleibt dabei im Homeoffice unser Zweijähriger. Ich möchte hier gerne unseren Tagesablauf skizzieren.

Ich stehe morgens gegen sechs Uhr auf und starte meinen Laptop während ich dusche und nebenbei die Kindergartentasche unserer Tochter packe. Ich arbeite bis die Kinder wach werden bzw. wecke unsere Tochter (und somit auch den Sohn, denn er muss mitfahren) damit sie pünktlich im Kindergarten ist. Wir fahren 'schnell, schnell', wie man so schön sagt, in den Ronneburger Waldkindergarten und wieder zurück, da meine Meetings in der Regel um 8:00/8:30 Uhr starten. Während meines ersten Meetings frühstückt mein Sohn nebenbei (!!). Meine Aufmerksamkeit geteilt zwischen Laptop und Kind. Mein Mikrophon die meiste Zeit stumm. Wenn es das nicht ist, kommt es schon mal zu Unterbrechungen im Meeting, weil unser Sohn nach dem Frühstück mit seinem Bollerwagen durch die Wohnung fährt oder Feuerwehr spielt. Bücher lese ich ihm liebend gerne vor, allerdings immer mit kurzen Pausen, denn nebenbei höre ich zu, was im Meeting gesprochen wird und muss antworten, wenn eine Frage mich betrifft. Nicht immer spielt die Geduld unseres Sohnes da mit. Das zieht sich so über den Vormittag, während die Laune unseres Kindes stetig schlechter wird, weil er so gerne in den Garten möchte oder irgendwas Spannendes mit mir spielen will, während ich Excel-Tabellen analysiere.

Ich stehe auf, setze mich hin, stehe auf, setze mich hin, mache Tee, schneide Äpfel und puste Auas weg, während ich versuche, meine Mails zu beantworten. Zu Mittag gibt es bei uns Dosenfutter. Ich oute mich. Was normalerweise für mich ein absolutes NO GO ist, wurde in den letzten Wochen Standard. Denn zum Kochen fehlt einfach die Zeit. Mein Sohn isst also sein Mittagessen, während ich in Meetings bin und versteht die Welt nicht mehr - wieso hat Mama jetzt keine Zeit? Ihm ist langweilig und es bleibt zu wenig Zeit, ihn zu fördern, wie er es verdient hat.

Gut ist, dass er nach dem Mittagessen schlafen geht. Und hier ein weiteres Outing - er darf Fernseh gucken. Und zwar so gut wie täglich. Ich höre panische Aufschreie der Leser*innen. Ja, er ist erst zwei. Und nein, vor Corona wusste er nicht, was ein Fernseher ist. Und das hätte gut und gerne so bleiben dürfen. Denn Fernseh gucken ist so gar nicht, was ich mir für meine Kinder wünsche. Es widerstrebt mir und ist seiner Entwicklung nicht gerecht. Aber Fakt ist nun mal, dass ich meinen Pflichten auf der Arbeit nachkommen muss, denn mein Einkommen ist wichtig für unsere Familie. Es sichert, auch wenn mein Mann den größeren Teil dazu beiträgt, unsere Existenz. Da steht neben vielen kleinen Dingen auch ein neugebautes Haus auf der Liste ganz oben. Das Zuhause unserer Kinder. Ihr Wohlfühlort. Der Ort, an dem sie sich nicht gefangen fühlen sollen, sondern Spaß innerhalb der Familie genießen können. Während unser Sohn nun schläft, bleibt jetzt, da die Große in den Kindergarten darf, Zeit (ca 1h) für weitere wichtige Anliegen in meiner Mailbox. Wird er wach, ist das oft mit einer längeren Phase verbunden, in der er gerne kuschelt und Mama-Zeit hat. Die ich ihm auch gönne und gerne gebe. Immer mit dem Blick auf die Uhr und die Mailbox. Denn das nächste Meeting naht.

Die Situation der Familien verschärft sich mit jeder Woche mehr. Ich fordere als Steuerzahlerin (und das möchte ich bleiben !) einen Weg, wie auch wir wieder etwas beitragen können. Die Wirtschaft leidet darunter, dass Eltern nicht präsent sind, die Kinder leiden auch. Sie vermissen ihre Freunde und den Kindergarten. Sie verstehen nicht, woran es hängt. Und ich ehrlich gesagt auch nicht. Es MUSS eine Lösung geben, den Kindern und den Eltern Entlastung zu gewähren! Denn der Witz ist ja - auf die Arbeit müssen wir ja auch! Da sagt niemand 'das geht doch nicht' und im Jahr 2020 arbeiten eben auch die Frauen (das soll bitte auch so bleiben !!!!!) und Großeltern (sollen ja sowieso nicht einbezogen werden) auch. Wir machen große Schritte in die falsche Richtung und schaden unserer Gesellschaft mehr als nötig.

Nachdem also mein letztes Meeting verstrichen ist. fahren wir in den Kindergarten, um unsere Große abzuholen, die übrigens einfach nur glücklich ist, dass Normalität zumindest ansatzweise in ihrem Leben Einzug gehalten hat. Die restlichen Mails müssen abends bearbeitet werden. Lange Tage, kurze Nächte. Der Haushalt fällt ja nebenbei auch noch an.

Mein Appell geht ganz besonders an unsere Gemeinde Ronneburg. Tut etwas! Die Eltern der Gemeinde Ronneburg können diese Last nicht mehr lange tragen."

Der Name der Verfasserin ist der Redaktion bekannt

Hinweis der Redaktion: Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zu kürzen oder nicht zu publizieren. Online eingesandte Leserbriefe werden nicht direkt veröffentlicht, sondern zuerst von der Redaktion geprüft. Leserbriefe sind immer mit dem Namen und der Anschrift des Autors zu versehen und spiegeln die Meinung des oder der Autoren wider. Die E-Mail-Adresse zur Einsendung von Leserbriefen lautet Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.


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