"Der Main-Kinzig-Kreis ist einer der dichtest besiedelten Landstriche in ganz Europa, nimmt man die Großstädte aus. Zahlreiche Flächen sind überbaut und versiegelt durch Wohngebiete, Gewerbe- und Industriegebiete, zahlreiche Straßen, Eisenbahnstrecken, Strommasten und -leitungen. All diese Infrastruktur ist für unser Leben erforderlich. Viele Wälder bestehen aus Fichten-Forsten und dienen hauptsächlich wirtschaftlichen Zwecken. Aus früheren kleinteiligen Äckern und Wiesen werden immer größere landwirtschaftlich genutzte Monokulturen. Unsere Landschaft erfährt einen dramatischen Verlust an Vielfalt von Flora und Fauna. Der intensive Bau von Windkraftanlagen in Wäldern und Photovoltaikanlagen auf Wiesen und Äckern kommt in den letzten Jahren hinzu. Zwei lokale Beispiele: an der Autobahn A66 zwischen Bad Orb und Wächtersbach-Aufenau werden rund 20 Hektar Wiesen- und Ackerflächen mit Photovoltaik-Anlagen überbaut, was rund 28 Fußballfeldern entspricht. Der Main-Kinzig-Kreis ist der mit Windkraftanlagen am höchsten belastete Kreis in Südhessen. Zusätzlich können mehrere hundert Anlagen auf Windvorranggebieten hinzukommen. Wegen fehlender Freiflächen und den besseren Windverhältnissen werden die Windkraftanlagen auf den bewaldeten Spessart-Bergrücken gebaut. Der gemeindefreie Gutsbezirk Spessart zwischen Bad Orb, Bad Soden-Salmünster, Steinau, Schlüchtern, Sinntal, Bayern und Jossgrund. ist ca. 8930 ha groß. Davon wurden - unglaublich - rund 10 Prozent als Windvorrangflächen. Bis zu 90 Anlagen könnten dort gebaut werden. Laut den Zahlen der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald würden damit bis zu 100 Hektar Waldfläche versiegelt werden.

Unter diesen Umständen müsste doch dem Natur- und Landschaftsschutz ein besonders hoher Rang eingeräumt werden. Das Gegenteil ist der Fall. Mit dem Beschleunigungsgesetz für erneuerbare Energie der Bundesregierung wird dem Naturschutz die Luft genommen. Zwischenzeitlich liegt ein Erlass zur Beschleunigung des Windenergieausbaus der Hessischen Ministerien für „Umweltschutz, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz“ und „Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen“ vor. Hier wird Klartext geschrieben. Für Windenergei-Vorranggebiete, die bereits eine „strategische Umweltprüfung“ durchlaufen haben, entfällt im Genehmigungsverfahren die Pflicht der Umweltprüfung und der artenschutzrechtlichen Prüfung. Die Windvorranggebiete in Hessen erfüllen diese Voraussetzungen. Stattdessen soll die Behörde sicherstellen, dass die Betreiber angemessene und verhältnismäßige Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen durchführen. Die Bewertung erfolgt auf Basis bestehender Daten. Die Vorgaben der Vogelschutz-, Fauna-Flora-Habitat- und UVP (Umweltverträglichkeits-) Prüfungen zum Artenschutz werden außer Kraft gesetzt. Im Genehmigungsverfahren brauchen keine neuen Daten hinsichtlich zu schützender Arten erhoben werden. Hat sich zwischenzeitlich ein Schwarzstorch angesiedelt, wird dies nicht mehr zur Kenntnis genommen. Der Gesetzgeber hat also dem Naturschutz eine Augenbinde verpasst. Mit der Ermahnung an die Betreiber, angemessene und verhältnismäßige Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen durchzuführen, wird der Bock zum Gärtner gemacht. Dem Individualschutz geschützter Arten wird keine Beachtung mehr geschenkt. Beispiel: Im Wald um Alsberg und Seidenroth werden Windräder geplant. Gegenwind Bad Orb e.V. beabsichtigte ein avifaunistisches Gutachten zu erstellen. Hessenforst verbot jedoch dem beauftragten Gutachter den Wald auf den Wirtschaftswegen zu befahren. Das staatliche Unternehmen Hessenforst untersteht dem Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, geleitet von der Grünen Politikerin Priska Hinz.

Aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte, der immer noch zunehmenden Zersiedelung, des Entfalls von Hecken und Baumgruppen zu Gunsten großer Felder, der Fragmentierung der Wälder durch Windkraftanlagen und Verbreiterung der Waldwege einschließlich Baumfällungen zur Erreichung großer Wegeradien müssten viel mehr Schutzgebiete und Ausbreitungskorridore für Tier- und Pflanzenarten geschaffen werden. Damit könnten die noch vorhandenen Lebensräume verbessert und vernetzt werden. Tieren und Pflanzen muss eine großflächige Ausbreitung ermöglicht werden, um den genetischen Austausch innerhalb der Arten sicherzustellen und damit auch eine große biologische Vielfalt sicherzustellen.

Beim Bau von Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen werden oft so genannte „Ausgleichsmaßnahmen“ zur Kompensation von wertvollen Wald- oder Acker- und Wiesenflächen gefordert. Die nachhaltige Durchführung und Beibehaltung dieser Ausgleichsmaßnahmen sind mehr als fragwürdig. Beispiel: Für die geplanten Photovoltaikanlagen an der Autobahn A66 zwischen Bad Orb und Wächtersbach-Aufenau wird im Orbtal ein nicht näher definiertes Waldstück als Ausgleichsmaßnahme ausgewiesen. Das Waldstück hat bereits einen Schutzstatus. In Wirklichkeit wird kein wirklicher Ersatz geschaffen, sondern der Bevölkerung nur etwas vorgegaukelt.

Mit der fast ausschließlichen Fokussierung der Energiewende auf Wind und Sonne geht uns in Deutschland Maß und Mitte verloren. Natur- und Landschaftsschutz werden gegen den Klimaschutz ausgespielt und auf die Verliererbahn geschickt. Und damit auch gleichzeitig der Menschenschutz. Das gilt auch konkret für Bad Orb. Bei der Festlegung der Flächennutzungspläne legte Gegenwind Bad Orb ein hydrogeologisches Gutachten vor. Ein Geologe und ein Geograph zeigten auf, dass das Wasserschutzgebiet II im Orbtal viel zu klein ist und damit die Grundwasserversorgung gefährdet werden könnte. Das Regierungspräsidium wies die Argumente ab und verwies auf ein kommendes Genehmigungsverfahren. Und in einem (hoffentlich nie) kommenden Genehmigungsverfahren ist es zweifelhaft, ob diese Argumente noch aufgegriffen werden.

Die Energiewende in Deutschland ist zu einer ideologisch getriebenen Parteipolitik verkommen mit gezielter Blindheit in Bezug auf die unbeschreiblichen ökologischen und wirtschaftlichen Schäden."

Heinz Josef Prehler
Bad Orb

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